Fragebogen Berlin

Lisa Maria Potthoff: „Der Alexanderplatz ist ein furchtbar hässlicher Ort“

Bekannte Berliner nehmen die Stadt ins Visier. Heute: die Schauspielerin Lisa Maria Potthoff über Mitte, Termine beim Amt und die verschlafene Digitalisierung.

Lebt am Stadtrand und isst gern vietnamesisch in Mitte: Lisa Maria Potthoff.
Lebt am Stadtrand und isst gern vietnamesisch in Mitte: Lisa Maria Potthoff.Nils Schwarz

Berlin hat rund 3,7 Millionen Einwohner, und jede(r) hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern? In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie lieber meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

Diesmal hat die Schauspielerin Lisa Maria Potthoff unsere Fragen beantwortet. Die 44-Jährige, die mit ihrem Mann und zwei Kindern am nördlichen Berliner Stadtrand lebt, spielte in zahlreichen Kinofilmen wie „Soloalbum“, „Männer wie wir“ oder „Die Bluthochzeit“ mit. Fernsehzuschauer kennen sie aus Krimiformaten wie der Franz-Eberhofer-Serie, als Hauptkommissarin Julia Thiel im „Usedom-Krimi“ (bis 2019) oder als Sarah Kohr in der gleichnamigen Filmreihe, in der sie seit 2014 die Kampfsportlerin unter den deutschen TV-Ermittlerinnen gibt. Die neue Folge „Irrlichter“ wird am 27. Dezember im ZDF ausgestrahlt.

1.           Frau Potthoff, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

Ich wurde in Berlin geboren und wohne seit 2001 wieder hier.

2.           Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

Mein Garten. Wir leben am Stadtrand, sind schnell überall. Und trotzdem habe ich in meinem Garten das Gefühl von Provinz, weil alles so grün und dicht bewachsen ist. Wir haben sechs Waschbären, eine Fuchsfamilie kommt regelmäßig vorbei und Spechte, Elstern und Eichelhäher leben in den riesigen, alten Bäumen. Für mich die ideale Idylle. Wenn es dann im Sommer noch nach dem heißen Brandenburger Sandboden riecht, perfekt.

3.           Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

Entspannung ist für mich Bewegung. Mein „happy place“, wie ich ihn nenne, ist das Chimosa in Mitte. Dort verbringe ich viel Zeit mit meinem Trainer und Freund Yichung Chen, der mich die Kampfkunst lehrt.

4.           Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

Den Alexanderplatz. Ein furchtbar hässlicher Ort. Wer zum Beispiel hat dem Alexa bitte die Baugenehmigung erteilt? Das nackte Grauen.

5.           Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

Ich liebe das PHO in Mitte. Ein vietnamesisches Streetfood-Restaurant, in dem ich oft und sehr gerne esse. Beste Küche und liebe Menschen wie zum Beispiel Son und Nikola, die immer freundlich eine super Atmosphäre schaffen.

Infobox image
Christine Schroeder/ZDF/dpa
Zur Person
Lisa Maria Potthoff wurde 1978 als Kind einer Ärztin und eines Psychologen in West-Berlin geboren. Als sie zwei Jahre alt war, zog die Familie in die Nähe von München, wo Potthoff aufwuchs und die bayerische Mundart lernte, was sie später für viele Rollen nutzen konnte.

Als Teenager nahm sie Tanzkurse und privaten Schauspielunterricht. Nach dem Abitur studierte sie am Schauspiel München, war aber schon seit ihrer frühen Jugend Komparsin bei „Derrick“ und übernahm erste kleine Nebenrollen in Fernsehserien. Größere Aufmerksamkeit und Lob erhielt sie erstmals 2001 für ihre Hauptrolle in Christine Hartmanns Fernsehkrimi „Die Tochter des Kommissars“. Für ihre Darstellung der Sarah Kohr (Foto, mit Herbert Knaup) erhielt sie 2019 und 2021 den Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen in der Kategorie Stunt.

6.           Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

Ich shoppe eigentlich nur manchmal in Städten, in denen ich aufgrund der Arbeit zu Gast bin. Ansonsten ist das nicht so meins.

7.           Der beste Stadtteil Berlins ist …

Das Besondere in Berlin ist das Spannungsfeld unterschiedlichster Stadtteile: vom gediegenen Zehlendorf oder Grunewald bis hin zum roughen Märkischen Viertel. Es gibt keinen „besten“ Stadtteil, nur den perfekt passenden Stadtteil zum jeweiligen Lebensgefühl oder Bedürfnis.

8.           Das nervt mich am meisten an der Stadt:

Ach, so vieles. Die nicht funktionierenden Behörden. Die Berliner Bildungspolitik.

9.           Und das wiederum liebe ich an der Stadt:

Ich bin beruflich viel in München und bin jedes Mal fassungslos, dass man am Dienstagabend um 22 Uhr ein massives Problem hat, eine Bar zu finden, in der man einen Absacker mit Kollegen trinken kann. Braucht man dort sonntags eine Milch, vergiss es. In Berlin hast du diese Probleme nicht. Beziehungsweise gibt es hier diese drückende, lähmende Sonntagsstille nicht, die ich als Kind in München auf dem Land so gehasst habe. In Berlin dreht sich die Welt permanent weiter. Das ist anstrengend, aber auch extrem belebend. Ich bin viel in Mitte und höre die vielen Sprachen, sehe Menschen aus den verschiedensten Kulturen und freue mich!

10.           Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

Ich habe Monate gewartet für einen Termin beim Amt, um den Kinderausweis meiner Tochter zu verlängern, und musste dafür dann in irgendein Bezirksamt am Ende der Stadt, weil es nur dort noch Termine gab. Die Bürokratie der Stadt ist eine Katastrophe. Digitalisierung – wurde verpasst und jetzt haben wir den Salat. Auch in den Schulen. Wir leben in Berlin, einer Millionenstadt, und haben trotzdem so langsames Internet, dass meiner 13-jährigen Tochter oft die Tränen der Empörung kommen.

11.         Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

Es gibt einen Spruch von Anneliese Bödecker, den ich sehr mag. Er hängt an der Flurwand im Haus meiner Eltern bei München: „Die Berliner sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch, Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau, Baustellen und verstopfte Straßen, wo man geht und steht – aber mir tun alle Menschen leid, die nicht hier leben können!“

12.         Cooler als Berlin ist nur noch …

So eine Stadt wie Berlin gibt es nicht noch einmal auf der Welt. Sie ist sicher nicht in jedem Vergleich die coolste. Aber diesen Vergleich hat Berlin auch nicht nötig.