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„Dein ist mein ganzes Herz“ – wie der Wurm in mein Ohr schlüpfte

Ein Liebeslied nistet im Kopf unserer Autorin. Es stammt aus der Neuköllner Oper, wo eine Berliner Variante vom „Land des Lächelns“ läuft. Dating-Apps inklusive.

Geküsst und nicht nur gesungen wird in der Neuköllner Oper bei „Lisas Land des Lächelns“: „Dein ist mein ganzes Herz ...“
Geküsst und nicht nur gesungen wird in der Neuköllner Oper bei „Lisas Land des Lächelns“: „Dein ist mein ganzes Herz ...“Philipp Plum

„Dein ist mein ganzes Herz“ – vor fast 100 Jahren schrieb der Komponist Franz Lehár das Lied für seine Operette „Land des Lächelns“. Unter dem neuen Titel „Lisas Land des Lächelns“ steht das Stück gerade und noch bis 2. März in der Neuköllner Oper auf dem Programm. Seit ich dort war, läuft das Lied in Dauerschleife in meinem Kopf. „Wo du nicht bist, kann ich nicht sein.“ Ein Ohrwurm mit viel Ausdauer.

Elisabeth Pape hat das Stück über die Liebe zwischen der Wienerin Lisa und dem chinesischen Prinzen Sou Chong aus dem Jahr 1912 in die Gegenwart geholt. „Geht gar nicht“, sagt Elisabeth Pape über Lisas Schwärmen für Exotisches. Lisa – und damit das originale Stück – sei voller Vorurteile und Klischees über Asien. Die hat Elisabeth Pape dem Text gründlich ausgetrieben. Es sei herausfordernd gewesen, „die Operette zu überschreiben“, berichtet die Autorin.

Ihre Lisa ist Berlinerin und sucht im Jahr 2024 die Liebe fürs Leben per Dating-Apps. Das gegenseitige Entdecken und Kennenlernen findet im Chat statt. „Wie unromantisch“, sage ich zu Elisabeth Pape, als sie mich in der Redaktion auf einen Kaffee besucht und mit mir über das Stück spricht.

Aber diese Dating-Welt sei zeitgemäß, erwidert die Autorin. In ihrer Generation sei das heutzutage so, viele aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis um die 30 seien auf der Suche nach der Liebe online unterwegs. „Da swipt man so dahin.“ In einer Scheinwelt. Denn die Selbstdarstellung in den Apps, das gibt Pape zu, „ist doch sehr kuratiert, weil man nur eine bestimmte Version von sich online preisgibt. Die beste Version natürlich, in der Hoffnung, eine Person kennenzulernen, die den Vorstellungen und Erwartungen entspricht. Stichwort Kommerzialisierung der Liebe.“

Wie auf der Bühne in der Neuköllner Oper. Prinz Sou Chong ist heute ein BWL-Student, Lisa wohnt in einer WG. Zwei junge Menschen in der Großstadt, die Tattoos lieben. Sie singen weiterhin das alte, ewige Lied von der Liebe: „Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb, oh, sag noch einmal mir: Ich hab dich lieb!“ Schließlich ist Liebe zeitlos. Elisabeth Pape erklärt das Wesen des Gefühls: „Wir wollen anerkannt werden, jeder sucht eine Person, bei man sich aufgehoben fühlt.“ Und sei es nur durch die gute Stimmung nach einem Like auf dem Internet-Profil. „Ein kleines High, das leicht zu bekommen ist.“

Dass Paare sich in der Realität auch heute durchaus ungeplant begegnen können, beweist das zweite Paar in „Lisas Land des Lächelns“. Mi und Gustl treffen sich zufällig, zwanglos entwickelt sich ihre Bindung, entschlossen wächst sie. Ist das perfekt? Wer weiß das schon. Ich summe weiter. „Dein ist mein schönstes Lied, weil es allein aus der Liebe erblüht.“

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