Wegen Corona und des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine sind die Berliner Behörden bald nicht mehr arbeitsfähig. So lässt sich ein Brandbrief lesen, den Manuela Kamprath an diesem Montag den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses zustellen will und der der Berliner Zeitung vorliegt. Kamprath ist Bezirksgruppenvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und zuständig für das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), das Landesamt für Einwanderung (LEA) und die Bezirksämter.
Am Freitag hatte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) – begleitet von einer Presseschar – das LEA-Dienstgebäude am Friedrich-Krause-Ufer besucht, das bis vor einiger Zeit noch „Ausländerbehörde“ hieß.
Giffey zufolge wird mit bis zu 100.000 Menschen gerechnet, die in den kommenden Monaten betreut werden müssen. Seit einer Woche können im LEA ukrainische Geflüchtete, die in Berlin zunächst ohne Registrierung untergekommen sind und eine Unterkunft nachweisen können, einen Aufenthaltstitel beantragen, der ihnen ein zweijähriges Aufenthaltsrecht gewährt und die Aufnahme von Arbeit ermöglicht. Bisher gingen dort rund 11.000 Anträge ein, so Giffey, die sich bei ihrem Besuch optimistisch zeigte, dass sich Bilder wie in 2015 nicht wiederholen würden: „Wir haben die Chance, es besser zu machen, als es in der Vergangenheit gelaufen ist.“
Doch diesen Optimismus teilen im LEA mit seinen 624 Beschäftigten nicht alle. Seit Jahren wird das Amt immer wieder umstrukturiert. „Trotz aller widrigen Umstände stemmen die Kolleginnen und Kollegen ihre tägliche Arbeit nach wie vor; genauso wie in den übrigen Bereichen des öffentlichen Dienstes“, schreibt Manuela Kamprath. „Auch die Auswirkungen der damaligen Einsparmaßnahmen sind im gesamten öffentlichen Dienst immer noch zu spüren. Obwohl seit mehreren Jahren wieder ausgebildet wird und sogenannte Quereinsteiger eingestellt werden. Die entstandenen Lücken und damit verbundene Wissensverluste können vermutlich nie wieder aufgeholt werden, auf jeden Fall nicht in absehbarer Zeit.“
GdP: „Es wird noch mehr auf alle Verwaltungsbereiche zukommen.“
Kamprath glaubt auch, dass ein großer Teil der ukrainischen Geflüchteten nicht in die Heimat zurückkehren wird, wie schon in der Jugoslawien-Krise. Die meisten, und das könne man niemandem verdenken, würden sich hier etwas Neues aufbauen. Umso wichtiger sei es, dass alle, die kommen, auch dementsprechend registriert werden. „Wir wollen allen helfen, aber eben auch in Sicherheit leben und wissen, wer zu uns ins Land kommt und hier bleibt. Wir wollen keine Sexualstraf- oder Gewalttäter und auch keine Extremisten, die sich zwischen die vielen Menschen in Not mischen und unsere Berliner Fahrlässigkeit ausnutzen“, schreibt sie in ihrem Brief. „Einen ukrainischen Pass zu fälschen, ist durchaus möglich, und wir sollten auch nicht vergessen, dass ja selbst aus unseren desaströs gesicherten Dienststellen schon mal das eine oder andere Dokument entwendet wurde.“
Die Bezirksgruppenvorsitzende geht davon aus, dass deshalb noch mehr auf alle Verwaltungsbereiche Berlins zukommen wird. „Denn es werden Wohnungen, Kita- und Schulplätze, Ausweise, Führerscheine, Fahrzeugzulassungen, Sozialhilfe und so weiter benötigt. Es wird dann logischerweise auch zu mehr Hochzeiten, Geburten und natürlich zu Beerdigungen kommen. Dann wären da auch noch die Einbürgerungen, die aus den Bezirken herausgelöst und zentral im Landesamt für Einwanderung bearbeitet werden sollen.“ Der neue Senat hat erklärt, die Zahlen der Einbürgerungen von 6000 auf 20.000 mehr als verdreifachen zu wollen. „Und das ohne mehr Personal?“, fragt Kamprath. „So kann die Zentralisierung sich nur zu einem Desaster entwickeln.“

