Gerichtsprozess

Berlin: Psychotischer Student schlitzt Mann die Kehle auf – Einweisung in Psychiatrie

Prozess am Landgericht: Eine Berliner Schwurgerichtskammer hält den Täter aufgrund einer psychischen Erkrankung für schuldunfähig, aber gleichwohl für gefährlich.

Moataz B. hat im Zustand der Schuldunfähigkeit versucht, einen Menschen zu töten. 
Moataz B. hat im Zustand der Schuldunfähigkeit versucht, einen Menschen zu töten. Pressefoto Wagner

Moataz B. lässt den Kopf tief hängen, als an diesem Donnerstagmittag das Urteil verkündet wird. Der 26-jährige Student sei der in der Anklage zur Last gelegten Tat überführt, für die er jedoch nichts könne, sagt Bernd Miczaijka, der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer. Moataz B. wird in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Damit folgt das Gericht den Forderungen von Staatsanwaltschaft sowie Verteidigung.

Es geht um einen „äußerst schwerwiegenden Vorfall“, der das Leben zweier junger Männer tiefgreifend verändert hat, so der Richter. Es geht um einen versuchten Mord, den Moataz B. nach Überzeugung des Gerichts aufgrund einer paranoiden Schizophrenie im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat.

In der Nacht zum 29. Juni des vorigen Jahres gegen 1.30 Uhr war der Beschuldigte in der Berliner Straße in Wilmersdorf von hinten an den auf einen Bus wartenden 27-jährigen Philipp F. herangetreten. Moataz B. habe beschlossen, den ihm fremden Mann durch einen Angriff gegen den Hals zu töten, so der Richter. Mit einem scharfen Küchenmesser habe er ihm kräftig die Kehle aufgeschnitten. Philipp F. sei zum Tatzeitpunkt völlig arg- und damit wehrlos gewesen.

Wie durch ein Wunder habe der Angegriffene den 14 Zentimeter langen und vier bis sechs Zentimeter tiefen Schnitt überlebt, sagt Miczaijka. Nur ganz knapp habe die Messerklinge in der klaffenden Wunde Halsschlagader und Halsvene verfehlt. Jedoch sei der Halsmuskel vollständig durchtrennt worden. „Sie gingen davon aus, ihn getötet zu haben“, richtet der Richter das Wort direkt an Moataz B.

Messer mit Blut im Rucksack gefunden

Doch Philipp F. habe sich umgedreht, den Angreifer kräftig weggestoßen, dann sei er davongelaufen. Vergeblich hatte der Verletzte versucht, Autos anzuhalten. Vergeblich hatte er an die Tür eines Fitnessstudios gehämmert. Erst ein Mann, der seinen Wagen geparkt hatte, kam ihm zu Hilfe, rief Polizei und Feuerwehr.

Moataz B. hingegen hatte sich schnell vom Tatort entfernt in dem Glauben, sein Opfer getötet zu haben. Er konnte jedoch wenig später aufgrund der Angaben des zu Hilfe geeilten Mannes festgenommen werden. In seinem Rucksack fanden die Beamten noch das Messer mit Anhaftungen von Blut des Opfers.

Miczaijka schildert in seiner Urteilsbegründung den Werdegang des Beschuldigten. Moataz B. kommt aus Ägypten, ist in einer bürgerlichen Familie aufgewachsen, hat dort studiert. Um im Leben weiterzukommen, beschloss der junge Mann, ein weiteres Studium in Deutschland zu absolvieren. Das Studium sei aufgrund der Pandemie nicht einfach gewesen, sagt Miczaijka.

Moataz B. lebte ruhig und zurückgezogen in einem Studentenwohnheim; seine Krankheit begann im Herbst 2021 mit Schlafstörungen, bildete sich bis zwei Wochen vor der Tat voll aus und führte zu psychotischen Zuständen, schildert der Richter. Der Beschuldigte entwickelte zunehmend Ängste, glaubte, dass ihm heimlich ein Gerät im Mund installiert worden sei, mit dem seine Gedanken gelesen werden konnten, dass ihm unbemerkt Medikamente ins Essen gemischt würden. „Seine Kritik- und Urteilsfähigkeit nahm zunehmend ab“, erklärt der Richter.

Ärzte konnten Moataz B. nicht helfen, er wandte sich sogar an die Polizei – ohne Erfolg. Dann fuhr der Beschuldigte nach Berlin, dort wollte er Ärzte und einen Rechtsanwalt aufsuchen und schließlich nach Hause fliegen. Deswegen kaufte er auch ein Ticket. Doch er konnte nicht reisen, weil er seinen Pass verloren hatte.

Moataz B. hatte laut Miczaijka keine mentalen Zugriffsmöglichkeiten mehr auf seine Kontrollmechanismen. Er irrte mit einem diffusen Bedrohungsgefühl ziellos durch Berlin, kaufte sich ein scharfes Küchenmesser. Zur Tatzeit sei seine Steuerungsfähigkeit völlig aufgehoben gewesen. Dann stieß er auf Philipp F.

Der junge Mann hatte seine Freundin zur U-Bahn gebracht, wollte mit dem Bus nach Hause fahren. Auch F. hatte studiert, arbeitete nun an einer Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter, hatte sich einen Namen als Hochleistungssportler gemacht.

Miczaijka spricht von unsagbaren Schmerzen, an denen Philipp F. noch Wochen nach der Tat gelitten hat. Doch selbst durch Physiotherapie werde er seine sportlichen Aktivitäten nicht mehr ausüben können. Sein Leben habe sich komplett verändert, sagt der Richter. Philipp F. ertrage es nicht mehr, jemanden hinter sich zu wissen. Vor Gericht hat er erzählt, er habe seine Doktorarbeit abgebrochen und werde demnächst aus Berlin wegziehen.

Und Moataz B.? Der Richter sagt, aufgrund seines Zustandes seien weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten zu erwarten. Er sei für die Allgemeinheit gefährlich. Mit einer dauerhaften Gesundung sei derzeit nicht zu rechnen.