Verkehr

Kritik am Bahnstreik: „Viele Fahrgäste sind mit ihrer Geduld am Ende“

Fünf Tage lang legt die Lokführergewerkschaft GDL den Bahnverkehr größtenteils lahm. Berliner Fahrgastverband will Entschädigung für Pendler.

Mitglieder der GDL demonstrieren. Nun folgt der nächste Arbeitskampf.
Mitglieder der GDL demonstrieren. Nun folgt der nächste Arbeitskampf.dpa/Sven Hoppe

Berlin-Der dritte Streik im laufenden Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn (DB) wird mehr als fünf Tage dauern. Im Personenverkehr sollen von diesem Donnerstag, 2 Uhr, bis Dienstag kommender Woche, 2 Uhr, Züge stillstehen. Im Güterverkehr hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bereits für diesen Mittwoch um 17 Uhr zum Arbeitskampf aufgerufen. Hat GDL-Chef Claus Weselsky überzogen? Am Dienstag gab es kritische Reaktionen.

Der Tarifkonflikt zwischen DB und GDL ziehe sich in die Länge, vielen Fahrgästen reiße der Geduldsfaden, so der Fahrgastverband Pro Bahn in einer aktuellen Reaktion. Er forderte die Beteiligten des Tarifkonflikts auf,  an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Viele Fahrgäste sind mit ihrer Geduld am Ende“, sagte Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender. „Gerade jetzt, wo viele nach längerer pandemiebedingter Unterbrechung wieder zur Bahn zurückfinden wollen, erzeugt die Auseinandersetzung bei vielen nur noch Unverständnis“, bemängelte er.

Fahrgastverband fordert Streikfahrpläne

Durch die lange Streikdauer von fünf Tagen werde es für viele Fahrgäste nicht möglich sein, auf andere Reisetage auszuweichen. Immerhin: „Die GDL erfüllt damit zum zweiten Mal in Folge unsere Forderungen, Streiks mindestens 48 Stunden vorher anzukündigen“, sagte Iffländer. Der Pro-Bahn-Vize ergänzte: „Im 21. Jahrhundert sollte es jedoch möglich sein, Streikfahrpläne innerhalb weniger Minuten in die Systeme einzuspielen.“

Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB forderte die Verantwortlichen dazu auf, über eine Entschädigung für Stammfahrgäste nachzudenken. „Wenn der Streik immer  länger dauert, müsste man langsam über Entschädigungszahlungen für Fahrgäste mit Monatskarten nachdenken“, sagte er der Berliner Zeitung.

„Die angekündigte Dauer des Streiks empfinde ich als unverhältnismäßig“, sagte der Berliner SPD-Politiker Tino Schopf. „Das Angebot der Bahn und die Forderungen der GDL liegen aus meiner Sicht nicht so weit auseinander, als dass es für beide Seiten keine gesichtswahrende Lösung gäbe.“ In einer Zeit, in der der öffentliche Verkehr langsam durch Corona zerstörtes Vertrauen wiedergewinnt, sei der lange Streik fatal. „Denn was wird passieren? Die Menschen werden erneut auf ihr Auto zurückgreifen. Alles andere als begrüßenswert", so der Politiker zur Berliner Zeitung.

SPD: Streik ist für Berufstätige eine große Belastung

Tino Schopf sieht hier das Grundproblem, dass zwei Gewerkschaften um Macht und Einfluss buhlen: die sehr viel größere EVG und die deutlich kleinere GDL. „Ich bin mir nicht immer sicher, um was genau es der GDL geht“, so der SPD-Abgeordnete. „Diesen Streit können sie nur brechen, wenn sich beide Gewerkschaften vernünftig an einen Tisch setzen und ausloten, wie man das Beste für alle Beschäftigten herausholen kann.“

„Für die Pendler und Fahrgäste der Deutschen Bahn ist der fünftägige Streik eine große Belastung“, sagte Kristian Ronneburg, Verkehrspolitiker bei der Berliner Linken. „Jedoch ist es das Recht der GDL, in den Tarifauseinandersetzungen mit der Deutschen Bahn auch diesen Schritt zu gehen. Immerhin wurde der Streik, wie von Fahrgastverbänden gefordert, mindestens 48 Stunden zuvor angekündigt.“

