Kommentar

Krankenhausreform: Warum wird die Pflege schon wieder vernachlässigt?

Der Gesundheitsminister hat in Berlin eine neue Kommission vorgestellt, die eine Krankenhausreform vorantreiben soll. Leider alles Wissenschaftler.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat am Montag in Berlin eine neue Kommission vorgestellt, die Strukturreformen bei Veränderungsbedarf im Krankenhausbereich erarbeiten soll.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat am Montag in Berlin eine neue Kommission vorgestellt, die Strukturreformen bei Veränderungsbedarf im Krankenhausbereich erarbeiten soll.AFP/John MacDougall

Erst mal die gute Nachricht: Der Gesundheitsminister möchte eine Krankenhausreform vorantreiben. Wie bitter nötig das ist, hat unter anderem die Corona-Pandemie gezeigt. In den vergangenen zwei Jahren wurde vielen Deutschen doch recht deutlich vor Augen geführt, was Betroffene und Beschäftigte schon lange wussten: Das Krankenhaussystem ist ganz arg auf Kante genäht. Überall fehlt es an Personal und am meisten an Fachkräften, vor allem in der Pflege, aber zunehmend auch an Ärzten, die sich den ständig unterbesetzten Klinikalltag noch antun.

Pflegenotstand, ein Begriff?

In der Pandemie hat diese allgegenwärtige Personalknappheit dazu geführt, dass, um den Anforderungen überhaupt noch ansatzweise gerecht werden zu können, ganze Stationen und Versorgungsbereiche geschlossen wurden, um sich zumindest auf die Versorgung der dringendsten Akut-Patienten konzentrieren und sie bewältigen zu können. Die Krankenhäuser haben finanzielle Anreize dafür erhalten, Corona-Patienten bevorzugt zu behandeln und andere Stationen zu vernachlässigen, um irgendwie durch die Pandemie zu kommen.

Auch die Lockdowns und weitere Maßnahmen, unter denen große Teile der Bevölkerung zu leiden hatten, hatten vorrangig dieses Ziel: die Krankenhäuser nicht noch mehr zu überlasten als sie es ohnehin schon waren – vor der Pandemie. Es ist also grundsätzlich äußerst begrüßenswert, dass der Gesundheitsminister nun eine Krankenhausreform anstrebt.

Allein: Das Wie und das Wer wird noch schwer zu diskutieren sein. Am Montag hat Karl Lauterbach in Berlin dazu eine neue Expertenkommission vorgestellt, die allein aus Wissenschaftlern besteht. Dem Gesundheitsminister wurde schon bei Amtsantritt vorgeworfen, dass er sich zu sehr in der Welt der Wissenschaft verzettele und zu wenig Praxisbezug habe.

Pflege ist im Krankenhaus entscheidend – nicht ein kleiner Part von vielen

Schaut man sich die Zusammensetzung der neuen Kommission an, darf man sich aber vor allem über eines wundern: Von 16 Mitgliedern sind 14 Professoren, nur eine einzige Professorin stammt aus dem Bereich Pflege.

Wenn man nun weiß, dass der Bereich der Pflege gerade im Krankenhauswesen so entscheidend ist, dass davon nicht nur Erfolg und Misserfolg einer Behandlung, sondern auch die Aufrechterhaltung eines medizinischen Angebots im Krankenhaus inklusive Öffnung und Schließung von Stationen sowie die Versorgung oder Nichtversorgung von Patienten in einem Haus abhängen – wie kann dann ausgerechnet die Pflege so unterrepräsentiert sein?

Sieht fast so aus, als hätte Lauterbach trotz zwei Jahren Pandemie ganz grundsätzliche Probleme im Gesundheitssektor noch nicht so ganz durchschaut – oder als würde er sich lieber um andere Fragen kümmern. Eine Expertenkommission zur Krankenhausreform, in der die Pflege nur am Rande stattfindet, ist zum Scheitern verurteilt, noch bevor sie angefangen hat, zu arbeiten. Vielleicht mag Lauterbach da ja noch mal nachbessern, wie er es auch für die Expertenkommission zur Evaluierung der Corona-Maßnahmen jüngst angekündigt hat – in der am Ende die Mathematiker fehlten, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu berechnen.