Ukrainische Weihnacht

Weihnachts-Revolte: „In Moskau ist alles falsch, sogar der Kalender“

Die ukrainisch-katholische Gemeinde in Berlin feierte Weihnachten traditionell am 7. Januar. Doch jetzt will die Mehrheit der ukrainischen Christen den 25. Dezember.

In der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale von Odessa feierten ukrainische Katholiken am 25. Dezember einen festlichen Weihnachtsgottesdienst. In diesem Gotteshaus folgt man dem römischen oder lateinischen Ritus.
In der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale von Odessa feierten ukrainische Katholiken am 25. Dezember einen festlichen Weihnachtsgottesdienst. In diesem Gotteshaus folgt man dem römischen oder lateinischen Ritus.Imago/Nina Lyashonok

Ernst liegt über dem Gottesdienst der ukrainischen Gemeinde, die sich am 25. Dezember in der Kirche St. Johannis Evangelist in Berlin-Johannisthal versammelt hat. Etwa 80 Menschen sind gekommen, wenige Kinder, wenige ältere Leute, die meisten mittleren Alters. Ein Krippe steht im Kirchraum des gastgebenden katholischen Gotteshauses, aber die Angehörigen der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (nach byzantinischem Ritus) feiern keinen Weihnachtsgottesdienst. Traditionell findet das Fest der Geburt Christi nach altem, julianischem Kalender erst zwei Wochen später, am 7. Januar, statt.

Doch das wird wahrscheinlich zum letzten Mal so sein, denn der Überfall der Putin’schen Kriegsmaschinerie auf die Ukraine ändert auch diesen alten ost-christlichen Brauch. Im nächsten Jahr will die Gemeinde das Weihnachtsfest gemeinsam mit der großen Mehrheit der Christen in Deutschland, im Westen und auch der Ukrainischen, mit Rom unierten Kirche weltweit am 25. Dezember feiern.

Pfarrer Sergiy Dankiv, Seelsorger der Berliner Gemeinde, macht den politischen Hintergrund klar, warum die Zeit nun reif ist für diesen Schritt: „Wir wollen nichts mit Moskau zu tun haben. Dort ist alles falsch, selbst der archaische Kalender.“ In diesem Jahr blieb noch alles beim Alten – aus Rücksicht auf die Flüchtlinge, die seit dem russischen Überfall nach Berlin kamen und noch an den herkömmlichen Weihnachtstermin gewohnt sind. „Es sollten keine Kollisionen passieren“, sagt Sergiy Dankiv, „wir nutzen die beiden Sonntage vor dem 7. Januar zur Vorbereitung auf Weihnachten.“ Es ist der Versuch, einen harten Bruch abzumildern. Doch das Ziel ist klar: Ablösung vom Alten, weg von Russland.

Die christliche Botschaft

Etwa ein Drittel bis die Hälfte der zum Gottesdienst in Johannisthal Erschienenen sind Flüchtlinge, schätzt Dankiv, der selber schon seit einigen Jahren in Deutschland lebt. Gehüllt in ein langes, golden ornamentiertes Gewand hat er zwischen zwei Ikonentafeln gepredigt: Der Name Christi werde ignoriert in der heutigen Gesellschaft, der Christus der Bibel und dessen Darstellung in der heutigen Welt wichen stark voneinander ab, ja, seien wie zwei verschiedene Dinge. Auch das Weihnachtsfest habe sich verändert – hin zu einer bloßen Festlichkeit. Es gebe immer weniger christliche Momente in der Welt, hat er den Gottesdienstbesuchern zu bedenken gegeben. Eine christliche Botschaft in einem konservativen Sinne.

Es wird viel gesungen in einem solchen Gottesdienst nach byzantinischem Ritus. Die Menschen bekreuzigen sich immer wieder, knien zum Gebet nieder. Die sechs Männer und Frauen des Chores füllen mit wunderbaren Stimmen den Raum und die Seelen. Die Lieder klingen traurig, auch das Halleluja ertönt nicht wie Jubel. Ernst und innig beten die Menschen. Sie haben allen Grund, himmlischen Beistand zu erflehen.

Auch Sergiy Dankiv versucht, sie innerlich zu stärken. Er spricht in klaren Worten über den Krieg und das Leid: „Wir geben nicht auf. Es geht nicht einfach darum, zu gewinnen“, sagt er, „es geht um die Existenz.“ Putin zeige nun sein wahres Gesicht, gerade eben erst wieder, als er den 24. Dezember zu einem „Terror-Tag“ gemacht habe, und immer wieder, wenn er die ukrainischen Städte bombardieren ließe. Patriarch Kyrill von Moskau, Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, zählt zu den eifrigsten Unterstützern von Putins Krieg.

Die Loslösung eines Teils der östlichen Kirche und ihre Westwendung wird ein weiterer Effekt des von Moskau verursachten Bebens sein. „Wenn Bischof Bogdan Dzurack, unser Apostolischer Exarch für Deutschland und Skandinavien mit Sitz in München, alle Zustimmungen erteilt hat, werden wir im nächsten Jahr Weihnachten am 25. Dezember feiern“, hofft Sergiy Dankiv.

Kaum zu ermessen, was diese kulturelle Abwendung, die den vielen religiösen Ukrainern noch vor einem Jahr unvorstellbar erschien, bedeutet. Eine dieser Tage veröffentlichte Umfrage ergab zum ersten Mal eine Mehrheit für den früheren Termin (44 Prozent), nur noch 31 Prozent beharren auf dem 7. Januar als erstem Weihnachtsfeiertag. Im Jahr 2016 sah das noch ganz anders aus, da lehnten 69 Prozent einen solchen Traditionsbruch ab.