Der Countdown läuft: Am 19. August ist der letzte Sommerferientag in Berlin, und das bedeutet, es bleiben den zu Hause urlaubenden Berlinern noch ein paar der schönsten Tage des Jahres. Denn in den großen Ferien ist die Stadt so leer wie selten. Man muss schon bis Weihnachten warten, bis wieder so viele Leute dem Großstadttrubel entfliehen.
Daher gilt es jetzt noch Pläne zu machen, wohin man in den kommenden Tagen gehen und was man unternehmen kann. Wir haben ein paar Tipps, wo man die Berliner Leere gerade besonders schön ausnutzen kann.
Szene-Eisdiele ohne Schlange
Den Eisladen Hokey Pokey in der Stargarder Straße in Prenzlauer Berg kennt eigentlich jeder. Auch wer noch nicht selbst vor Ort war, hat von den Schlangen gehört, die sich regelmäßig vor dem Laden bilden. 2013 berichtete der Spiegel unter dem Titel „Eisschlacht am Prenzlauer Berg“ vom Ansturm auf die Patisserie, die Spitzengastronom Niko Robert zwei Jahre zuvor eröffnet hatte.

Zwischenzeitlich musste die kleine Diele in der Stargarder wegen zu vieler Gäste sogar mal für einige Tage schließen. Mittlerweile hat man expandiert und die Besucherströme verteilen sich auf mehrere Läden. Doch immer noch steht man sich in Prenzlauer Berg für eine Kugel Französische Schokolade, Sizilianische Pistazie oder Passionsfrucht gern mal die Beine in den Bauch. Es sei denn, wir haben August. Frisch getestet: Am Montagmittag zur besten Eisessenszeit war vor dem Laden in der Stargarder keine Schlange zu sehen. Geöffnet ist übrigens täglich ab 12.00 Uhr.
Freie Platzwahl beim Lieblingskoreaner
Man kennt das ja: Spontan kommt die Lust auf ein Essen mit guten Freundinnen und Freunden auf, am besten im gemeinsamen Lieblingsrestaurant. Man schreibt sich, man trifft sich – und ein Stündchen später steht das gut gelaunte Grüppchen vor dem restlos überfüllten Koreaner in Kreuzberg. Das war wohl nix, auch in den Restaurants rechts und links daneben ist kein Vierertisch in Sicht. Bleibt eine Pizza beim Geht-so-Italiener oder ein Döner auf die Hand. Nicht so in der herrlichen Urlaubszeit: Gerade die Geheimtipp-Gastronomien, die bei Einheimischen besonders beliebt sind, haben nun auch spontan ein Plätzchen frei.

Gerade die vergangenen Tage noch bei Ergün’s Fischbude erlebt, dem wunderbar verschrobenen Restaurant unter den S-Bahn-Schienen unweit vom Schloss Bellevue. Wo bei gutem Wetter allenfalls noch drinnen ein Tisch frei ist, ganz hinten in der Ecke, herrscht nun auch draußen beinahe freie Platzwahl. Ein paar versprengte Pärchen und kleine Freundesgruppen sitzen vor Ergün’s Fischbude herum – gleich sechs freie Tische unterschiedlicher Größe warten indes noch auf ihre hungrigen Gäste. Und: Dorade, Makrele und Calamari kommen bei so wenig Andrang rekordverdächtig schnell an den Tisch.
Faule Tiere, wenig Menschen
Der Blick auf den Parkplatz ließ zunächst das Schlimmste befürchten. Zahlreiche Autos waren zu Wochenbeginn am Tierpark-Eingang Schloss abgestellt, doch der Eindruck täuschte. Am frühen Nachmittag kam man jedenfalls ohne Wartezeit direkt durch den Einlass, und auch im weitläufigen Tierpark selbst verliefen sich die Besucherströme schnell. Da war man aus Corona-Zeiten ganz anderes gewöhnt.
Man sollte derzeit an die Tiere allerdings nicht allzu große Anforderungen stellen, auch sie haben ihre Aktivitäten hitzebedingt heruntergefahren. Die Kängurus in der begehbaren Anlage liegen faul im Schatten herum und mümmeln maximal auf einem Salatblatt, auch von den sonst sehr kletterfreudigen Affen sollte man bei 30 Grad keine großen Sprünge erwarten. Aber gerade wer mit kleinen Kindern kommt, setzt eh andere Prioritäten. Da steuert man bei hochsommerlichen Temperaturen lieber den Wasserspielplatz an und lässt sich vom kühlen Nass aus den Wasserdüsen berieseln. Sogar Strandkörbe im Buddelkasten sind gelegentlich noch frei! Von dort aus kann man die spielenden Kleinen beobachten, die inmitten der Buddellandschaft matschen, pumpen und Deiche bauen. Hier fehlt lediglich ein Sonnensegel, sonst könnte man es ewig aushalten. Dann also doch wieder zurück auf die baumbestandenen Wege, ab in den Schatten. Wer sich treiben lässt auf der 160 Hektar großen Anlage, findet immer wieder Orte, an denen gar nichts los ist. Ein Traum von einem Park, und das mitten in der Großstadt.
Schwimmen ohne Müll und Massen
Das Strandbad Wannsee kann man im Hochsommer natürlich sowieso vergessen, genau wie Prinzen- oder Columbiabad. Lange Schlangen vor den Eingängen, lange Schlangen vor den Pommesbuden, kaum noch Platz auf der Wiese oder im Wasser. Und auch die abgelegeneren, geheimeren Berliner Badestellen wirken kaum noch abgelegen und geheim, sobald das Thermometer die 30-Grad-Marke knackt. Es sei denn, die heißen Temperaturen kommen erst in der Urlaubs- und vor allem Ferienzeit; dann, wenn sich Berlinerinnen und Berliner in südlicheren Gefilden oder an der Ostsee tummeln.

