In der Schöneberger Straße, in der Kabir P.* wohnt, sind besonders viele Dönerläden. „Als ich in Berlin ankam, habe ich zehn Tage lang nur Kebap gegessen“, sagt er. Döner Kebab hat er in seiner Heimat nie gegessen, den gibt es in Indien einfach nicht. Obwohl er ihn gerne isst, kauft Kabir heute Döner nur noch selten. Das ist ein weiteres Beispiel für die Inflation: „Früher bekam man einen Döner für 3,50 Euro“, sagt er, „heute kostet er sechs oder sieben Euro.“
Kabir P. wohnt erst seit ein paar Monaten offiziell in Berlin, er hat die Stadt aber auch schon vorher besucht. Kommenden Monat beginnt er seinen Masterstudiengang Business Administration an der Freien Universität Berlin. Er ist erst 21, könnte aber als viel älter durchgehen. Das hört er oft. Er hat große Zukunftspläne in Berlin: Er will das Ledergeschäft seiner Familie eines Tages nach Deutschland holen. Seine Heimatstadt Kanpur ist die Lederhauptstadt der Welt. Derzeit exportiert sein Familienbetrieb nicht nach Deutschland, aber das will Kabir nach seinem Abschluss ändern. Später möchte er das Bindeglied zwischen Kanpur und Berlin für das Geschäft seiner Familie sein. Außerdem genießt er es, im Sommer bei 29 Grad zu leben, statt bei 45 Grad in Indien.
Kabir P. spricht bisher nur wenig Deutsch. Schon in Indien hat er angefangen, lernte die Sprache vor allem über Online-Seiten, jetzt macht er den B1-Kurs hier in Berlin. Ende August hat er seine Zertifizierungsprüfung und er ist nervös deswegen. „Ich hoffe wirklich, dass ich sie bestehe.“ Er dreht sich eine Zigarette, zündet sie an und beginnt, über Geld zu reden: Einnahmen und Ausgaben.
Damit Kabir P. überhaupt in Deutschland leben kann, braucht er ein spezielles Sperrkonto. Dorthin überweisen seine Eltern seine monatliche Unterstützung. Ausländische Studenten in Deutschland müssen so ein Konto nachweisen können, um hier studieren zu können. Auf das Konto müssen mindestens 10.332 Euro eingezahlt sein. Sobald er sein erstes Semester in Deutschland beginnt, kann er einen Betrag von 861 Euro pro Monat abheben. Da Kabir derzeit nicht arbeitet, ist das sein monatliches Einkommen.
Maximal 150 bleiben übrig
„Die Hälfte davon geht für die Miete drauf“, sagt er. „Ich hatte großes Glück, dass ich eine WG für 400 Euro im Monat gefunden habe.“ Es handelt sich allerdings um eine WG in einer Wohnung mit nur einem kleinen Zimmer. Er teilt es sich mit einem Freund, der ebenso viel bezahlt. Die Nebenkosten – Strom, Wasser und Internet – sind immer enthalten. „Ich hoffe, dass ich mir im Winter keine Sorgen um die Energiepreise machen muss.“ Einige seiner Freunde hier zahlten viel mehr für ihre Unterkunft in Berlin. Kabir P. hat sehr früh mit der Wohnungssuche begonnen, weil er wusste, wie verrückt der Berliner Wohnungsmarkt ist. Zum Leben bleiben ihm nach Abzug aller festen Kosten etwa 100 bis 150 Euro, sagt er.
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In seiner Heimatstadt sei er fast jeden Abend in Restaurants essen gegangen. „Das war einfach so viel billiger, sagt er, manchmal sogar billiger als zu Hause zu kochen.“ In Berlin sucht er auch oft nach indischen Restaurants, aber er kann es sich nicht leisten, dort zu essen. „Zehn bis 15 Euro für eine richtige Mahlzeit, das ist viel.“ In Indien musste er fast nie für sich selbst kochen, in Berlin lernte er es schnell. „Das erste Gericht, das ich gelernt habe, war ein Omelett, und so habe ich am Anfang eine Woche lang jeden Tag ein Omelett gegessen.“ Jetzt koche er auch oft Reis, zum Beispiel mit etwas Hühnchen und Linsen.
