Immer öfter werden bei Gewalttaten Messer eingesetzt. Allein bei Körperverletzungsdelikten stachen die Täter in 5,2 Prozent der Fälle zu. Das geht aus der Kriminalstatistik für das vergangene Jahr hervor, die das Bundesinnenministerium am heutigen Donnerstag veröffentlichte. Bei diesen Messerangriffen zählten die Statistiker 8160 Fälle. Im Jahr zuvor waren es „nur“ 7071 Fälle.
Ebenfalls ansteigend ist die Zahl der Raubdelikte, bei denen mit Messern gedroht wird (elf Prozent beziehungsweise 4195 Fälle). Im Vorjahr waren Messer lediglich bei 3060 Raubdelikten eingesetzt worden. Diese Taten zählen im Sinne der Kriminalstatistik ebenfalls als „Messerangriffe“.
Angesichts der deutlich gestiegenen Zahlen fordert der Berliner Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine „gesamtgesellschaftliche Reaktion“ und eine ernsthafte Debatte darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Menschenleben zu schützen.
Verrohung und schwindender Respekt vor dem Leben anderer
„Die Entwicklung in der Hauptstadt ist besorgniserregend, weil sich immer mehr Heranwachsende und vor allem junge Männer mit Messern auf die Straße begeben und auch bereit sind, diese einzusetzen“, sagt der GdP-Landeschef Stephan Weh. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei allein in Berlin 3317 Messerangriffe – 540 mehr als im Vorjahr und 900 mehr als noch 2010.
„Selbstverständlich ist Berlins Bevölkerung in dieser Zeit auch stark angewachsen, aber gerade die neuen Zahlen sprechen eine klare Sprache.“ Immer häufiger bleibe es bei Auseinandersetzungen auf der Straße nicht mehr bei Schnittwunden, sondern es werde gezielt zugestochen. „Das ist eine Verrohung der Gesellschaft und schwindender Respekt vor dem Leben anderer“, so Weh.
Nachdem in der vergangenen Woche auf einer Kirmes in Münster ein 31-jähriger Familienvater einen Messerstich ins Herz abbekam, diskutieren Politiker über Verbotszonen für Messer. Diese ergeben nach Ansicht von Weh allerdings kaum Sinn, weil sie in Berlin nicht zu kontrollieren seien. „Das ist, anders als Taschenkontrollen bei Veranstaltungen, personell nicht zu stemmen.“
Gerichte sollen Messerangriffe als versuchte Tötungsdelikte werten
Auch die Verschärfungen im Waffenrecht haben nach Ansicht des GdP-Chefs die Zahlen nicht wirklich gesenkt, weil selbst verbotene Messer nach wie vor leicht zu bekommen seien. Weh fordert mehr Präventionsangebote und Programme wie „Messer machen Mörder“, um auf die Gefahren hinzuweisen. „Im Jahr 2023 kann jeder im Internet sehen, wo man hinstechen muss, um jemanden zu töten. Auch deshalb müssen viel mehr dieser Fälle vor Gericht als versuchte Tötungsdelikte betrachtet und nicht immer zu gefährlichen Körperverletzungen heruntergebrochen werden.“
Erst in der Nacht zu Mittwoch wurde ein 35-Jähriger in Charlottenburg mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Die Hintergründe sind noch unklar. Am Mittwochnachmittag wurde dann in der Erasmusstraße in Moabit ein 17-Jähriger bei einem Streit von einem Messerstich schwer verletzt. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo er intensivmedizinisch betreut wird.


