Steigende Energiekosten treiben die finanzielle Belastung für viele Haushalte nach oben. Was im neuen Jahr zu erwarten ist, welche – mitunter wenig bekannten – finanziellen Hilfen es für Mieter gibt und was die Politik tun sollte, skizzieren Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Wibke Werner, Ulrike Hamann und Sebastian Bartels, im Gespräch mit der Berliner Zeitung.
Wohngeld: Zum 1. Januar 2023 ist die Wohngeldreform wirksam geworden. Sie sieht vor, dass das Wohngeld von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro steigt. „Mit der Wohngeldreform wird zukünftig eine Klimakomponente und eine Heizkostenkomponente im Wohngeld berücksichtigt“, sagt BMV-Geschäftsführerin Wibke Werner. Damit werde eine seit langem von den Mieterverbänden formulierte Forderung aufgenommen, die Mietbelastung in Häusern mit besonders schlechtem energetischen Zustand zu berücksichtigen. Neben der Erhöhung des Wohngeldes ist geplant, dass die Zahl der Anspruchsberechtigten wächst: in Berlin von bisher knapp 25.000 auf rund 75.000 Haushalte. Der Mieterverein rät Haushalten zu prüfen, ob sie Anspruch auf Wohngeld haben. Auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt es dazu einen Wohngeldrechner: www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohngeld.de.
Nebenkosten: „Der extreme Anstieg des Gaspreises führt dazu, dass sich die Heizkosten deutlich verteuern werden“, sagt BMV-Chefin Werner. Da auch die Versorgung mit Fernwärme teilweise eine Gaskomponente enthält, betreffe die Verteuerung auch die Fernwärmeversorgung. „Einige Haushalte werden mit einer Verdreifachung der Heizkosten rechnen müssen“, sagt Werner. Manche Haushalte könnten die steigende Wohnkostenbelastung durch das neue Wohngeld abmildern. Interessant dürfte darüber hinaus die Möglichkeit werden, in dem Monat, in dem eine Heizkostenabrechnung mit hoher Nachforderung zugeht, einmalig Bürgergeld zu beantragen. Darüber ließe sich gegebenenfalls eine Übernahme der Kosten durch das Jobcenter oder das Sozialamt erwirken, wenn die Haushalte trotz ihres Einkommens aufgrund der hohen Nachzahlungen unter das Existenzminimum geraten. Mieter in Sozialwohnungen könnten bei einer Mietbelastung von mehr als 30 Prozent ihres Einkommens bei der Investitionsbank Berlin (IBB) einen Mietzuschuss beantragen.
Index-Mietverträge: Manche Haushalte haben in den vergangenen Jahren Mietverträge abgeschlossen, bei denen die Mietsteigerungen an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten gekoppelt sind. Bei einer geringen Inflation war dies kein Problem. Mit steigender Inflation sähen sich Mieter mit Indexmietverträgen aber mit „erheblichen Mieterhöhungsverlangen konfrontiert“, so Werner. Dieser Tendenz müsse entgegengetreten werden. Berlin habe an dieser Stelle aber wenig Handlungsmöglichkeiten, gefragt sei der Bund. „Dringend erforderlich wäre die Regelung einer Kappungsgrenze, wonach die Miete in drei Jahren um nicht mehr als elf Prozent erhöht werden darf“, sagt Werner. Bislang gilt eine solche Regelung nur für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete, nicht aber für Indexmieterhöhungen. „Für Neuabschlüsse sollte die Möglichkeit der Indexmiete gänzlich gestrichen werden, zumindest in Kommunen mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt und in Gebieten, in denen ein Mietspiegel vorhanden ist“, so Werner.
Neuer Mietspiegel: Im Mai 2023 verliert der aktuelle Berliner Mietspiegel seine Eigenschaft als sogenannter qualifizierter Mietspiegel, also als Mietspiegel von besonderem Wert. Weil die Auftragsvergabe für die Erstellung eines neuen qualifizierten Mietspiegels vor Gericht angegriffen wurde, wird dieser nicht mehr rechtzeitig bis zum Mai fertig. „Für die Zeit, bis ein neuer qualifizierter Mietspiegel erstellt ist, wird nun eine Übergangslösung in Form eines einfachen Mietspiegels geprüft“, sagt Wibke Werner. Sie befürchtet, dass mit dem nächsten Mietspiegel weitere Mieterhöhungen auf die Haushalte zukommen. „Wir als Mieterverein fordern die Vermieter:innen auf, im Angesicht der sonstigen Preisexplosionen Zurückhaltung walten zu lassen“, sagt Werner. „Das wird jedoch nicht genügen.“ Umso dringender sei es, die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebene Absenkung von Mieterhöhungsspielräumen von 15 Prozent auf elf Prozent auf angespannten Wohnungsmärkten „endlich umzusetzen“. In Berlin sollte der Senat „darauf dringen, dass die in seinem Bündnis für Bauen und bezahlbares Wohnen vereinigten Wohnungsunternehmen ein Mieterhöhungsmoratorium ausrufen, so wie es die landeseigenen Wohnungsunternehmen bereits getan haben.“
Koalitionsvertrag: Während sich die Parteien auf die Wahlwiederholung im Februar vorbereiten, erinnert BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann daran, das „noch viele Punkte“ aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linke unerledigt geblieben sind. „So wurde weder die Reform des sozialen Wohnungsbaus umgesetzt noch wurden das Zweckentfremdungsgesetz und die Bauordnung verschärft, um bezahlbaren Wohnraum, aber auch Gewerberaum vor Abriss zu schützen“, so Hamann. Abrisse müssten künftig die Ausnahme bleiben; etwaige Auflagen für Ersatzwohnraum im Falle von genehmigten Abrissen müssten verschärft werden. Trotz Versprechungen habe die Koalition zudem die Härtefallgrenze bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen noch nicht auf 30 Prozent des Einkommens für die Bruttokaltmiete angehoben. „Gerade in Zeiten der rasant steigenden Betriebskosten könnten Mieter so ihre Mietbelastung deckeln“, sagt Hamann. Dies sei „ein dringend notwendiger Schritt“. Bisher sieht die Härtefallregelung vor, dass Mieter eine Begrenzung der Nettokaltmiete auf 30 Prozent des Haushaltseinkommens beantragen dürfen. Künftig sollen durch Bezugnahme auf die Bruttokaltmiete auch kalte Nebenkosten berücksichtigt werden.