In einer Woche gibt er etwa 50 Euro für Lebensmittel aus. Das ist sein Budget, er versucht, es nicht zu überziehen. In der kleinen Ein-Zimmer-Wohnung gibt es einen Elektroherd, aber Kabir P. kocht auf einem tragbaren Gaskocher. Der ist eigentlich für das Camping gedacht, aber ihm schmeckt das Essen so einfach besser. Die ersten Gaskanister standen schon in der Wohnung, als er einzog. Vor ein paar Tagen gingen sie ihm aus und er musste neue kaufen. Ein Karton mit 28 Dosen kostete 35 Euro. Damit komme er etwa zwei Monate aus.
Was Kosmetika und Kleidung angehe, so kaufe er nur das Nötigste. Kabir P. erzählt, dass er bald, bevor das Semester offiziell beginnt, neue Kleidung kaufen will. „Ich werde wahrscheinlich zu Primark oder etwas Ähnlichem gehen, wo es billig ist.“
Er spricht seit 20 Minuten und dreht sich seine dritte Zigarette. „Früher habe ich die vorgedrehten Zigaretten gekauft, aber die waren viel teurer.“ Er muss das Drehen noch üben, es sei gar nicht so einfach. Wie das Kochen musste er auch den Umgang mit Tabak neu erlernen. Er ist vor ein paar Wochen umgestiegen. Eine 20er-Packung Zigaretten kostet acht Euro, ein Pack loser Tabak ebenfalls. „Aber davon kann ich viel mehr Zigaretten drehen“, begründet er. Er kauft zweimal pro Woche Tabak.
Eine normale Monatskarte ist für ihn zu teuer
Es ist sein einziges Laster, denn Kabir P. trinkt keinen Alkohol. Er habe einfach keine Lust dazu, sagt er. Er geht zwar manchmal mit Freunden in Bars, aber holt sich dann immer nur eine Brause oder ein Wasser. Seine Rechnungen sind deshalb meist günstiger: Er bleibe meist unter zehn Euro. Er trifft sich meist mit Expats, die zum Teil schon seit Jahren in Berlin leben. Seine Freunde reden viel davon, dass nicht nur die Milch und das Brot, sondern auch das Bier teurer geworden seien. Die Inflation, sie trifft alle, auch die Studenten.
Für viele Neuberliner ist das Beste an Berlin die Clubszene, nicht so für Kabir P. Er mag vor allem die öffentlichen Verkehrsmittel, sagt er. „Im Vergleich zu Indien funktionieren die Berliner U-Bahnen, S-Bahnen, Straßenbahnen und Busse wie ein Uhrwerk.“ Kabir hat weder ein Fahrrad noch ein Auto, deshalb ist das 9-Euro-Ticket für ihn ein großer Gewinn. „Ich habe gehört, dass die öffentlichen Verkehrsmittel sonst 70 bis 80 Euro im Monat kosten würden.“ Das würde ihm im Grunde sogar die 100 Euro wegnehmen, die er derzeit am Ende eines jeden Monats übrig hat. Ab September dürfte es so weit sein.
Im Moment reichen die 861 Euro im Monat für Kabir P. kaum aus, um seine Studienzeit in Berlin zu überleben. Deshalb plant er, sich für den Winter einen Teilzeitjob zu suchen. Im Winter sei es leichter, einen Job zu finden, als im Sommer. Er wolle jetzt den Sommer genießen, Berlin erkunden und sich auf das Deutschlernen konzentrieren. Am leichtesten wird es ihm wohl fallen, einen Job in der Gastronomie zu finden. Viele seiner Freunde arbeiten als Kellner. Eine Freundin ist zufrieden mit ihrem Job bei KFC, zwischen zehn und zwölf Euro in der Stunde, das würde ihm auch gefallen. Er ist ein großer Brathähnchen-Fan.
Auch das Studium ist nicht kostenlos für ihn. Aber die 500 Euro Semestergebühr sind nicht vergleichbar mit den Kosten eines Studiums an einer anderen Universität. „Am billigsten wäre es, wenn ich in Indien geblieben wäre, aber ich wollte schon immer im Ausland studieren.“ Kabir P. will mindestens drei oder vier Jahre in Berlin verbringen, um Erfahrungen zu sammeln. Er habe Freunde in London und Paris. „Im Vergleich dazu ist das Leben in Berlin immer noch echt günstig.“






