Berlin - Noch ein bisschen Geduld bitte. Der geplante Nachtzug von Berlin nach Amsterdam und Brüssel lässt etwas länger als zuletzt angekündigt auf sich warten. Sollte die neue internationale Verbindung zunächst im April 2022 starten, sprechen die Betreiber jetzt von Sommer 2022. „Wir brauchen noch ein wenig Zeit, um unseren Fahrgästen ein sehr gutes Angebot machen zu können“, sagte Chris Engelsman vom niederländisch-belgischen Start-up-Unternehmen European Sleeper der Berliner Zeitung. Doch der Nachtzug, der zwischen Tschechien, Deutschland, den Niederlanden und Belgien eine klimafreundliche Alternative zum Flugzeug bieten soll, werde auf jeden Fall kommen. Ein wichtiges Element stehe inzwischen fest: der Fahrplan.
„Es war schrecklich“, sagt der Niederländer Engelsman. Er meint den schwierigen Prozess, bei den Bahnnetz-Verantwortlichen eine akzeptable Trasse für den eigenwirtschaftlich betriebenen, also nicht subventionierten Zug zu bekommen. Während Flugzeuge, Lastwagen und Busse in Europa unkompliziert von einem Land ins andere wechseln können, sind die Hürden im internationalen Bahnverkehr unverändert hoch.
Berlin spielt eine wichtige Rolle für den Erfolg des neuen Zuges
Die Kritik richte sich nicht gegen die Ansprechpartner, mit denen die Nachtzugbetreiber auf der Suche nach einem guten Slot zu tun hatten, betonte Chris Engelsman. „Sie waren gewillt, uns zu helfen.“ Doch die in den jeweiligen Ländern geltenden Regeln hätten das Unterfangen mühselig gemacht. Mal genießen Züge dieser Art eine hohe Priorität, dann wieder müssen sich die Betreiber im übertragenen Sinn ganz hinten anstellen. „Es gab viele Diskussionen“, hieß es bei European Sleeper. „Inzwischen haben wir alle Trassen“, sagte Ales Ondruj. Er ist Sprecher des tschechischen Bahnunternehmens Regiojet, das den Nachtzug zwischen Prag und Brüssel für European Sleeper betreiben wird.
Berlin als wichtiger Markt habe bei den Bemühungen, einen guten Fahrplan zu entwerfen, eine große Rolle gespielt, sagte Engelsman. Die Abfahrt sollte nicht zu spät in der Nacht stattfinden, die Ankunft nicht zu früh am Morgen. „Wir mussten die richtige Balance finden.“ Schließlich gehen die Planer davon aus, dass Berlin in erheblichem Maße zu dem erwarteten Fahrgastaufkommen beitragen wird.
Zunächst dreimal pro Woche, künftig täglich
Der nun abgestimmte Fahrplan sieht vor, dass die Fahrt montags, mittwochs und freitags um 19.22 Uhr im Bahnhof Bruxelles Midi/Brussel Zuid beginnt. Nach Stopps unter anderem in Antwerpen (20.01 Uhr), Rotterdam (21.22 Uhr) und Den Haag (21.42 Uhr) geht es weiter nach Amsterdam. Vom dortigen Hauptbahnhof soll der neue Nachtzug seine Reise um 22.34 Uhr fortsetzen. Der Berliner Hauptbahnhof wird laut Plan um 5.52 Uhr erreicht. Über Dresden Hauptbahnhof (7.49 Uhr), Bad Schandau, Decín und Ústí nad Labem geht es in die tschechische Hauptstadt. Die Station Praha Holesovice wird um 10.14 Uhr erreicht, der Hauptbahnhof Praha hlavní nádrazí um 10.24 Uhr.

