Kolumne

Hört auf, meinen Namen falsch zu schreiben!

Aus Miray wird Mirai, aus Caliskan ein Kaliska und dazu ein „Herr“ als Anrede: Kaum jemand gibt sich Mühe mit dem Namen unserer Autorin. Warum eigentlich nicht?

Miray Caliskan
Miray CaliskanBerliner Zeitung/Paulus Ponizak

Berlin-Ich begegnete in der Schule einem einzigen Erwachsenen, der sich stets bemühte, meinen Namen richtig auszusprechen: mein Deutsch- und Musiklehrer. „Tschaliskan“, rief er in den Raum, wenn er die Anwesenheitsliste für das Klassenbuch abklapperte. Oder: „Dschalischkahn“. Seine Aussprache war immer unterschiedlich, die Betonung ebenso. Mal lag sie auf „tsch“, mal auf „li“, mal auf „kan“. Als Schülerin fragte ich mich, wieso er es jedes Mal aufs Neue versuchte, wieso er es nicht auf der „eingedeutschten“ Form Caliskan beruhen ließ – fast so ausgesprochen wie geschrieben: Kaliskan. Ich korrigierte seine Aussprache aber auch nie, weil mir das damals zu unhöflich vorkam. Also hörte ich ihm jahrelang zu, wie er aus einem Namen Dutzende Versionen kreierte.

Erst vor einigen Jahren wurde mir bewusst, wie wichtig, nein, wie notwendig es ist, einen Namen korrekt auszusprechen und vor allem auch zu schreiben. Weil ich mich einfach nicht daran gewöhnen konnte, als „Calikan“, „Kaliska“ oder „Mirai“, „Mirey“ oder „Mireya“ angeschrieben zu werden. Immer und immer wieder – manchmal von ein- und demselben Absender, obwohl ich auf die falsche Schreibweise aufmerksam gemacht habe. Ich dagegen überprüfe die Anrede, sollte ich eine Mail verfassen, mindestens dreimal, um bloß keinen Fehler einzubauen. Das Thema hat in meinen Augen auch nicht ausschließlich etwas mit Migration zu tun – wobei vermutlich Menschen aus Einwandererfamilien, die entsprechend „untypische“ Vor- und Nachnamen haben, damit öfter zu kämpfen haben als andere – sondern vielmehr mit Respekt.

Ja, es stört mich, als „Herr Caliskan“ angeschrieben zu werden. Was an meinem Vornamen mutet männlich an? Wenn die Person, die die Mail oder den Brief verfasst, sich nicht sicher ist, ob männlich oder weiblich, weil Miray vielleicht ähnlich klingt wie Kiran oder Kilian – wieso schaut sie es nicht nach? Das nimmt zehn Sekunden Zeit in Anspruch und erspart mir die Rückmeldung: „Hallo, es ist Frau Caliskan und nicht Herr.“

Bin ich affektiert, wenn mich diese Fehler aufregen? Ganz sicher nicht. Viele Menschen empfinden es als eine mikroaggressive Botschaft, falsch angesprochen oder angeschrieben zu werden, sie fühlen sich dadurch bewusst oder unbewusst abgewertet – und ich kann das gut nachvollziehen, vor allem dann, wenn der Kollege den Namen zum dritten Mal falsch ausspricht, obwohl geduldig wiederholt.

Denn die Frage, die auch Sahika Tetik und Hülya Bozkurt-Weller in ihrem Podcast „Cay mal ehrlich“ stellen, ist ja berechtigt: Wie kommt es, dass Francesco, Madeleine gar Alejandro und Zoe intuitiv korrekt ausgesprochen werden – aus Gamze aber ein aggressives „Gammdtze“ gemacht wird und aus Samir ein langgestrecktes „Saaahmia“. Mein Vorname wird beispielsweise mit einem rollenden R ausgesprochen. Die Betonung liegt also nicht auf „Mi“ (oder „Mia“), sondern in der Mitte auf dem R. Was hält die Menschen davon ab, einfach mal nachzufragen, wenn sie sich nicht sicher sind, wie der „migrantische“ Vor- oder Nachname ausgesprochen wird? Wieso deutschen sie ihn lieber unbeholfen ein? Was hält eigentlich mich davon ab, meinen Vornamen türkisch – also korrekt – auszusprechen? Denn auch ich selbst deutsche ihn inzwischen oft ein.

Auch finde ich es schlimm, dass in den meisten deutschen Zeitungen Sonderzeichen technisch gar nicht oder nur in Ausnahmefällen gedruckt werden können. Deshalb ist nur in einer einzigen meiner Kolumnen mein Familienname mit den drei türkischen Sonderzeichen erschienen. Tut mir leid, an dieser Stelle, liebe Sahika vom Podcast – ausgesprochen: Schahika.

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