Wohnen in Berlin

Weiter ein Problem: Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Das Gesetz schützt Menschen vor Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Doch noch immer gibt es zahlreiche Beschwerden von Betroffenen.

In Berlin gibt es rund zwei Millionen Wohnungen. Die Vergabe stößt immer wieder auf Kritik.
In Berlin gibt es rund zwei Millionen Wohnungen. Die Vergabe stößt immer wieder auf Kritik.dpa/Christoph Soeder

In 395 Fällen haben Betroffene in den vergangenen zwei Jahren in Berlin Beschwerden oder Anfragen wegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt eingereicht. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Elif Eralp und Niklas Schenker hervor, die am Montag veröffentlicht wurde.

Bei der Ombudsstelle der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADG) gingen demnach in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 39 „Beschwerden aufgrund von Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt“ ein (Stand: 15. Dezember 2022). Die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Fair mieten – Fair wohnen vermeldete 194 Anfragen im Jahr 2021 sowie 162 Anfragen im Jahr 2022 (Stand: 13. Dezember 2022).

Als häufigster Diskriminierungsgrund wird von beiden Anlaufstellen die „ethnische Herkunft“ genannt. Darüber hinaus werden bei der LADG-Ombudsstelle „Behinderung“, „sozialer Status“, „chronische Erkrankung“, „geschlechtliche Identität“, „antisemitische Zuschreibung“ und „Alter“ als weitere Diskriminierungsgründe aufgeführt. Die Fachstelle Fair mieten – Fair wohnen, die vom Senat gefördert wird, listet als Diskriminierungsgründe zudem „sexuelle Orientierung“ und „Religion/Weltanschauung“ auf.

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind von der Kritik nicht ausgenommen. Von den 39 Beschwerden, die bei der LADG-Ombudsstelle eingingen, „standen 18 im Zusammenhang mit dem Handeln landeseigener Wohnungsunternehmen“, heißt es in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage. Und die Fachstelle Fair mieten – Fair wohnen meldete, dass in 26 Anfragen im Jahr 2021 und in 33 Anfragen im Jahr 2022 „die Verursachung einer Diskriminierung durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen genannt“ wurde.

Senatsverwaltung verteidigt die städtischen Unternehmen

Trotzdem: Die städtischen Unternehmen werden in der Antwort der Senatsverwaltung verteidigt. Es würden von ihnen bei der Vermietung von Wohnungen „keinerlei Angaben abgefragt, die eine Diskriminierung zulassen würden“, heißt es. Falls Wohnungsbewerber für einen Besichtigungstermin nicht berücksichtigt werden, gebe es „somit keinen Anknüpfungspunkt für den Vorwurf einer Diskriminierung“.

Gleichwohl räumt die Senatsverwaltung ein, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen das von der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt entwickelte Leitbild „Berlin vermietet fair!“ noch immer nicht unterzeichnet haben. Die Fachstelle werde aber „im ersten Quartal 2023 zu einem Gespräch einladen“, um die Unternehmen „zur Unterzeichnung zu motivieren“, heißt es.

Das im Jahr 2021 vorgestellte Leitbild besteht aus neun Leitsätzen, die sich an Vermieter richten. Ziel ist es, Vermieter für eine „diskriminierungsarme Wohnungsbewerbung, Vergabe, Vermietung und Verwaltung von Wohnraum zu motivieren“, wie es in der Präambel heißt. In den Leitsätzen sollen die Vermieter unter anderem Mitverantwortung für ein „vielfältiges Wohnungsangebot“, für allgemein zugängliche Wohnungsangebote und eine verständliche und diskriminierungsfreie Sprache übernehmen.

Kritik aus der Linke-Fraktion

Zudem sollen sie sich verpflichten, Vergabeprozesse für Wohnungsuchende „nachvollziehbar zu kommunizieren und Vergabekriterien sichtbar zu machen“ sowie Beschwerden wegen Diskriminierung ernst zu nehmen, zu bearbeiten und Maßnahmen gegen Diskriminierung zu entwickeln. Vom Senat wird das Leitbild begrüßt.

„Zwar sind die Landeswohnungsunternehmen im Vergleich zu den privaten transparenter und diskriminierungsfreier im Hinblick auf ihre Vermietungspraxis“, sagt der Linke-Abgeordnete Niklas Schenker. Doch auch bei den landeseigenen Unternehmen gebe es noch einige Baustellen. „Ein erster Schritt wäre, das Leitbild ,Berlin vermietet fair‘ zu unterzeichnen“, so Schenker. „Es ist unverständlich, warum ein vom Senat gefördertes Projekt nicht auch von den landeseigenen Wohnungsunternehmen unterstützt wird.“

Die Landeswohnungsunternehmen müssten „einheitliche, nachvollziehbare Standards für eine diskriminierungsfreie Vermietungspraxis anwenden“, fordert Schenker. Während bei der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), der Degewo und der Howoge „Bemühungen sichtbar werden, mittels Zufallsgenerator beziehungsweise Losverfahren auf eine diskriminierungsarme und transparente Vergabepraxis zu setzen, verzichten die anderen Unternehmen auf den Einsatz digitaler Software mit Zufallsgenerator“, so der Abgeordnete. „Das sollte sich ändern.“

Vorschlag: Anteil der Wohnungen für WBS-Inhaber erhöhen

Um der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt aufgrund des sozialen Status entgegenzutreten, sollten die Landeswohnungsunternehmen den Anteil der Wohnungen, die an Haushalte mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) vergeben werden, sowohl beim Neubau als auch bei der Wiedervermietung erhöhen. Bisher gilt für die Landeswohnungsunternehmen die Vorgabe, dass sie 63 Prozent der wiedervermieteten Wohnungen an WBS-Berechtigte vergeben müssen. Mittlerweile haben aber mehr als 50 Prozent der Berliner Anspruch auf einen WBS. „Diese finden außerhalb der Landeseigenen kaum eine Wohnung“, so Schenker.