Fußball

Nach Tod des 15-jährigen Berliners: „Es gibt zu viel Gewalt im Fußball“

Ein junger Berliner Fußballer wurde in Frankfurt geschlagen. Jetzt ist er tot. Nun steigen die Sorgen von Gewaltereignissen im Fußball. Was machen die Verbände?

Der Vorfall ereignete sich auf dem Spielfeld des SV Viktoria Preußen e.V. im Frankfurter Stadtteil Eckenheim.
Der Vorfall ereignete sich auf dem Spielfeld des SV Viktoria Preußen e.V. im Frankfurter Stadtteil Eckenheim.Boris Roessler/dpa

Was sich am Pfingstsonntag in Frankfurt am Main während eines Fußballjugendturniers abspielte, entsetzte nicht nur Sportliebhaber. Am 28. Mai traf der Jugendfußball (JFC) Berlin auf die Jugendmannschaft des französischen Zweitligisten FC Metz im Rahmen des Germany-Cup 2023 in Frankfurt-Eckenheim. Nach Abpfiff das Chaos: Eine Massenschlägerei begann, und ein 15-jähriger Spieler des JFC Berlin wurde von einem Gegner lebensbedrohlich verletzt. Die Rettungshilfen brachten das Opfer ins Krankenhaus, wo heute schließlich der Tod des jungen Spielers festgestellt wurde.

Der mutmaßliche Täter befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. „Der Haftbefehl geht bislang von gefährlicher und schwerer Körperverletzung aus“, sagte die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft Nadja Niesen. Das Opfer wurde noch mit Maschinen am Leben erhalten, zur Vorbereitung der Entnahme von Spenderorganen. Am Mittwoch sind diese Maschinen abgestellt worden. 

Der Berliner Fußball-Verband (BFV)  veröffentlichte eine Mitteilung in Gedenken an den Jugendspieler. Aus Respekt gegenüber der Familie des Betroffenen habe man entschieden, sich nicht weiter öffentlich über die Vorkommnisse zu äußern. Dasselbe gelte auch für den Verein des Opfers, der das ursprünglich geplante Spiel am Mittwochabend der B-Jugend gegen Hertha 03 II abgesetzt hat.

„Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten in diesen schwierigen Stunden allen Angehörigen und den Teammitgliedern des betroffenen Spielers“, sagt der Präsident des BFV Bernd Schultz. Er befinde sich im engen Austausch mit dem JFC Berlin. „Fassungslos mussten wir von dem Gewaltvorfall am Wochenende erfahren“, sagte der Schatzmeister des Hessischen Fußball-Verband e.V. Jörn Metzler. Er verurteile jegliche Form von Gewalt und arbeite mit Fairplay Hessen daran, Gewaltvorfälle im Rahmen des Fußballs „so weit wie möglich einzudämmen“.

Was geschah in Frankfurt

Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Frankfurt und des Polizeipräsidiums kam es etwa um 16.10 Uhr zu einem Spielertumult, der in einer Schlägerei zwischen den Spielern eskalierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Schiedsrichter das Spiel abgepfiffen, die Berliner lagen 1:0 in Führung. Dann kam es zu dem Schlag; der 16-jährige Spieler der französischen Mannschaft traf den Jungen auf dem Kopf oder am Hals.

Daraufhin sackte der Getroffene zu Boden und wurde anschließend reanimiert. Erst im Krankenhaus wurde klar, dass sich der Junge von dem Schlag nicht wieder erholen wird. Der 16-jährige Täter wurde festgenommen und am Folgetag einem Haftrichter vorgeführt. Dieser erließ einen Untersuchungshaftbefehl.

Am 30. Mai gab auch der FC Metz eine Stellungnahme auf der offiziellen Website des Vereins ab. Der französische Klub sagte, „zutiefst schockiert“ von dieser Tragödie zu sein. Der Verein fügte hinzu, dass der junge französische Spieler bestreite, das Opfer mit Absicht verletzt zu haben. „Derzeit führt die zuständige deutsche Justiz Ermittlungen, um Licht in diesen tragischen Sachverhalt zu bringen“, steht in der Pressemitteilung.

Zu viele Gewaltvorfälle auf Fußballplätzen

„Es kommt leider immer noch zu häufig zu Gewaltvorfällen auf den Fußballplätzen“, sagte der Pressesprecher des BFV Janosch Franke. Deswegen hat der Deutsche Fußball-Bund in den letzten Jahren in seinen Landesverbänden spezifische, hauptamtliche Stellen geschaffen, um das Thema Gewaltprävention auch auf wissenschaftlicher Basis voranzutreiben. Im April veröffentlichte der BFV den ersten Gewaltreport überhaupt, der sich mit allen Berliner Vorfällen befasst, die in der Saison 2021/22 erfolgten.

Insgesamt wurden 1936 Gewaltvorfälle analysiert, die sportgerichtlich oder von den Staffelleitungen in Berlin bearbeitet wurden. Rund die Hälfte dieser Fälle enthielt physische oder psychische Gewalthandlungen. Von den insgesamt 30.479 erfassten Spielen in der Saison 2021/22 kam es in weniger als 2,8 Prozent zu mindestens einem sportgerichtlich bearbeiteten Gewaltvorfall. Verbale Gewaltvorfälle machen den größten Anteil (25,41 Prozent) aller bearbeiteten Fälle aus, gefolgt von Tätlichkeiten (25,31 Prozent) und Unsportlichkeiten (20,71 Prozent). Dem Bericht zufolge war etwa die Hälfte der bearbeiteten Gewaltvorfälle physischer Natur, während die andere Hälfte verbal erfolgte.

Welche Maßnahmen, um Gewaltvorfälle einzudämmen?

Physische Gewalt trete hauptsächlich zwischen Spielern auf, während Schiedsrichter häufiger verbaler Gewalt ausgesetzt seien. Gerade in Frankfurt ereignete sich Mitte Mai ein anderer unangenehmer Vorfall. Ein Vater ist bei einem C-Jugendspiel ausgerastet und drohte einem minderjährigen Unparteiischen, dass er ihn köpfen würde. „Wenn nichts passiert, ist Streik eine Option“, sagte der stellvertretende Frankfurter Schiedsrichterboss Siar Djamsched. „Es kann nicht sein, dass Schiedsrichter schon Angst haben müssen, auf den Sportplatz zu gehen.“

Um Gewaltvorfälle einzudämmen, ergreift der BFV Maßnahmen, die sich in zwei große Bereiche teilen, erklärt Franke. Prävention und Nachsorge sind wichtige Teile der Trainer- und Schiedsrichterausbildung. Wenn es trotzdem zu einem Vorfall kommt, besteht das Angebot einer psychologischen Beratung oder eventuell einer speziellen Sanktionierung im Falle eines Urteils des Sportgerichts. „Das gegenseitige Verständnis und der Respekt füreinander sind elementar im Sport“, sagte Franke.