Linken-Politiker: „Die Forderungen der GDL sind berechtigt“

Ronneburg forderte ich alle Beteiligten auf, mit konkreten Verhandlungsangeboten wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Hierfür ist auch die Deutsche Bahn und deren Eigentümerin, der Bund, am Zuge, Schritte auf die GDL zuzugehen“, so der Abgeordnete. Die Bundesregierung müsse  als Eigentümerin die Deutsche Bahn auffordern, der GDL ein ernsthaftes konkretes Angebot, über das verhandelt werden kann, vorzulegen. „Ein Angebot, das mit Reallohnverlusten einhergeht, wird von den Beschäftigten zu Recht abgelehnt. Die Forderungen der GDL sind berechtigt“, so Ronneburg.

„Wenn schon gestreikt werden muss, empfinde ich den neuerlichen Ausstand von fünf Tagen als zu lange“, sagte Oliver Friederici, verkehrspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, am Dienstag der Berliner Zeitung. „Denn es wird bedeuten, dass die Menschen, die auf den ÖPNV in Berlin und Brandenburg angewiesen sind, sich in vollere BVG-Fahrzeuge begeben müssen. Damit steigt für alle die Corona-Ansteckungsgefahr.“

CDU: Pendlern aus Brandenburg fehlen Alternativen

Vor allem für Pendler von und nach Brandenburg erwartet Friederici wieder besonders negative Auswirkungen. Für sie werde es „noch viel schlimmer“, so der Christdemokrat. „Sie werden auf das Auto ausweichen, andere Mobilitätsformen sind schwierig, da der Radverkehr keine Alternative aus Brandenburg in die Innenstadt darstellen wird.“

„Mit ihrer Brachialtaktik verursacht die GDL vorsätzlich schwere Schäden in der Wirtschaft“, sagte Alexander Schirp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). „Volle Züge bei steigenden Corona-Inzidenzen zu riskieren ist ebenso verantwortungslos, wie den Frachtverkehr bei ohnehin brüchigen Lieferketten erneut zu stören. Es wird immer deutlicher, dass es dieser Gewerkschaft nicht um die Anliegen ihrer Mitglieder geht. Einzig die Machtinteressen einer Organisation und ihres Führungspersonals stehen im Mittelpunkt.“

„Mit inhaltsleeren Scheinofferten und fadenscheinigen Desinformationskampagnen willfähriger Politiker wollen die Manager die GDL diskreditieren“, teilte der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky mit. „Doch das sind alles alte Hüte. Der wahre Verweigerer ist die DB, darüber können die Tricks aus der Mottenkiste der DB-PR-Maschinerie nicht hinwegtäuschen. Hätten die hochbezahlten Führungskräfte nicht so eine kurze Halbwertzeit im Konzern, wüssten sie, dass der GDL und ihren Mitgliedern damit nicht beizukommen ist.“

Private Zugbetreiber haben mit der GDL Tarifverträge abgeschlossen

Wettbewerbsunternehmen wie Transdev, Netinera und Go-Ahead hätten in jüngster Zeit Tarifverträge mit der GDL abgeschlossen. Obwohl ebenfalls von der Corona-Pandemie betroffen, waren für diese Eisenbahnverkehrsunternehmen 1,4 Prozent Entgelterhöhung 2021 und 600 Euro Corona-Prämie sowie 1,8 Prozent Entgelterhöhung 2022 bei einer Laufzeit von 28 Monaten für alle Berufe im Eisenbahnsystem kein Abschlusshindernis.

„Daran sollte sich die DB ein Beispiel nehmen. Es muss Schluss sein mit dem unseligen Feldzug gegen die eigenen Mitarbeiter und deren legitime Interessenvertretung, die GDL,“ so Weselsky.

Eine Mitverantwortung für die aktuell festgefahrene Situation sieht der Fahrgastverband Pro Bahn  auch im Tarifeinheitsgesetz. „Das Gesetz konnte die Erwartungen, die mit seiner Einführung verbunden wurden, nicht erfüllen“, sagte Peter Simon Bredemeier, Bundesschatzmeister des Verbands. „Jetzt gibt es die kuriose Situation, dass eine Gewerkschaft zwar nicht mehr in einem Betrieb verhandeln, aber trotzdem streiken darf. Das Gesetz schadet mehr, als es nützt, und gehört daher abgeschafft.“