Corona-Maßnahmen

Protest gegen Impfpflicht: In Berlin kamen mehr Polizisten als Demonstranten

Während der Bundestag über die Impfpflicht debattierte, wurde Unter den Linden gegen die Corona-Beschränkung demonstriert.

Polizisten sichern die Straße Unter den Linden.
Polizisten sichern die Straße Unter den Linden.Andreas Kopietz

Erwartet wurden mehr als zehntausend Teilnehmer. Gekommen sind nach Polizeizählung etwa 1500 Gegner der Impfpflicht, über die am Mittwochnachmittag der Bundestag debattierte. Da war sogar die Polizei zahlreicher angetreten: mit einem Großaufgebot von über 2000 Einsatzkräften. Sie wurde von Einheiten aus anderen Bundesländern unterstützt. Die Beamten riegelten das Parlaments- und Regierungsviertel ab. Dort postierte sie mehrere Wasserwerfer mit jeweils 10.000 Liter fassenden Tanks. Am Himmel kreiste über Stunden der Polizeihubschrauber.

Es waren offenbar Kälte und Regen, was viele Kritiker der Corona-Maßnahmen von der „bundesweiten Großdemonstration“ abhielt, zu der im Internet und auf Kanälen wie dem Messengerdienst Telegram mobilisiert wurde.

Gegnerinnen der Impfpflicht demonstrieren am Mittwoch in Mitte.
Gegnerinnen der Impfpflicht demonstrieren am Mittwoch in Mitte.Andreas Kopietz

Auf dem Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor versammeln sich an diesem Nachmittag 20 bis 30 Gegendemonstranten auf einer angemeldeten und genehmigten Kundgebung unter dem Motto „Geradedenken“. Auch im Umkreis des Demonstrationsgeschehens gibt es einige kleine Gegendemos linker Gruppen, die gegen „Querdenker“, Nazis und Verschwörungsgläubige protestieren.

Tatsächlich haben sich unter die Demonstranten Anhänger rechter Gruppen aus Berlin und Brandenburg gemischt, auch wenn sie bei weitem nicht die – sichtbare – Mehrheit ausmachen, die vor allem aus bürgerlich aussehendem Publikum besteht. „Soll ich die Rechten anpöbeln und auffordern wegzugehen?“, erwidert denn auch eine ältere Frau aus Berlin die Frage, warum es so schwer ist für viele Corona-Demonstranten, sich von den Rechtsextremisten zu distanzieren, was ihnen wiederholt von Politik und Verfassungsschutz vorgeworfen wird. „Oder soll ich deshalb zu Hause bleiben, um nicht unter Naziverdacht zu geraten?“ Sie sei für Demokratie und für einen funktionierenden Rechtsstaat ohne politische Willkür, sagt sie noch.

Verboten: Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“

Weil es in der letzten Zeit immer wieder vorkam, dass bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen die Bundesrepublik mit der NS-Diktatur gleichgesetzt und die Shoah verharmlost wurde, hat auch die Berliner Polizei angekündigt, an diesem Mittwoch verstärkt gegen das Tragen von Davidsternen mit der Aufschrift „ungeimpft“ vorzugehen. „Wer mit Zeichen eines adaptierten Judensterns erwischt wird, gegen den wird wegen Störung des öffentlichen Friedens ermittelt“, so eine Polizeisprecherin.

Mehrfach fordert die Polizei die Demonstranten auf, die Straße zu verlassen, da es sich um eine unangemeldete Versammlung handele – in der Wilhelmstraße vor dem ARD-Hauptstadtstudio, auf dem Boulevard Unter den Linden vor der Russischen Botschaft. Es wird geschoben, geschimpft, gerempelt. Eine Frau schreit einen Polizisten an: „Du Idiot! Du könntest mein Sohn sein!“

Demonstranten diskutieren mit Polizisten, die sie nicht durchlassen.
Demonstranten diskutieren mit Polizisten, die sie nicht durchlassen.Andreas Kopietz

Polizisten nehmen etliche Demonstranten mit und deren Personalien auf. Die Delinquenten werden Anzeigen erhalten, unter anderem Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, oder weil sie keine Maske vor Mund und Nase getragen haben oder zu dicht beieinander auf der Straße standen. Einige sind festgenommen, unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Viele Demonstranten werden bis zum frühen Abend von der Polizei festgehalten, weil die Identitätsfeststellungen so lange dauern. Dafür hat die Polizei in der Nähe des Brandenburger Tors eine „Bearbeitungsstraße“ aus Tischen aufgebaut nebst Gefangenentoilette. „Es gibt eine Vielzahl von Personalienfeststellungen“, sagt ein Polizeisprecher. Eine genaue Zahl und eine Bilanz der Demonstrationen könne erst am Donnerstag mitgeteilt werden.

Mit Einbruch der Dunkelheit hat sich die Lage weitgehend beruhigt, auch wenn noch einige „Spaziergänger“ unterwegs sind, die „Wir kommen wieder!“ rufen. Die Wasserwerfer kamen nicht zum Einsatz, anders als im vergangenen Sommer am Brandenburger Tor. Weil das Wasser schon von oben aus den Wolken kam, bedurfte es der Sprühgeräte nicht.