Noch am Donnerstag in dieser Woche bekommt Antje Blank ein ganzes Paket voller Queen-Figuren. Es sind diese kleinen Plastikfiguren, bei denen die linke Hand in die Höhe gereckt ist und winkt. Die 54-jährige Besitzerin des britischen Feinkostladens Broken English im Bergmannkiez stellt die Winke-Figuren ins Fenster. Als sie am Nachmittag dann die ersten Nachrichten hört, dass Ärzte um die Gesundheit von Elizabeth II. besorgt waren, stellt sie das Winken der Queen ein. „Ich habe es als unangemessen empfunden“, sagt die Besitzerin.
Queen Elizabeth II. war von 1952 bis gestern Nachmittag die Königin von Großbritannien und Nordirland sowie von 14 weiteren Commonwealth-Staaten, darunter Kanada, Australien, Neuseeland oder Jamaika. Der Tod der Monarchin des Vereinigten Königreichs ist ein großer Einschnitt in das Leben aller Briten, auch jener in Berlin. Antje Blank nutzt den Abend und denkt an ihre verstorbenen Eltern und Großeltern. Das habe den gestrigen Tag für viele so persönlich gemacht, sagt sie.

Währenddessen kommt am Freitag eine Kundin in das Spezialitäten-Geschäft und richtet mit bedrückter Stimme ihr Beileid aus. „Wie sagt man denn mein Beileid auf Englisch?“, fragt sie Antje Blank. „My sympathies“, antwortet die Laden-Besitzerin.
Derweil stöbert die Kundin im Laden herum und kauft sich eine der Queen-Figuren und eine Postkarte. Sie wolle eine Erinnerung an Queen Elizabeth II. haben, weshalb sie bei einer der letzten Figuren zugeschnappt hat.
Blank erwartet heute einen großen Andrang an Journalisten, Anwohnern und Briten in Berlin. „Besonders ältere Menschen und Befürworter der Monarchie werden in den nächsten Tagen herkommen, um einfach nur darüber zu reden, was im Land derzeit geschehe“, sagt sie, „da es im Rewe oder Aldi nicht die Möglichkeit gibt.“ Auch deshalb wird sie die Pforten des Broken English öffnen und für die Menschen da sein.
Kondolenz an der britischen Botschaft
Den größten Andrang gab es jedoch an der britischen Botschaft unweit des Brandenburger Tors. Es liegen bereits zahlreiche bunte Blumensträuße auf dem Boden. Der Union Jack weht auf halbmast. Etwas abseits steht eine Frau und wischt sich über die Augen. Tanita Blair lebt seit 15 Jahren in England und ist heute mit ihrem Mann hier, der für britische Armee diente, er sagt: „for Queen and Country“, für die Königin und das Land. „Mit 96 Jahren kann man zwar damit rechnen, aber im Prinzip …“, sie fängt an zu weinen, „ich habe größte Hochachtung vor der Frau, die zwei Tage vorher noch die neue Premierministerin beglückwünschte.“ Tanita Blair schluchzt.
Die 61-Jährige glaube nicht an die Politik ihres Landes, aber an die Monarchie. Die Queen hätte einen großen Teil dazu beigetragen, dass sie als Berlinerin England so sehr lieben gelernt hat. Der Thronfolger Prinz Charles ist hingegen bei vielen Briten unbeliebt. Tanita Blairs Wunschkandidat sei er zwar nicht, aber sie respektiere ihn: „Das sind die Regeln der Monarchie, die meisten hätten gerne William, wir eingeschlossen.“ Doch sie gebe ihm eine Chance. „Es liegt an ihm, was er jetzt draus macht, und ich wünsche ihm alles Gute und Liebe.“

In der Zwischenzeit bildet sich eine lange Schlange vor der Botschaft. Manche Menschen kommen in Trauerkleidung: Vom Schuh bis zum Hut sind sie in Schwarz gehüllt. Die beiden Engländer Eric und Sue sind gestern erst aus dem Flieger gestiegen, als sie vom Tod der Königin erfuhren. Das Ehepaar möchte sich ins Kondolenzbuch eintragen. Hinter ihnen in der Schlange steht Irene, die sich mit der Queen und Prinz Philip sogar unterhalten hat. „Ich war beeindruckt von ihrem Lächeln, von ihrer Ausstrahlung“, sagt sie, „Queen Elizabeth und Prinz Philip haben furchtbar gelacht, es war so lustig und so entspannt.“
Auch die gebürtige Britin Rachel Riesner-Marriott ist heute vor der Botschaft. In ihrer Hand: ein Strauß weißer Rosen. Bevor sie zu sprechen beginnt, schluchzt sie einige Male. Worte kann sie schließlich nur unter Tränen finden. Die Queen sei für sie „das Fundament unserer Nation und eine Konstante bei allen Änderungen“ gewesen. Die 34-Jährige ist sich sicher: „Ab jetzt wird alles anders sein, da Charles sie nicht ersetzen kann.“
Doch nicht nur als politische Figur, sondern auch als Mädchen war die Queen ein Rollenbild für viele gewesen. Riesner-Marriott erinnert sich an ihre Kindheitstage: „Wir hatten zu Hause Tassensammlungen von den verschiedenen Ereignissen, wie von den Hochzeiten“, sagt sie und ergänzt etwas, das schon die Antje Blank ganz ähnlich gesagt hatte: „Es ist, als ob die eigene Oma stirbt.“
„Die Monarchie ist ein Desaster“
Im Murphy’s Irish Pub an der Friedrichstraße steht Darragh Robinson hinter der Bar, er ist gebürtiger Ire. Zuletzt hat er in Kanada gelebt, von wo es ihn vor sechs Wochen nach Berlin verschlug. Er denkt nicht, dass irische Menschen eine besondere Beziehung zur Queen hatten. „Die Iren haben ihr Dinge wie den Blutsonntag nicht vergessen.“ Am 30. Januar 1972 wurden 13 unbewaffnete Demonstranten von britischen Spezialeinheiten erschossen. Das Ereignis im nordirischen Derry heizte den Nordirlandkonflikt weiter an. „Viele Nationalisten wollten nicht eingestehen, was passiert ist und die Queen war ein großer Teil davon“, sagt Robinson.
Der 30-Jährige glaubt dennoch, dass der Tod dieser Monarchin seine Nation nicht gänzlich kaltlassen wird: „Es wird mit der Familie Sympathien geben, aber keine Traurigkeit.“ Seiner Meinung nach gehöre die britische Monarchie abgeschafft. „Allein die Beerdigung wird Hunderte Millionen Euro kosten, es ist ein altertümlicher Weg, ein Land zu regieren.“

Ein paar Tramstationen Richtung Norden steht der englische Buchladen Saint George's English Bookshop. Dort herrscht weniger Traurigkeit als mehr Nüchternheit gegenüber der Queen. Dabei ist Paul Gurner, der 2002 den Laden in Prenzlauer Berg eröffnete, gebürtiger Engländer. „London war nichts für mich“, sagt er, „also bin ich mit meiner Freundin damals nach Berlin.“






