Der Bruder von Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger hat eingeräumt, zu Schulzeiten vor mehr als 30 Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben. „Ich bin der Verfasser des in der Presse wiedergegebenen Flugblattes“, heißt es in einer persönlichen Erklärung des Bruders, die ein Freie-Wähler-Sprecher am Samstagabend weiterleitete.
„Ich distanziere mich in jeder Hinsicht von dem unsäglichen Inhalt und bedauere sehr die Folgen dieses Tuns. Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen war. Ich war damals noch minderjährig.“ Zuvor hatte die Mediengruppe Bayern über das Eingeständnis des ein Jahr älteren Bruders berichtet.
Aiwanger hatte wenige Stunden zuvor die Vorwürfe zurückgewiesen. „Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend. Der Verfasser des Papiers ist mir bekannt, er wird sich selbst erklären. Weder damals noch heute war und ist es meine Art, andere Menschen zu verpfeifen“, teilte Aiwanger der Berliner Zeitung mit.
Strafe fürs Flugblatt: Hubert Aiwanger musste als Schüler Referat halten
Der bayrische Wirtschaftsminister erklärte zudem, dass während seiner Schulzeit bei ihm wenige Exemplare in seiner Tasche gefunden wurden. Daraufhin hätte er beim Direktor antreten müssen. Ihm sei damals mit der Polizei gedroht worden, wenn er diese Sache nicht aufklärt. Seine Eltern seien darüber nicht in Kenntnis gesetzt worden. Als Ausweg wurde ihm angeboten, ein Referat zu halten. „Dies ging ich unter Druck ein. Damit war die Sache für die Schule erledigt. Ob ich eine Erklärung abgegeben oder einzelne Exemplare weitergegeben habe, ist mir heute nicht mehr erinnerlich. Auch nach 35 Jahren distanziere ich mich vollends von dem Papier“, so Aiwanger weiter.
Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung soll Aiwanger, Vorsitzender der Partei Freie Wähler, als 17-Jähriger ein antisemitisches Pamphlet verfasst haben. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf anonyme Quellen. In dem Flugblatt, das auf dem Schulklo zirkuliert sein soll, ist unter anderem vom „Vergnügungsviertel Auschwitz“ die Rede. Ein Faksimile der Hetzschrift liegt der Berliner Zeitung vor.
Flugblatt soll den Holocaust ins Lächerliche ziehen
Im Schuljahr 1987/88 ist Hubert Aiwanger Schüler des Burkhart-Gymnasiums in Mallersdorf-Pfaffenberg, Niederbayern. Er geht in die elfte Klasse. In dieser Zeit taucht in der Schule ein Pamphlet auf, das den Holocaust ins Lächerliche zieht. Der Titel: „Bundeswettbewerb – Wer ist der größte Vaterlandsverräter?“ Offenkundig handelt es sich um eine Parodie auf den Schülerwettbewerb „Deutsche Geschichte“, an dem auch das Burkhart-Gymnasium damals teilnimmt.
Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger – „Vergnügungsviertel Auschwitz“
Teilnahmeberechtigt an dem „Wettbewerb“ sei jeder, heißt es auf dem maschinengetippten Blatt Papier, der Deutscher sei und sich auf deutschem Boden aufhielte. Für die Plätze 1 bis 6 sind folgende „Preise“ aufgeführt: „Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“, „Ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab (Ort nach Belieben)“, „Einjähriger Aufenthalt in Dachau (Freie Kost und Logie)“, „Ein kostenloser Genickschuß“, „Eine kostenlose Kopfamputation durch Fallbeil“, „Eine Fahrkarte in die ewigen Jagdgründe (Erfüllungsort ebenfalls das Vergnügungsviertel Auschwitz und Nebenlager)“.
Die @SZ berichtet, dass Hubert Aiwanger wahrscheinlich Urheber dieses widerlichen antisemitischen Flugblatts ist. pic.twitter.com/FC8jORoL6l
— Krsto Lazarević (@Krstorevic) August 25, 2023
Die Süddeutsche Zeitung will mit mehreren anonymen Quellen gesprochen haben, die Aiwangers Autorschaft bestätigt haben sollen. Demnach soll Aiwanger als Urheber des Pamphlets zur Verantwortung gezogen worden sein. Aiwanger bestreitet jedoch alle Vorwürfe.
Sprecher: Aiwanger werde sich gegen „Schmutzkampagne“ wehren
Ein Sprecher des Politikers richtete der Süddeutschen Zeitung auf Anfrage aus, Aiwanger habe „so etwas nicht produziert“. Der Sprecher drohte zudem der Süddeutschen Zeitung mit rechtlichen Schritten: Sollte diese über das Flugblatt berichten, kündigt er an, dass sich Aiwanger juristisch „gegen diese Schmutzkampagne“ wehren werde. Auch die Berliner Zeitung fragte Aiwanger schriftlich um ein Statement an. Die Anfrage blieb allerdings bis jetzt noch unbeantwortet.
Zum Medienbericht der Süddeutschen Zeitung hat sich inzwischen auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Wort gemeldet. Die CSU regiert den Freistaat Bayern in einer Koalition mit Aiwangers Freien Wählern.
Am Rande eines Volksfestbesuchs in Augsburg nannte Söder das mutmaßlich von Aiwanger verfasste Flugblatt „menschenverachtend und geradezu eklig“. Er fordert von seinem Koalitionspartner, „die Dinge zu erklären und auch öffentlich zu erklären“. Alle Vorwürfe müssten „ausgeräumt werden, und zwar vollständig“. Es sei jetzt wichtig zu klären, ob die Vorwürfe gegen den Freie-Wähler-Chef stimmen.



