Berlin

Anita Tillmann: „In den Görlitzer Park und die Hasenheide gehe ich nicht mehr“

Bekannte Berliner blicken auf die Stadt. Diesmal im Fragebogen Berlin: Modeunternehmerin Anita Tillmann über Kreuzberg und Neukölln, gutes Essen und ungepflegte Grünanlagen.

Lebt in Mitte, arbeitet in Kreuzberg: Anita Tillmann.
Lebt in Mitte, arbeitet in Kreuzberg: Anita Tillmann.Sara Herrlander

Berlin hat rund 3,7 Millionen Einwohner, und jede(r) hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern? In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie lieber meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

Diesmal hat Anita Tillmann unsere Fragen beantwortet. Die Chefin der Modemessen Premium und Seek ist in ihrer Branche schon lange als Macherin bekannt und gilt als eine der wichtigsten Protagonistinnen der hauptstädtischen Modeszene.

Als Gründerin und Managing-Partnerin der Premium Group hat sich die in Düsseldorf geborene Wahlberlinerin durch ihr Gespür für Fashion-, Lifestyle- und Zukunftstrends einen Namen gemacht. Sie gehörte zu den Initiatoren der ersten Fashion Week in Deutschland und feiert in diesem Jahr das 20-jährige Bestehen der Premium, die vom 17. bis 19. Januar auf dem Messegelände am Funkturm stattfindet. Anita Tillmann, die kroatische Wurzeln hat, lebt mit ihrem Mann Ole Tillmann und ihren beiden Töchtern in Berlin-Mitte.

1.             Frau Tillmann, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

1998 bin ich noch zwischen Hamburg und Berlin hin und her gereist, damals habe ich noch für Wolfgang Joop gearbeitet. 1999 bin ich dann ganz nach Berlin gezogen.

2.             Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

Berlin hat so viele schöne unterschiedliche Orte und Facetten. Ich habe lange in Kreuzberg gelebt und arbeite dort bis heute. Ich gehe gerne auf Wochenmärkte, zum Beispiel zum Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg und zum Winterfeldtmarkt in Schöneberg. Der Wannsee ist immer schön, vor allem im Sommer. Ich bin auch wahnsinnig gerne im Soho House. Ich habe aber einen neuen Lieblingsort und das ist die Georgia Bar von meinem Freund Frank Künster.

3.             Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

Mein Mann und ich sind gerne draußen im Grünen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Dabei benutzen wir die Komoot-App, die uns immer wieder auf neue Wege führt. Neulich waren wir im Tegeler Fließ, das kannten wir noch gar nicht.

4.             Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

Es gibt immer noch so viele unbeleuchtete Straßen und Wege in Berlin, die meide ich vor allem im Dunkeln. Früher war ich auch gerne in Neukölln, aber es gibt innerhalb Neuköllns Straßen und Gegenden, die keinen Spaß mehr machen. Zum Görlitzer Park oder zur Hasenheide gehe ich schon lange nicht mehr.

5.             Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

Nicht einfach, weil ich gutes Essen mag, mir aber die Atmosphäre auch sehr wichtig ist. Das beste Filet und den besten Vibe gibt’s definitiv im Grill Royal und im Crackers. Das Ernst ist teuer, aber ein Erlebnis. Wenn wir vegetarisch essen, gehen wir ins Cookies Cream und für Fisch empfehle ich das 893 Ryotei oder das Sticks’n’Sushi. Das Remi gefällt mir auch gut und neu ist das Root im Telegraphenamt. Dort feiern wir unser 20-jähriges Jubiläum im Januar.

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Lara Ohl
Zur Person
Anita Tillmann, geboren 1972 in Düsseldorf, hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Nach dem Diplom in Textil- und Bekleidungswirtschaft und einem Aufbaustudium in Marketing führte ihre Karriere sie vom Consulting für Modeunternehmen zu erfolgreichen Labels wie Joop und Kathleen Madden. Anfang der 2000er-Jahre wechselte sie zur Digitalagentur Pixelpark und beriet Kunden wie Adidas und Mexx.

