Kriegsverbrechen

Angriff auf die Ukraine: So viele Jahre Gefängnis drohen Putin

Folter, Hinrichtungen, Vergewaltigung: Es gibt viele Anzeichen für Kriegsverbrechen durch russische Truppen. Wie könnte man Putin juristisch belangen?

Russlands Präsident Wladimir Putin könnte für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden.
Russlands Präsident Wladimir Putin könnte für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden.AFP/Atta Kenake

Der Beschuss des Theaters voller Flüchtlinge in Mariupol und des belebten Bahnhofs von Kramatorsk sind Beispiele für mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine. Ihre Liste wird jeden Tag länger. Am Donnerstag haben internationale Experten eine 53-seitige Dokumentation vorgelegt. Darin berichten sie über massenhafte und schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch die russische Armee. Juristen machen sich nun an die Aufarbeitung. Doch wie können Machthaber wie Wladimir Putin oder Sergej Lawrow für die mutmaßlichen Schandtaten belangt werden?

Prof. Dr. Christoph Safferling ist Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er erklärt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass für die Aufarbeitung solcher Verbrechen nationale wie internationale Gerichte zuständig sein können. Doch Staatsoberhäupter ließen sich nicht so leicht belangen, erklärt Safferling.

„Erst letztes Jahr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Mitglied einer staatlichen Armee keine funktionelle Immunität genießt. Staatsoberhäupter sind indes gegen Strafverfolgung immun, solange sie im Amt sind“, so Safferling gegenüber dem Nachrichtenportal. In Deutschland könnte Putin also nicht verurteilt werden.

In Den Haag genießen aktive Politiker keine Immunität

Dennoch gebe es einen Weg, Putin oder Lawrow juristisch zu belangen. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag genießen aktive Politiker keine Immunität, sagt Safferling weiter. Er sehe etwa Anzeichen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese können im unwahrscheinlichen Fall von Den Haag verfolgt werden.

„Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, zum Beispiel Geschehnisse in Orten wie Butscha, legen das nahe. Der Internationale Gerichtshof kennt zwar auch die lebenslange Freiheitsstrafe, kann aber, anders als das deutsche Strafrecht, auch lange Freiheitsstrafen von bis zu 30 Jahren verhängen.“ Den Hauptverantwortlichen der Straftaten in der Ukraine, wie Putin oder Lawrow, könnten demnach durchaus 20 bis 30 Jahre Gefängnis drohen, schätzt der Experte.

Im September 2015 hat die Ukraine eine Erklärung abgegeben, mit der sie die Gerichtsbarkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen anerkennt, die seit dem 20. Februar 2014 auf ihrem Hoheitsgebiet verübt wurden. Anlass für diesen Schritt waren die Besetzung der Krim und der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine. Die Er­klärung von September 2015 gilt noch immer.

Wegen des Vorwurfs eines Angriffskriegs sind dem Internationalen Strafgerichtshof allerdings die Hände gebunden, auch wenn der Tatbestand eindeutig vorliege. Hier kann Den Haag nur ermitteln, wenn beide beteiligten Staaten das ihm zugrunde liegende Römische Statut unterzeichnet hätten. Doch das haben weder Russland noch die Ukraine.