Gesundheitspolitik

Krankenhäuser: 16 Wissenschaftler sollen die ganz große Reform hinlegen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt eine Kommission vor. Die hat viele Probleme zu lösen. Eines der größten ist der Mangel an Pflegekräften.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hört dem Berliner Professor Tom Bschor zu. Der koordiniert eine Kommission, die Vorschläge für eine Krankenhausreform erarbeitet.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hört dem Berliner Professor Tom Bschor zu. Der koordiniert eine Kommission, die Vorschläge für eine Krankenhausreform erarbeitet.dpa/Riedl

Das Ziel ist ambitioniert. „Eine Krankenhausreform aus einem Guss“, kündigt Karl Lauterbach (SPD) an. Der Bundesgesundheitsminister setzt dafür eine Regierungskommission ein. 16 Experten sind darin versammelt aus den Bereichen Medizin, Pflege, Ökonomie und Recht, Wissenschaftler allesamt, darunter 14 Professoren. Geleitet wird das Gremium von Tom Bschor, dem langjährigen Chefarzt für Psychiatrie an der Schlosspark-Klinik Berlin.

Reform der Krankenhäuser soll Situation in Notfallversorgung verbessern

Auch die Schwerpunkte hat Lauterbach formuliert: „Wir müssen die Notfallversorgung besser sicherstellen. Wir müssen den Pflegemangel beseitigen, der hat eher zu- als abgenommen. Wir müssen Qualitätsanreize setzen.“ Dafür sind in dem derzeitigen System Fallpauschalen vorgesehen, sogenannte DRGs. Eingeführt wurden sie vor knapp 20 Jahren. Damals zeichnete Lauterbachs Parteikollegin Ulla Schmidt als Ressortchefin für die bis dato letzte große Gesundheitsreform verantwortlich. Seitdem wurde kontinuierlich nachgebessert. 2015 etwa, ebenfalls mit dem Ziel, die Qualität der Versorgung zu steigern.

Rund 1300 DRGs gibt es derzeit. Immer wieder geraten die Abrechnungskriterien in die Kritik. Diese setzten Fehlanreize, heißt es zum Beispiel in der Geburtshilfe oder Kinder- und Jugendmedizin, wo Personal und Technik vorgehalten werden müssen, die Fallzahlen jedoch stark schwanken oder in bestimmten Regionen sehr gering sind. „Die Fallpauschalen sehen keine Versorgungsstufen vor“, sagt Lauterbach. Allerdings dürfte die Reform unter seiner Ägide nicht so umfassend geraten, dass die DRGs ganz wegfallen.

Ein weiteres finanzielles Problem wird die Experten beschäftigen: Zwischen 2010 und 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie, hat sich in Deutschlands Krankenhäusern ein Investitionsstau von insgesamt 30 Milliarden Euro gebildet; allein in Berlin fallen rund zwei Milliarden an. Während für die Behandlungskosten die Krankenkassen über die DRGs aufkommen, sollen die Bundesländer für die Investitionen geradestehen, was sie nur unzureichend tun. Beide, Kassen und Länder, sind nicht in der Expertenkommission vertreten, sollen aber angehört werden. Ebenso andere Interessengruppen wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft.

Karl Lauterbach beruft Pflegewissenschaftlerin

Für den Bereich Pflege berief Karl Lauterbach eine Fachfrau für die Versorgung vulnerabler Gruppen: Martina Hasseler, Pflegewissenschaftlerin an der Ostfalia-Hochschule. Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, wird seit Langem ein Instrument gefordert, das den Bedarf auf einzelnen Stationen zuverlässig erfasst. In der Psychiatrie gibt es seit mehr als 30 Jahren ein solches Instrument. Der Berliner Professor Bschor kann sich also zugutehalten, über einschlägige Erfahrung auf dem Gebiet zu verfügen. Eine zeitgemäße Überarbeitung der Personalverordnung von 1991 scheiterte jedoch kurz vor der Pandemie am Veto der Krankenkassen.

Bschor kennt die Tücken der Gremien. Er geht daher davon aus, dass er als Koordinator der Regierungskommission Konflikte moderieren muss. „Das wird sich aus den vielfältigen Interessen ergeben.“ Immerhin werde er nicht mit Interessen einflussreicher Lobbygruppen konfrontiert, da ist sich der Professor sicher. Wie kontrovers nun die Kommission die Strategie diskutieren wird, durch Schließung von Krankenhäusern die Qualität der Versorgung zu steigern, bleibt abzuwarten. Die Gesundheitsökonomen Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstitut und Reinhard Busse von der TU Berlin vertreten diesen Ansatz. Lauterbach unterschrieb im Frühjahr vorigen Jahres eine Petition gegen das Aus für Kliniken, damals noch als einfacher Abgeordneter.

Die Regierungskommission wird kein abschließendes Gutachten vorlegen, sondern schrittweise Empfehlungen für die Politik erarbeiten. Regelmäßige Treffen sollen dazu anberaumt werden. Einen festen Zeitrahmen gibt der Bundesgesundheitsminister nicht vor. Zeit war dennoch ein Thema bei der Präsentation der Experten, als Lauterbach von dem Versuch sprach, „eine ganz große Reform hinzubekommen“. Lauterbach sagte: „Sie wird ein ganz zentraler Bereich für die nächsten zwei Jahre sein.“