Die Gründerin und Chefin der Premium Group veranstaltet seit 2003 Messen in Berlin. Was als kleines Underground-Event in einem Tunnel unterm Potsdamer Platz anfing, wurde mit den Jahren zu einem der größten Modemessen-Komplexe Europas: Neben der klassischer ausgerichteten Premium veranstaltet Tillmann die Community-orientierte Seek und den Conscious Club mit Fokus auf nachhaltige Marken.

6.             Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

Ich shoppe nun mal wahnsinnig gerne. Ich mag den VooStore, Andreas Murkudis, The Square Berlin und The Store, aber ich gehe auch richtig gerne ins KaDeWe und zwar in alle Etagen. Ich mag aber auch unseren Biometzger Gut Kerkow, die Bio Company und die Weinhandlung in der Ackerhalle. Markthalle Neun ist auch super. Mit den Kids laufe ich durch alle Vintage-Stores der Stadt. Das ist cool.

7.             Der beste Stadtteil Berlins ist …

Ich kann mir vorstellen, in vielen Stadtteilen und Kiezen zu wohnen. In meiner aktuellen Lebenssituation ist es aber Mitte. Hat sich so ergeben. Hier habe ich alles, was ich brauche und gut finde, zum Beispiel das Soho House, unseren Tennis-Club Tennisfreunde Berlin e.V., eine hohe Restaurantdichte, viele coole Bars, Stores, Bioläden und viele Freunde, die in der Nähe wohnen.

8.             Das nervt mich am meisten an der Stadt:

Mich nervt vor allem der Dreck in der Stadt. Wir sind die grünste Stadt in Europa, gemessen an den Grünflächen. Ich frage mich, warum so viele Grünflächen in Berlin ungepflegt, teilweise sogar verkommen sind. Das ist schade und mehr als optimierungswürdig, denn es ist wirklich schön hier. Wie schwer kann es sein, größere Mülltonnen oder öffentliche Toiletten aufzustellen? Das verstehe ich nicht. In Städten wie Stockholm funktioniert das wunderbar.

9.             Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

Ich fände es wichtig, dass es in Berlin keine rechtsfreien Räume mehr gibt. Die Kriminalität in der Stadt ist in den letzten 20 Jahren leider gestiegen. Berlin steht wie keine andere Stadt in Europa seit jeher für Toleranz und Freiheit. Hier sollte jedes Individuum das sein dürfen, was es will, lieben dürfen, wen es will, tragen dürfen, was es will, und glauben dürfen, woran es will. Allein oder in Gruppen. Sofern der Respekt und die Toleranz allen und allem anderen gegenüber gewährleistet bleiben, ist Berlin sehr lebenswert. Das zieht bis heute viele Menschen aus der ganzen Welt an. Diese Freiheit und das Recht müssen gepflegt und beschützt werden. Das ist so unglaublich wertvoll und ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen.

10.           Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

Spontan würde ich immer wieder „Ja“ sagen. Berlin ist aber eine richtige Großstadt und damit muss man umgehen können. Man findet hier ein großes Angebot und genießt viele Vorteile. Berlin ist teilweise aber auch tough und anonym und erfordert viel Eigeninitiative. Ich denke, man sollte sich vorher erkundigen, in welchem Stadtteil man gut aufgehoben ist, sonst kann es auch schiefgehen.

11.           Cooler als Berlin ist nur noch …

… hmm, da fällt mir so gar keine Alternative ein. Berlin ist mit seiner Kultur, dem Nachtleben und den vielen Freiräumen für alle möglichen Subkulturen einfach eine unglaublich kreative, freie und attraktive Stadt. Hier entstehen Trends und es gibt viel Raum für Neues. Das ist schwer zu toppen. Ich mag zwar London und New York, weil alles schneller geht, dennoch ist die Lebensqualität nicht vergleichbar. Man braucht halt viel Geld, um dort einen einigermaßen guten Lebensstandard zu haben. In Berlin geht es auch mit sehr viel weniger. Insofern ist Berlin für mich immer noch die richtige Wahl und ein cooles Zuhause.