Die Politik hat gelernt. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie und durch eine Corona-Lage, die sich bis heute ständig ändert. Mit immer neuen Varianten des Virus, die zwar ansteckender werden, aber in den meisten Fällen auch weniger krank machen. Mit einer stetig angewachsenen Immunität der Bevölkerung, die laut einer Studie mehr als 95 Prozent betragen dürfte.
Die Politik hat gelernt, dass sie flexibel reagieren muss, um Menschen effektiv zu schützen. Sie hat erkannt, dass manche Maßnahme mehr Schaden anrichtet als nutzt. So, wie es aussieht, hat sie aus Fehlern gelernt. Aber wirklich aus allen?
Die Politik in Berlin wird voraussichtlich in der kommenden Woche verschärfte Regeln im Kampf gegen Sars-CoV-2 beschließen. Sie wird die Maskenpflicht ausweiten, auf den Einzelhandel zum Beispiel oder den Museumsbesuch, auf Bibliotheken und Universitäten. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) reagiert damit auf die sprunghaft steigende Zahl an Infektionen, auf eine beginnende Herbstwelle. Kaum hat sie öffentlich darüber geredet, beginnt auch schon eine erregte Debatte.
So spricht Sebastian Czaja von einer „Überreaktion“ der Senatorin; der Fraktionsvorsitzende der Berliner FDP sieht dadurch „das Vertrauen in das Staatswesen“ gefährdet und setzt sich damit selbst dem Verdacht aus, überzureagieren. Mehr noch aber legt Czaja – vermutlich unbeabsichtigt – einen Fehler offen, aus dem die Politik nicht genug gelernt hat: Fehler in der Kommunikation.
Warum funktioniert an einem Ort Infektionsschutz anders als an anderen?
Eine Maßnahme schlüssig zu erläutern, ist genauso wichtig wie die Maßnahme selbst. Ohne Weiteres mag sich nachvollziehen lassen, dass Masken die Gefahr verringern, sich im Gedränge eines Supermarkts mit Corona anzustecken. Schwieriger wird es schon zu vermitteln, was ein Museum von einer vollbesetzten Arena wie jener am Ostbahnhof unterscheidet, warum am einen Ort Infektionsschutz anders funktionieren soll als am anderen.
In Museum soll künftig Maske getragen werden, bei Großevents nicht? Offenbar überwiegt im Museum der Nutzen einer Maske einen möglichen Schaden, und offensichtlich verhält es sich in einer Halle mit einigen Tausend Menschen umgekehrt. Interessant wäre zu erfahren, warum.
Wenn eine Maßnahme nicht nachvollziehbar ist, wird sie nicht ernst genommen. Wo ließe sich das besser beobachten als in Berlin, der Hauptstadt der Vorschriften, deren Einhaltung kaum jemand kontrolliert. Der Stadt, der nicht einmal flächendeckend zu vermitteln ist, dass sich Unfälle vermeiden lassen, wenn Fußgänger (Gehweg) von Radfahrern (Straße) getrennt unterwegs sind.
Oder eben das Beispiel Maskenpflicht: Sie gilt hierzulande in Bus und Bahn, in Berlin aber scheint daraus eine freiwillige Selbstverpflichtung geworden zu sein, auf eine hiesige Art besonderer Basisdemokratie. Die Kundschaft stimmt tagtäglich darüber ab, indem sie die Maske vorschriftsmäßig, sonst wo oder gar nicht trägt. Warum auch sollte im Personennahverkehr verboten sein, was in einer gut besuchten Shoppingmall erlaubt ist?



