Kolumne

Ballerei in Friedrichshain

Eltern und Kinder schießen mit Lasergewehren herum. Es ist nur Gaudi, ein Spiel. Aber in Zeiten des Kriegs löst es Diskussionen aus.

Besonders bei Jungs sehr beliebt: Räuber und Gendarm spielen und Verfolgungsjagden mit Pistolen
Besonders bei Jungs sehr beliebt: Räuber und Gendarm spielen und Verfolgungsjagden mit Pistolen imago/Westend61

Berlin-Eine Schießerei in Friedrichshain, mitten im idyllischen Familienkiez. Und dann haben die Leute auch noch hörbar Spaß daran, in der Gegend rumzuballern.

Das war definitiv überraschend, denn in der Gegend wohnen eher Menschen, die im Bioladen einkaufen, die gern im Straßencafé sitzen und Zeitung lesen, die auch mal Lastenrad fahren. Auf den Straßen sind viele Eltern unterwegs. Eltern, die tendenziell lieber Holzspielzeug aus einer Manufaktur im Allgäu kaufen als Billig-Plastik-Zeug aus Fernost. Eltern, die mit ihren Kindern gern auf Spielplätze gehen.

Auch an diesem Nachmittag waren die Spielplätze voll. Und auf einem war die Schießerei. Es war richtig laut, aber der Lärm kam nicht vom Knallen der Schüsse, sondern vom Lachen und von den Jubelrufen. Es wurde nicht mit echten Waffen geschossen, sondern mit Plastikgewehren aus Fernost. Zwei Eltern und vier Kinder kämpften mit modernster Spielzeugwaffentechnik.

Der Vater sagte: „Das sind Laser-Tag-Gewehre.“ Wird dabei der Abzug gedrückt, senden die Gewehre ein Lasersignal aus. Damit versuchen die Schützen eine Zieleinrichtung auf der Brust der anderen zutreffen.

„In der Ukraine ist Krieg“

Ein wilde Schießerei wie in den 70er-Jahren, als die einen Räuber und Gendarm spielten, die anderen Indianer und Cowboy. Das war besonders bei Jungs beliebt. Auf dem Spielplatz nun waren auch zwei Mädchen dabei und eine Mutter. Sie schossen viel und lachten viel.

Ein Pärchen schaute zu. Der Mann lächelte und hätte es wohl gern ausprobiert. Die Frau sagte: „Das ist doch Mist. Gerade in diesen Zeiten. In der Ukraine ist Krieg.“ Ihr Mann sagte: „Das ist doch nur ein Spiel.“ Sie sagte: „Trotzdem.“

Ich stand daneben und erinnerte mich an unsere Schießereien als Kinder. Auch meine Eltern fanden sie suspekt, erklärten aber nie so richtig, warum. Und wir verstanden nicht, was daran verwerflich sein soll, wenn wir als naive Kinder im Spiel etwas nachahmen, was die ach so klugen Erwachsenen doch in der Realität seit Generationen machen. Mit einem entscheidenden Unterschied: Bei uns starb niemand wirklich.

Ich erinnere mich noch, an den schlauen Spruch eines Freundes: „Unsere Eltern wollen uns das Schießen doch nur verbieten, weil sie es den anderen Erwachsenen nicht verbieten können.“

Nun bin ich selbst erwachsen und kaufe meinem Kind keine Laserwaffen. Aber ich rufe in einer Laser-Tag-Halle an. Dort erzählt ein Mitarbeiter, dass nach Putins Angriff tatsächlich drei Tage lang kaum jemand zum Schieß-Spiel vorbeikam. „Doch dann war wieder alles wie immer“, sagte er. Es wird also wieder viel geballert in Berlin. Glücklicherweise meist nur im Spiel.