Berlin-Zufälle sind eine feine Sache, denn Zufälle sorgen für Überraschung, für Aufregung und für frische Luft im Gehirn. Das habe ich gerade in Potsdam erlebt. Wir waren unterwegs mit den Kindern, um in einem Kletterpark ein wenig Adrenalin auszuschütten. Die Kinder und zwei Eltern trauten sich in die luftigen Höhen zwischen den Bäumen. Ich traute mich nicht, auch eine befreundete Mutter nicht.
Also machten wir in den zwei Stunden, die wir nun rumzukriegen hatten, etwas ganz Langweiliges: Wir gingen spazieren. Und da erlebten wir zufällig etwas, das ganz schön aufregend war.
Erst liefen wir über den Telegrafenberg, vorbei an den ehrwürdigen alten Ziegelbauten, in denen heute das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung nach Wegen in die Zukunft sucht. Da dann immer noch viel Zeit übrig war, gingen wir auf den Friedhof gegenüber. Die Sonne schien, und Friedhöfe sind an solchen Tagen immer angenehm.
Plötzlich war da dieser Name
Weil wir in Potsdam waren, erzählte die Freundin eine Geschichte. Sie hatte neulich für eine Potsdamer Freundin ein Päckchen Ersatzkaffe aus Zichorien gekauft, weil die die blauen Blüten dieser Blumen so mag. Als sie das Päckchen der Potsdamerin brachte, sprach die sofort über die Zufälle des Lebens. Denn sie war gerade an einer Wiese mit ihren Lieblingsblüten vorbeigeradelt. Sie hatte davon ein Handyfoto gemacht und ihren Eltern geschickt. Nun hielt sie auch noch das Päckchen mit den blauen Blüten in der Hand. Was für ein Zufall.
Mir fiel ein, dass mir meine Mutter einst aus solchen blauen Blüten eine Salbe gemacht hat, die gut gegen pubertäre Stinkefüße half. Bei dem Namen Zichorie erinnerte ich mich daran, dass mein Vater mir erzählt hatte, dass es nach dem Krieg keinen Bohnenkaffee gab, sondern Kaffee aus Chicorée.
„Zichorie und Chicorée klingen ähnlich“, sagte ich. Das Internet auf dem Handy verriet uns: Zichorie ist eine blaue Blume, die auch Gemeine Wegwarte genannt wird, und ihre Kulturform ist der Chicorée.
Da sah ich ein Grab mit einem Namen, der mir bekannt vorkam. Ich stutzte. Das war doch der Name einer Frau, in deren Garten eine Wespe meinen Vater gestochen hatte. Er war damals fast an dem allergischen Schock gestorben. Aber der Garten ist 176 Autokilometer von diesem Grab entfernt.
Ganz aufgeregt rief ich meine Mutter an und fragte sie nach dem Namen der Frau mit dem Garten. Es stimmte. Meine Mutter sagte: „Die Frau ist tatsächlich in Potsdam begraben.“ Sie staunte: „Und du stehst jetzt vor dem Grab? Was für ein Zufall.“


