Berlin beschließt am Dienstag den neuen Corona-Fahrplan für den Winter. Der Berliner Zeitung liegt eine Beschlussvorlage vor. Zusammengesetzte Parameter wie das Infektionsgeschehen oder die Belastung des Gesundheitswesens sollen künftig ausschlaggebend für Corona-Entscheidungen des Senats sein. „Für das Land Berlin wird auf Basis des Infektionsschutzgesetzes ein Stufenmodell beschlossen, das die Maßnahmen vor einer Feststellung einer epidemischen Lage auf Landesebene (Hotspot) definiert und per Verordnung regelt“, heißt es darin.
Demnach wird die Corona-Ampel nicht mehr als Orientierung für mögliche Verschärfungen genommen. Sie habe sich als „zu rigide“ erwiesen „und sich als Grundlage für zu treffende Maßnahmen nicht bewährt“, heißt es in der Vorlage. Die Senatsverwaltung für Gesundheit wird zusammen mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) jede Woche über die aktuelle Corona-Lage informieren – und nicht wie bisher 14-tägig.
Neue bundesweite Corona-Regeln gelten seit 1. Oktober
Als Parameter für das Infektionsgeschehen dienen die Sieben-Tage-Inzidenz, ein Abwasser-Monitoring und Labordaten. Die Belastung des Gesundheitswesens bemisst sich unter anderem an der Hospitalisierungsrate, den Kapazitäten der Intensivstationen, Personalausfällen beim Pflegepersonal und der Ärzteschaft sowie an einer nach Alter gestaffelten Impfquote.
Die Beschlussvorlage hebt „gute Kommunikation“ als ein weiteres zentrales Element im Kampf gegen Corona hervor. „Eine große Herausforderung wird v.a. darin liegen, die weiterhin ungewisse Infektionslage transparent zu kommunizieren“, heißt es in dem Papier. In vergangenen Infektionswellen war die Senatsverwaltung wiederholt für ihre mangelhafte Kommunikation kritisiert worden.
Insgesamt appelliert Berlins Landesregierung „grundsätzlich an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger“ in Bezug auf den Selbst- und Fremdschutz vor einer Infektion und deren Folgen, die gegebenenfalls durch weiterführende verpflichtende Maßnahmen flankiert wird. Dazu zählt eine Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen.
1. Stufe: Beibehalten des Status quo, also der Basisschutzmaßnahmen (ab dem
1.10.2022 in Kraft)
2. Stufe: Einführen einer Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen in
bestimmten Bereichen/Ressorts
3. Stufe: Erweiterung der Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen auf
zusätzliche Bereiche/Ressorts
Nach dem neuen Infektionsschutzgesetz, das von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde und das seit dem 1. Oktober gilt, kann Berlin weitere Verschärfungen erlassen. Aber nur, wenn sich auch die Lage verschärft. Demnach ist demnächst eine Maskenpflicht für Kitas, Schulen und Museen denkbar. Auch eine Testpflicht für Clubs und Restaurants ist im Gespräch.
Derzeit nimmt in Berlin die Zahl der Infektionen wieder zu. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) lag die Sieben-Tage-Inzidenz hier zuletzt bei 456. Zum Vergleich betrug die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner deutschlandweit 787,5. Berlin verzeichnete innerhalb eines Tages 3893 neue Infektionen. Wie hoch die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle ist, lässt sich schwer abschätzen. Vier Todesfälle kamen binnen eines Tages hinzu.
Hier ist kein Platz für Schadenfreude. Aber das Oktoberfest erinnert uns: schreien und rufen im Innenraum maximiert Aerosolübertragung von Corona. Im Winter wird das ein großes Problem werden. Ich rechne fest damit, dass wir an der Maskenpflicht im Innenraum nicht vorbei kommen https://t.co/KhcwI0ywP5
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) October 11, 2022
Doch mit der steigenden Zahl der Infektionen müssen auch wieder mehr Menschen intensivmedizinisch betreut werden. 66 Covid-Patienten befanden sich an diesem Dienstag in Berlin auf einer Intensivstation. Davon wurden 27 invasiv beatmet, ihre Versorgung nahm damit rund 41 Prozent der verfügbaren Kapazitäten in Anspruch. Insgesamt sind 23 Intensivbetten für Covid-Patienten noch frei, binnen einer Woche kann die Kapazität auf 292 erhöht werden.
Die Kurve steigt auch hier. Am Montag wurden noch 63 Berliner Intensivbetten von Covid-Patienten belegt. An den Höhepunkt der Sommerwelle reicht das Infektionsgeschehen jedoch noch nicht heran. Am 28. Juli befanden sich 87 Menschen in intensivmedizinischer Behandlung. Den bisher höchsten Stand erreichte die Hauptstadt am 7. Januar 2021 mit 451 Patienten auf ITS.
Damals befand sich die Impfkampagne in einem frühen Stadium, inzwischen sehen Experten die Bevölkerung durch Impfung und Infektionen stärker immunisiert. Sie gehen daher von einem relativ guten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen aus. Zudem sehen die Wissenschaftler derzeit keine Virusmutation, die ähnlich gefährlich ist wie die Delta-Variante.
Stattdessen treten immer wieder neue Subtypen von Omikron auf, die zwar Antikörpern besser ausweichen und deshalb trotz Immunisierung zu einer Infektion führen können. Doch sie lösen zumeist leichte bis mittelschwere Erkrankungen aus. Im Moment dominiert in Deutschland der Subtyp BA.5. Doch da sie die Körperabwehr austricksen können, haben die Varianten BA.2.75.2, B.J1 oder B.Q.1 gute Chancen, sich auszubreiten.
Neben der sich aktuell rasch aufbauenden BA.5-Herbstwelle, werden wir es wohl recht sicher bald mit einer stark immunevasiven Variante (BA.2.75.* BQ.1.* & Co) zu tun bekommen.
— Leif Erik Sander (@Sander_Lab) October 5, 2022
Der Winter kommt & er wird anscheinend echt anstrengend.
Für das Gesundheitswesen kommt eine Entwarnung zu früh. Denn selbst wenn schwere Krankheitsverläufe relativ selten vorkommen sollten, können dennoch Teile der Belegschaft von Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern durch Covid-19 ausfallen. Bei einer Personaldecke, die schon zu normalen Zeiten dünn ist, würde das zu Versorgungsengpässen führen.




