Personalnot in der Pflege

Warum ein Berliner Krankenhaus jetzt eine Party für Bewerber gibt

In Krankenhäusern herrscht ein Mangel an Pflegekräften. Strategien dagegen gibt es viele. Das Klinikum Emil von Behring wählt einen ungewöhnlichen Ansatz.

Parkdeck als Partylocation: das Klinikum Emil von Behring aus ungewöhnlicher Perspektive.
Parkdeck als Partylocation: das Klinikum Emil von Behring aus ungewöhnlicher Perspektive.Helios

Für das Parkdeck haben sie sich nicht ganz freiwillig entschieden. Die Corona-Pandemie ist ja noch nicht vorbei, Vorsicht geboten, viel frische Luft bei größeren Zusammenkünften angezeigt. Auf Ebene 7 einzuladen, empfahl sich aus einem anderen Grund. Der Blick auf das Zehlendorfer Klinikum Emil von Behring ist aus erhöhter Perspektive besser, und darum geht es schließlich: Die Veranstaltung am kommenden Donnerstagnachmittag heißt „Blinddate mit (Job-)Aussicht“. Das Haus des privaten Helios-Konzerns will mit einer Party Pflegepersonal gewinnen. „Wir verbinden die Bewerberparty mit einer Klinik-Party für die Kolleginnen und Kollegen“, sagt Florian Kell, der Geschäftsführer des Klinikums.

Es herrscht ein Mangel an Fachkräften in den Krankenhäusern der Stadt. Die Pandemie dürfte den schon vorher anhaltenden Trend zu Teilzeit und Berufsflucht verstärken. Auch wenn eine Erhebung unter allen knapp 60 Kliniken noch aussteht, lässt sich diese Prognose schon jetzt wagen. Die landeseigenen Unternehmen Charité und Vivantes versuchen gegenzusteuern, sie haben Tarifverträge zur Entlastung in der Pflege abgeschlossen, die zumindest an dem Universitätsklinikum seit Januar stufenweise umgesetzt werden. Vivantes startete eine Werbekampagne, um die Personaldecke zu erweitern. Freigemeinnützige und private Träger ziehen nach. Der Konkurrenzkampf um Mitarbeiter ist groß.

Auszeichnung für DRK-Kliniken Berlin

Die Idee, in einem lockeren Ambiente potenzielle Bewerber auf sich aufmerksam zu machen, kam dem Management des Zehlendorfer Helios-Hauses allerdings schon vor der Pandemie. 2019 haben sie eine solche Party zum ersten und wegen Corona zum bisher letzten Mal gegeben. An die 50 Interessenten kamen damals, fünf unterschrieben am Ende einen Vertrag. Diesmal sollen sogenannte Besucher-Paten mit dem Arbeitsumfeld vertraut machen.

Employer Marketing nennt sich das neudeutsch. Es gibt sogar eigens einen Preis in dieser Kategorie für Unternehmen, die besonders gut darin sind. Die DRK-Kliniken Berlin zum Beispiel haben ihn erhalten: den KU Award. Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) erwähnt das im Internet unter #PflegeJetztBerlin, der Plattform einer übergreifenden Initiative, die helfen soll, den Bedarf an Fachkräften zu decken.

Bessere Arbeitsbedingungen stehen dabei im Fokus, bereits in der Ausbildung. Die Quote der Abbrecher während der Lehrzeit ist hoch und beträgt nach Schätzungen von Experten deutschlandweit rund 30 Prozent; genaue Zahlen dazu liegen nicht vor. Mehr Lehrkräfte fordert unter anderem die BKG vom Land Berlin. Fachverbände wie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) versprechen sich derweil von einer Akademisierung der Ausbildung einen größeren Zulauf.

Groß ist das Potenzial, das durch die Rückkehr in andere Berufe abgewanderter Fachkräfte gehoben werden könnte – zwischen 120.000 bis 200.000 Beschäftigte, ebenfalls geschätzt. Umfragen zufolge würde sich knapp die Hälfte der Aussteiger für ein Comeback entscheiden – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dabei rangieren in der Prioritätenliste verlässliche Arbeitszeiten und eine flexible Gestaltung des Dienstplans weit oben.

Von den fünf Fachkräften, die sich auf der Party 2019 für das Klinikum Emil von Behring entschieden haben, ist nur eine bisher gegangen. Das Management versichert, Kündigungsgrund sei ein Umzug in eine andere Stadt gewesen.