Vor ein paar Tagen habe ich meine Mutter aus dem Krankenhaus abgeholt und in ihre Wohnung nach Köpenick gefahren. Mit einem dieser Carsharing-Autos, die bei mir im Prenzlauer Berg auf den Straßen stehen. Mein Mann brauchte unser Auto und mit der Bahn hätte meine Mutter nicht fahren können. Ihre Operation war erst zwei Tage her.
CDU-Wähler fahren Auto, Grünen-Wähler Rad
Es war eine private Angelegenheit, aber auch eine Art Experiment in einer Stadt, in der so heftig über Autos, Radwege, öffentlichen Nahverkehr diskutiert wird wie nie zuvor. Das hat mit der letzten Wahl zu tun. In den Außenbezirken gewann die CDU, in der Innenstadt die Grünen. CDU-Wähler fahren meist Auto, Grünen-Wähler Rad. Auf Grafiken sieht Berlin aus wie ein Donut. Innen ein kleiner grüner Punkt, außen ein dicker schwarzer Streifen. Im Roten Rathaus sitzt jetzt Kai Wegner von der CDU aus Spandau. Die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner hat Radverkehrsprojekte gestoppt und sorgt für Empörung.
Ich bin Innenstadt-Bewohnerin und Radfahrerin. Unser Auto, 15 Jahre alt, wird auch von meinem Mann und den Kindern genutzt – und sieht auch so aus. Ich fahre so selten damit, dass ich mich mitunter nicht daran erinnere, wo ich es beim letzten Mal abgestellt habe. Anders der Rest meiner Familie, der in den Außenbezirken – Kaulsdorf, Steglitz, Köpenick – wohnt, Dienstwagen fährt und Tiefgaragenplätze mietet. Mit dem Rad macht man einen Ausflug, zum Badesee.
Unsere Familie ist ein bisschen wie der Berliner Donut, innen grün, außen schwarz. Und manchmal führen wir auch diese Gespräche. Die einen beschweren sich über Staus, Parkgebühren und Radwege. Die anderen klagen über Autofahrer, die Radfahrern den Weg versperren, mit oder ohne Absicht.
Das Carsharing-Auto, mit dem ich meine Mutter abhole, steht direkt vor meiner Haustür. Ein Peugeot, 44 Cent pro Minute. Ich fahre los, erst ins Krankenhaus nach Lichtenberg, dann weiter nach Köpenick. Meine Mutter lobt das schicke Auto und staunt darüber, dass ich es einfach so mieten kann, mit meiner Handy-App. Ich wundere mich, dass sie noch nie davon gehört hat.
Mit Carsharing-Auto nach Köpenick? Leider nicht im Geschäftsbereich!
In Köpenick angekommen schlage ich vor, sie in ihre Wohnung zu bringen, zum Bäcker zu gehen und gemeinsam zu frühstücken. Das Auto will ich stehenlassen und mit der S-Bahn zurückfahren. Das Auto spielt nicht mit. Ich kann es mit der Handy-App abschließen, aber nicht abmelden. Auf dem Display steht: Bringen Sie das Fahrzeug in den Geschäftsbereich zurück!
Geschäftsbereich?! Ich bin in Köpenick, mitten in der Stadt, noch vor der Alten Försterei, wo Berlins Champions-League-Mannschaft spielt. Das kann nicht sein! Ich tippe auf dem Handy herum. Meine Mutter steht da mit ihrer Krankenhaustasche, will nach Hause, sich ausruhen.


