Hilfe für Flüchtlinge in Berlin

„Man muss den Menschen nur in die Augen schauen und sieht, was sie durchmachen“

Nach wie vor kommen täglich Tausende Flüchtlinge am Hauptbahnhof an. Die Hilfe für sie – auch von Prominenten – geht trotz Erschöpfung unermüdlich weiter.

Der Schauspieler Philippe Brenninkmeyer (l.) verteilt am Mittwoch im Berliner Hauptbahnhof Essen.
Der Schauspieler Philippe Brenninkmeyer (l.) verteilt am Mittwoch im Berliner Hauptbahnhof Essen.Benjamin Pritzkuleit

Im Untergeschoss des Berliner Hauptbahnhofs ist es am Mittwoch kalt, es zieht, während draußen die Sonne scheint. Angekommene ukrainische Flüchtlinge sitzen auf Kisten und wärmen sich mit Decken. Es gibt Erbsensuppe, Brote und Baby-Brei, alles gespendet von Privathaushalten, neben Kleidung und Kinderspielzeug. Jüngst brachte eine Berlinerin 300 gekochte Eier vorbei, ein Restaurant liefert täglich zahlreiche Portionen Gulaschsuppe. Bei einer Fast-Food-Kette können Helfer heißes Wasser holen.

Die unermüdliche Hilfe am Berliner Hauptbahnhof geht weiter trotz der Erschöpfung vieler Helferinnen und Helfer und dem Warten auf den Senat, die Ehrenamtlichen zu entlasten. Seit Tagen gibt es Kritik an der Berliner Politik, dass doch auch von deren Seite eingegriffen werden müsste, um den Menschen vor Ort zu helfen. Geschehen ist noch nichts. Inzwischen ist allerdings vor dem Hauptbahnhof ein 20 Meter langes Zelt aufgebaut worden, die Bahnhofsmission ist damit betraut, am Mittwoch um 17 Uhr sollte es öffnen. Dort sollen ankommende Flüchtlinge, von 1000 war zeitweise die Rede, erstversorgt werden. In dem Zelt gibt es auch  Toiletten und medizinische Hilfe. Am Mittwoch wurde allerdings bekannt, dass das Zelt doch nicht ganz so viele Menschen fassen kann.

Einer der Ehrenamtlichen ist der Schauspieler Philippe Brenninkmeyer. Er und seine Frau, ebenfalls Schauspielerin und Drehbuchautorin, beschlossen vergangene Woche spontan, die Menschen zu unterstützen. Manchmal stehen sie bis zu 10 Stunden am Hauptbahnhof. „Man traut sich manchmal gar nicht zu gehen, weil ständig etwas anliegt“, sagt er. Als wir reden, weint ein ukrainisches Kind, es ist erschöpft, seine Eltern ebenso, sie starren geschafft ins Leere. Eine junge Frau läuft orientierungslos mit ihrem Spitz im Arm an uns vorbei, eine Helferin spricht sie an. Die Ukrainerin fragt nach Wasser für ihren Hund. „Man muss den Menschen nur in die Augen schauen und sieht, was sie gerade durchmachen“, sagt der Schauspieler. Das Trauma werde morgen nicht vorbei sein.

Täglich kommen mehr als 13.000 Flüchtlinge – Tendenz steigend

Die Helfer agieren am Limit, jeder, der sich engagieren will, ist willkommen. Der Student Paul ist selbst vor ein paar Tagen aus der Ukraine geflüchtet. Nun steht er täglich am Hauptbahnhof und hilft seinen Landsleuten. Manchmal bis zu 14 Stunden am Tag. Eine Berliner Studentin aus London engagiert sich ebenso: „Ich komme jeden Tag hierhin und greife den Flüchtlingen unter die Arme. Sie sind dankbar über jede Zuwendung“, sagt sie. Die Hilfe ist international, viele kommen aus Bulgarien, England, Belgien, Neuseeland und Australien, aber alle leben in Berlin. Brenninkmeyer sagt: „Es ist wunderbar, was für eine Menschlichkeit hier herrscht.“

Es ist gerade wieder ein Zug aus Polen angekommen. Viele Passagiere sind seit fünf bis zehn Tagen unterwegs gewesen, sie sind müde. Manche tragen gar nichts bei sich, keine Koffer, nicht einmal Tüten. Der Schauspieler: „Am Anfang haben wir Tüten organisiert, damit sie wenigstens etwas einpacken können.“ Ein junges Pärchen will wissen, ob es noch gespendete Sim-Karten für ihre Handys gibt. Sie sind alle, werden sie vertröstet. Die Ukraine gehört nicht zur EU, daher funktionieren die Karten in Deutschland nicht.

Flüchtlingsfrage: Senat trifft sich zu einer Sondersitzung

Brenninkmeyer und die anderen Helfer rechnen mit weiteren Flüchtlingsströmen. „Es werden noch viele kommen“, sagt er. Weil die meisten Ukraine-Flüchtlinge Berlin ansteuern, forderte bereits Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) Hilfe vom Bund, insbesondere vom Bundesverkehrsminister. Auch sie rechnet mit steigenden Zahlen von Ukrainern, die nach Berlin kommen.

Am Montag kamen, wie bereits am Sonntag, mehr als 13.000 Kriegsflüchtlinge nach Berlin. Dass Dringlichkeit besteht, ist allen klar. Der Berliner Senat berief für Mittwochabend eine Sondersitzung über die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine ein. Zentrales Thema soll dabei sein, wie die Stadt die Ankunft Tausender Kriegsflüchtlinge bewältigen kann.