Berlin - Auch die gesundheitspolitischen Sprecher gingen am Montag auf die Straße. Schließlich tagte gerade der Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses bei offenen Fenstern. Der Lärm war nicht zu überhören, den Beschäftigte der Berliner Kliniken veranstalteten. Die demonstrierten am Vormittag für mehr Investitionen des Landes in die 60 Häuser der Stadt, beklagten einen Sparhaushalt zu ihren Ungunsten. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG).
Kai Wegener kam also zu Besuch, der Fraktionsvorsitzende der CDU. „Es kann nicht sein, dass die freigemeinnützigen und privaten Krankenhäuser Berlins bei den Investitionen gegenüber den landeseigenen Kliniken hinten runterfallen“, sagte der Oppositionspolitiker. Rund 150 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt der Haushaltsentwurf für 2022 und 2023. Dagegen fordert die BKG auf Grundlage eigener Berechnungen 350 Millionen Euro jährlich. Florian Kluckert von der FDP rechnete vor: „Durch jahrelange Ignoranz und Untätigkeit der Berliner Regierungen wurde die Berliner Krankenhauslandschaft kaputtgespart, sodass nun ein enormer Investitionsstau von über 2,1 Milliarden Euro entstanden ist.“
Für verfrüht halten die Vertreter der Regierungskoalition die Kritik ihrer Oppositionskollegen. „Der Haushaltsentwurf ist ja noch nicht beschlossen, es wird ja noch darüber verhandelt“, sagte Bettina König von der SPD. Tobias Schulze von der Linken verwies darauf, dass die Investitionen bereits erhöht worden seien. „Wir werden auch weiter schrittweise die Ausgaben für die Krankenhäuser anheben.“ Und Catherina Pieroth widersprach dem Eindruck, die Kommunikation zwischen Politik und Kliniken sei gestört, da diese sich zu einer öffentlichkeitswirksamen Kundgebung veranlasst sahen. „Wir stehen in einem guten Austausch“, sagt die Grünen-Politikerin.
Das beurteilt Marc Schreiner ein bisschen anders, der BKG-Geschäftsführer sieht in der Kommunikation mit Gesundheitssenatorin Ulrike Gote und deren Staatssekretär Thomas Götz „noch Luft nach oben“. An diesem Montagvormittag steht Schreiner auf der Ladefläche eines Lkw, der zur Bühne umfunktioniert ist. „Klinikoffensive“, ruft Schreiner und reckt einen Arm auffordernd in Richtung Demonstranten. Die antworten: „Jetzt!“ So hatten sie es vorher abgesprochen: „Klinikoffensive jetzt!“ ist der Slogan, mit dem die Krankenhäuser gegen den Investitionsstau ankämpfen. Pflegekräfte und Ärzte gemeinsam, wie Peter Bobbert hervorhob. Der Vorstand vom Marburger Bund rief den Abgeordneten ins Gedächtnis, dass die ausbleibenden Investitionen am Ende zulasten der Beschäftigten gehen – und damit der Patienten.
Das Problem haben Berlins Krankenhäuser nicht exklusiv. Alle Bundesländer sind in der Vergangenheit ihrem gesetzlichen Auftrag zu Investitionen nur halbherzig nachgekommen, weshalb Kliniken Einnahmen, die sie für die Behandlung von Patienten erhalten haben, in dringend erforderliche Instandhaltung von Gebäuden und die Anschaffung von Technik steckten. Diese Einnahmen ergeben sich aus Fallpauschalen, sogenannten DRGs. Das Geld stammt aus Beiträgen der Versicherten, bereitgestellt von den Krankenkassen, die sich ebenfalls am Berliner Bündnis „Klinikoffensive jetzt!“ beteiligen.
Was das bedeutet, kann Andreas Mörsberger für die Johannesstift Diakonie in Berlin ziemlich genau beziffern. „Es geht um 30 Millionen Euro, die an Investitionen fehlen“, sagt der Vorstandssprecher des konfessionellen Gesundheits- und Sozialunternehmens. „Die müssen wir aktuell zur Hälfte aus Eigenmitteln finanzieren. Das ist im DRG-System eigentlich nicht vorgesehen.“ Den Betrieb hätten sie nur durch Rationalisierung aufrechterhalten. „Doch jetzt haben wir einen Grad der Unterfinanzierung erreicht, da ist das nicht mehr möglich.“
Krankenhäuser: Sparen, ohne dass der Patient etwas merkt
So geht es den meisten Häusern der Stadt, die Mangelverwaltung funktioniert überall ähnlich. „Man versucht, in patientenfernen Bereichen einzusparen, sodass der Patient nichts davon mitbekommt“, sagt Mörsberger. Doch mussten bei der Johannesstift Diakonie wichtige Investitionen aufgeschoben werden, in der Medizintechnik etwa. „Und übrigens auch im Ausbau unserer Intensivstationen.“


