Mobilität

Gegen den Trend: Warum Berlin bald eine Nachtzugverbindung verliert

Noch kann man nachts ohne Umsteigen über Krakau nach Przemyśl kurz vor der Grenze zur Ukraine reisen. Doch nicht mehr lange. Der Betreiber erklärt, warum.

Ein Fahrgast vor einem Zug nach Polen im Berliner Hauptbahnhof. Auch künftig kann man fünfmal täglich von Berlin nach Warschau sowie einmal täglich über Danzig nach Gdynia reisen. Doch nach Südostpolen gibt es künftig nur noch eine Direktverbindung täglich – tagsüber.
Ein Fahrgast vor einem Zug nach Polen im Berliner Hauptbahnhof. Auch künftig kann man fünfmal täglich von Berlin nach Warschau sowie einmal täglich über Danzig nach Gdynia reisen. Doch nach Südostpolen gibt es künftig nur noch eine Direktverbindung täglich – tagsüber.Volkmar Otto

Berlin - Mehr Nachtzüge für Europa: Das ist eine Forderung, die immer lauter wird. Angesichts der Erderhitzung gelten Langstreckenverbindungen auf der Schiene als klimafreundliche Alternative zum Flugzeug, die unbedingt ausgebaut werden sollte. Doch in Berlin geht die Entwicklung nun in eine andere Richtung. Eine Nachtzugroute, die vor drei Jahren eingerichtet worden ist, wird zum Fahrplanwechsel am Wochenende eingestellt. Vom kommenden Sonntag an wird man nicht mehr über Nacht von Berlin über Krakau direkt ins südostpolnische Przemyśl fahren können.

Noch gehen sie täglich auf die Reise: Zwei Sitzwagen und ein Schlafwagen des polnischen Betreibers PKP Intercity gehören zu dem Nachtzug nach Wien, der laut Fahrplan um 18.22 Uhr vom Bahnhof Charlottenburg abfährt. In Polen werden sie von einer anderen Lok übernommen. Als Eurocity 60457 sollen sie den Endbahnhof Przemyśl kurz vor der Grenze zur Ukraine um 8.18 Uhr erreichen. Vorgesehen ist, dass die Rückfahrt nach Berlin um 20.14 Uhr beginnt.

„Die frühe Ankunft um 4.08 Uhr ist extrem unattraktiv“

Doch nicht mehr lange, dann ist Schluss. Anna Zakrzewska, Sprecherin von PKP Intercity, verwies auf Gleisbauarbeiten in der Region Krakau. Zum anderen gehe die Reisezeit zwischen Breslau und Krakau weiter zurück. Dass die Züge diesen Abschnitt immer schneller bewältigen, wirke sich auf die Nachtverbindung aus. „Fahrgäste im Schlafwagen erwarten, dass sie die ganze Nacht im Zug verbringen können. Sie finden es unattraktiv, wenn sie ihr Ziel zu früh erreichen“, so die Sprecherin.

Prächtiger Endpunkt der Reise: Die Halle des Bahnhofs Przemyśl. Hier kann man nach Lemberg (Lviv) umsteigen. Allerdings müssen Nutzer des neuen Tageszugs vor der Weiterreise übernachten, bevor es weitergeht.
Prächtiger Endpunkt der Reise: Die Halle des Bahnhofs Przemyśl. Hier kann man nach Lemberg (Lviv) umsteigen. Allerdings müssen Nutzer des neuen Tageszugs vor der Weiterreise übernachten, bevor es weitergeht.Peter Neumann

Die meisten Fahrgäste wollen nach Krakau, sagte Jürgen Murach, der bei der Berliner SPD die Arbeitsgemeinschaft Polen leitet. „Doch für sie ist die frühe Ankunft um 4.08 Uhr extrem unattraktiv.“ Mit dem Ausbau der Strecke Opole–Krakau auf 160 Kilometer pro Stunde werde sich die Fahrzeit Berlin–Krakau weiter verkürzen, von heute sieben auf unter sechs Stunden.

Weitere Direktverbindungen entfallen

„Wie ich gehört habe, könnte die Nachtverbindung wieder eine Chance haben, wenn der Zug über Przemyśl in die Ukraine verlängert wird“, so Murach. „Dies wird derzeit angedacht wegen der vielen ukrainischen Beschäftigen in Westpolen.“ Voraussetzung sind aber moderne Schlafwagen, die sowohl auf der ukrainischen als auch auf der polnischen Spurweite eingesetzt werden können. Davon gebe es nur wenige.

Immerhin: Auch im neuen Fahrplan wird es eine Direktverbindung von Berlin bis kurz vor die Grenze zur Ukraine geben – tagsüber. Der Laufweg des bestehenden Eurocitys nach Krakau wird verlängert. Ab Sonntag startet er 10.39 Uhr am Berliner Hauptbahnhof. Um 17.52 Uhr soll er Krakau, um 20.52 Uhr Przemyśl erreichen. Von dort geht es um 7.05 Uhr nach Berlin zurück. Einen Anschluss am selben Tag nach Lemberg (Lviv) gibt es nicht täglich, und er erreicht die westukrainische Stadt erst gegen 1.30 Uhr. Wer nach Lemberg will, wird die neue Umsteigeverbindung über Nacht via Rzepin und Przemyśl möglicherweise angenehmer finden. Ein Pluspunkt für den Tageszug könnte sein, dass er ein Bordrestaurant hat. Die polnische Zuggastronomie genießt einen guten Ruf.

Zum Fahrplanwechsel verliert Berlin weitere Direktverbindungen. So kann man vom 12. Dezember an nicht mehr tagsüber ohne Umsteigen von der deutschen in die ungarische Hauptstadt Budapest reisen. Wie berichtet, fällt auch der direkte Intercity von Berlin nach Westerland (Sylt) in der bisherigen Form weg. Weil auf dem Teilstück bis Hamburg mögliche Trassen bereits von einem ICE und einem Flixtrain belegt sind, muss die Zuggarnitur eine Stunde in Hamburg-Altona pausieren. In der Gegenrichtung wird es auch künftig eine umsteigefreie Zugverbindung geben.