Sonntags, dienstags und donnerstags soll es um 18.31 Uhr von Prag zurückgehen. Um 21.02 Uhr verlässt der Nachtzug den Dresdner Hauptbahnhof, die Abfahrt im Berliner Hauptbahnhof ist für 23.05 Uhr vorgesehen. Amsterdam soll um 6.26 Uhr erreicht werden, Rotterdam um 7.27 Uhr und Antwerpen um 8.47 Uhr. Die Ankunft in Brüssel wird für 9.54 Uhr erwartet.
„Der Fahrplan ist für Touristen, Städte- und Geschäftsreisende gleichermaßen attraktiv“, hieß es bei European Sleeper. Komfortstufen, Preise und das genaue Startdatum sollen Anfang 2022 bekannt gegeben werden. Es werde möglich sein, ganze Abteile zu mieten. Auch Fahrräder werden befördert. Bei drei Fahrten pro Woche soll es nicht bleiben: „Das Ziel ist, dass der Zug sobald wie möglich täglich fährt.“
Wagengruppe über Berlin nach Warschau geplant
Das tschechische Unternehmen Regiojet, mit dem European Sleeper zusammenarbeitet, möchte auf der neuen Verbindung Sitz-, Liege- und Schlafwagen einsetzen. „Die Fahrpreise sollen im Vergleich zu Bussen und Billigfliegern konkurrenzfähig sein“, sagte Sprecher Ales Ondruj. Dennoch soll an der Qualität nicht gespart werden: „Es gibt den vollen Regiojet-Bordservice – inclusive Frühstück, Wlan, Kaffee und andere Gratisangebote.“ Regiojet, dessen Mutterunternehmen Student Agency im Fernbusverkehr tätig ist, gilt als größter privater Betreiber von Reisezügen in Tschechien und anderen Teilen Mitteleuropas. Wie berichtet planen die Tschechen einen Nachtzug von Berlin nach Ljubljana und Zagreb, der im Dezember 2022 starten soll.
Warum nimmt der Nachtzug nach Amsterdam und Brüssel erst einige Monate später den Betrieb auf? Gute, bequeme Schlafwagen seien für den Erfolg entscheidend, hieß es. „European Sleeper arbeitet an der Verfügbarkeit von weiteren Wagen, mit denen wir ein attraktives und gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten können.“ Engelsman hofft, dass der Betrieb im Frühsommer beginnen kann.
Inzwischen arbeiten European Sleeper und Regiojet bereits an einer Erweiterung des Angebots. Ziel sei es, auch eine Nachtzugverbindung von und nach Warschau zu schaffen, so Engelsman. In einer ersten Stufe soll der Zug aus Brüssel und Amsterdam ab Dezember 2022 eine zusätzliche Wagengruppe bekommen, die in Berlin abgehängt und von dort aus in die polnische Hauptstadt weiterbefördert wird, sagte der Niederländer. Von dort aus rollen die Wagen am Abend wieder in Richtung Westen zurück. „Vielleicht wird es später einen separaten Nachtzug von und nach Warschau geben“, hieß es.
Die Bahn muss im internationalen Verkehr mit Nachteilen kämpfen
Zwar kann man bereits ohne Umsteigen von Berlin nach Amsterdam reisen – seit sieben Jahren allerdings ausschließlich tagsüber mit dem Intercity. Im Dezember 2014 stellte die Deutsche Bahn (DB) die Nachtzugverbindungen von Berlin nach Paris, Kopenhagen und Amsterdam ein. Die Aufwendungen lägen deutlich über den Einnahmen, so die Begründung. Hohe Kosten für die Nutzung von Schienentrassen und Bahnhöfen, für Loks sowie fürs Rangieren trugen zu der Negativbilanz bei.
Nicht nur in dieser Hinsicht ist der Schienenverkehr im internationalen Verkehr Bussen und Flugzeugen unterlegen, es gibt auch andere strukturelle Benachteiligungen der Bahn. So fallen anders als im Luftverkehr Energiesteuern an, und in Deutschland werden Fernzugtickets mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt, während internationale Flugtickets davon befreit sind.