Plötzlich wirken Bammelecke, Falkensee oder Flughafensee, die bei Touristinnen und Touristen eben gänzlich unbekannt sind, beinahe komplett verwaist. Letzterer zum Beispiel, der Flughafensee in Tegel, lockte die vergangenen Wochenenden nur noch wenige Badegäste an – und das, obwohl die Stadt teilweise bei 35 Grad zu schwitzen hatte. Am Flughafensee herrscht trotzdem fast gähnende Leere; auf dem Sandstrand gibt’s reichlich Platz, im Wasser kann entspannt und einsam geplantscht und gebadet werden. Bester Nebeneffekt: Weniger Badegäste bedeuten auch weniger Müll, ausnahmsweise sind die bereitgestellten Eimer mal nicht von lauter Styropor-Essenspackungen und Sterni-Flaschen verstopft.
Radfahren ohne Gedränge
Wer sich sonst nicht traut, in der Stadt mit dem Fahrrad zu fahren, sollte jetzt in der Ferienzeit unbedingt mal den Versuch unternehmen, sich wieder aufs Zweirad zu schwingen. Nie sind die Radwege so leer wie im Juli und August. Okay, im Winter bei Schnee und Eis dann wieder, aber da fahren eh nur noch die Hartgesottenen. Jetzt jedoch bedeutet der Griff zum Rad nicht nur sommerlich-machbare Ertüchtigung, der allzeit wehende Fahrtwind verschafft zudem auch ein wenig Linderung für Hitzegeplagte.
Zwar sind in der Urlaubszeit gern mal Touristen auf E-Scootern unterwegs, dafür aber werden weniger Kinder im Lastenrad zu Kitas und Schulen befördert. Und auch die Zahl der Berufsradfahrer, die an einem vorbeidonnern, als müssten sie das Zeitfahren der Tour de France gewinnen, hat merklich abgenommen. Es ist nahezu paradiesisch – zumindest für Berliner Verhältnisse, wo man sich ja schon freuen darf, wenn man auf zehn Kilometern Strecke nur zweimal knapp an der Herzattacke vorbeischrammt. Wenn weniger Autos auch mal für leerere Straßen sorgen. Jetzt ist es möglich!
Fußpflege ohne Macken und Häme
Manchmal machen auch die Zehennägel, was sie wollen. Eigentlich hatte man bei der letzten Pediküre geflissentlich einen Termin für in sechs Wochen gemacht – und schon in Woche vier sind die Biester so weit gewachsen, dass nur noch die Hälfte des Nagels mit schönem Lack bedeckt ist. So kann man natürlich nicht vor die Tür gehen, gerade in der Sandalen-Saison nicht. Also angerufen im Stammstudio, wo einen die Frau am anderen Ende beinahe auslacht bei der Frage nach einem Spontan-Termin. Bleibt nur noch der Gang nach Canossa, beziehungsweise: der Gang in irgendeinen fremden Salon, der doch noch kurzfristig etwas frei hat. Warum, wird erst klar, wenn man dort gewesen ist: komisch gefeilte Formen, unsaubere Ränder, Ecken und Macken überall.

In Urlaubszeiten läuft’s meistens nicht so schlecht. Die Frau im Lieblingsnagelstudio schüttet am Telefon eben keine Häme über die anrufende Person in Not aus, im Gegenteil: Sie ist froh über jede und jeden, der in diesen Wochen überhaupt noch kommt. Bei Anails in der Großen Hamburger Straße zum Beispiel, einem Go-to-Salon für das Who’s who Berlins, kommt man derzeit auch mal ganz spontan zum Zuge. Und weil man sich über unsaubere Ränder und ärgerliche Macken hier so gar keine Sorgen machen muss, verlässt man den Salon mit bester Laune. Und mit schönen Zehennägeln.
Später losfahren und früher da sein
Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das letzte Mal um 7.30 morgens in der U8 eine ganze Vierer-Sitzgruppe für sich allein hatten? Oder einen nachbarlosen schönen Platz im Bus? Wahrscheinlich war auch da gerade Ferienzeit. Denn sobald die lieben Kleinen morgens nicht mehr gen Schule tapern müssen, sobald sie samt ihren Eltern in den Urlaub entschwunden sind, gehören die morgendlichen Busse und Bahnen der Stadt ganz den erwachsenen Fahrgästen. Keine Kita-Gruppen auf dem Weg in den Tierpark, keine halbstarken Jugendlichen, die auf den Ringbahn-Sitzen noch ein bisschen Schlaf nachholen, keine Schülerinnen und Schüler weit und breit – what a time to be alive!

Wer in den Ferienzeiten morgens mit den Öffis zur Arbeit fährt, erlebt beinahe so etwas wie einen echten Reisegenuss: Fast herrscht freie Platzwahl, beim Ausstieg muss sich niemand durch einen lärmenden Pulk aus Kindergartenkindern manövrieren. Und da auch die Straßen an sich weniger voll sind – schließlich wurden die schulpflichtigen Kinder von ihren werktätigen Eltern in den Urlaub begleitet –, fahren die Berliner Busse fast schon pünktlich und verlässlich. Teilweise verkürzt das den Arbeitsweg ungemein, weswegen die in der Stadt Zurückgebliebenen morgens eine Runde länger snoozen können. Hat fast etwas von Urlaub.











