Lesen Sie hier die neusten Entwicklungen zur Habersaathstraße:
Im Januar zogen mehr als 50 Menschen, die bisher auf der Straße gelebt hatten, in einem Häuserblock in der Habersaathstraße 40–48 in Berlin-Mitte. Der Plattenbau stammt aus den letzten Jahren der DDR, er war einst für Mitarbeiter der Charité gebaut worden. Es gibt dort kleine, günstige Wohnungen, von denen die meisten inzwischen leer standen – mitten in der größten Wohnungskrise Berlins.
Kurz vor Weihnachten wurde der Block besetzt, einige Tage später konnten die ersten Obdachlosen in Wohnungen einziehen. Viele zum ersten Mal seit langer Zeit. Der Bezirk Mitte und der Eigentümer der Immobilie waren einverstanden.
Nun sollen die Menschen nach Willen des Eigentümers wieder ausziehen – bis Montag, 2. Mai, 10 Uhr, „Schlüsselübergabe direkt vor der Einheit“. Das erfuhr die Initiative Leerstand-Hab-ich-Saath, die sich seit langem gegen den Leerstand im Wohnblock einsetzt und seit Januar die neuen Bewohner begleitet, am Mittwoch durch einen Brief der Hausverwaltung, der der Berliner Zeitung vorliegt.
Bezirk und Eigentümer streiten seit Jahren
Im Brief dankt die Hausverwaltung der Initiative zunächst für ihr „Engagement“ und „Selbstinitiative“. Die Freiwilligen hatten Leitungen oder Spülkästen in den Wohnungen repariert, Rauchmelder installiert, Möbel organisiert. Es habe sich um „Winterhilfe“ für Obdachlose gehandelt, heißt es im Brief, die nun mit dem April ende. Dies habe man „der guten Ordnung halber auch dem Bezirksbürgermeister noch einmal per E-Mail mitgeteilt“. Stephan von Dassel (Grüne) hatte den Einzug der ehemaligen Obdachlosen unterstützt – und stets betont, dass es sich um eine temporäre Lösung handele.
Der Bezirk Mitte streitet seit Jahren mit dem Eigentümer, der Arcadia Estate GmbH, die den Häuserblock abreißen lassen will, um auf dem Grundstück neu zu bauen. Bauland in so guter Lage, zwischen BND-Zentrale und Charité, dürfte in Berlin kaum noch zu bekommen sein. Seit Januar strebt der Bezirksbürgermeister aber einen Kompromiss mit dem Eigentümer an – wenn in einem Teil des Neubaus günstige Wohnungen entstehen, will man Abriss und Neubau zustimmen.
Ist es nun also so weit, soll der Block abgerissen werden?
Initiative entgegnet: „Wir haben vor, zu bleiben“
Im Brief der Hausverwaltung an die Initiative ist erst einmal von einer anderen Nutzung die Rede: Man wolle Wohnraum für die „Ukraine-Hilfe“ anbieten, „gemeinsam mit einem von Ukrainern geführten Unternehmen im Objekt“ solle das organisiert werden. „Die geänderten Umstände in Europa und die Flüchtlingslage in Berlin gebieten aus unserer Sicht eine sofortige Hilfe“, heißt es im Brief. Man habe dem Bezirk eine Zusammenarbeit angeboten.
Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel reagierte in dieser Woche nicht auf eine Anfrage der Berliner Zeitung zur Habersaathstraße.
Die Unterstützer der Menschen, die jetzt im Wohnblock leben, wollen sich der Aufforderung der Hausverwaltung widersetzen. „Wir haben vor, zu bleiben. Es gibt die Vereinbarung zwischen Bezirksamt und Eigentümer, dass Obdachlose so lang bleiben können, bis es zum Abriss kommt. Das hätte drei bis fünf Jahre dauern können“, sagt die Sprecherin Valentina Hauser der Berliner Zeitung. Einige der ehemals wohnungslosen Bewohner seien außerdem inzwischen offiziell im Haus gemeldet.
Der Eigentümer wolle Druck machen, so Hauser weiter. „Mit Geflüchteten kann man mehr Geld verdienen. Wir zahlen nur die Betriebskosten, bei Geflüchteten kann man Miete verlangen.“ Bezirksamt und die Sozialverwaltung von Senatorin Katja Kipping (Linke) hätten sich den Bewohnern gegenüber bereits positioniert und versichert, dass „Geflüchtete nicht gegen Obdachlose ausgetauscht werden“.
Kein Auszug mit Schlüsselübergabe also am Montag? „Wir werden das definitiv nicht tun“, sagt Hauser.


