Berlin-Es gibt eine kleine Sache, über die ich mir seit Jahren schon den Kopf zerbreche: In Deutschland ist es doch so, dass das Geburtstagskind, also das erwachsene Geburtstagskind, seine Gäste zum Kuchenschneiden zu Hause, zum Essen in einem Restaurant oder zu Drinks in einer Bar einlädt, richtig? Wieso? Wieso muss ich für meine Freunde was ausgeben, wenn ich doch diejenige bin, die gefeiert werden müsste?
Man singt doch nicht umsonst „Hoch sollst du leben“ oder „Heute ist dein Tag“ – eigentlich gehört es sich, dass diejenige, die Geburtstag hat, auch eingeladen wird. Und eigentlich gehört es sich auch, dass nicht das Geburtstagskind seinen eigenen Kuchen backen oder traurigerweise sogar seine eigenen, bunten Kerzen vom Drogeriemarkt besorgen muss, sondern dass sich die Familie oder Freunde drum kümmern. Ich weiß, dass ist vermutlich das belangloseste Erste-Welt-Problem schlechthin. Aber mir zumindest tut es ab und zu gut, über unerhebliche Dinge nachzudenken, mich ein wenig abzulenken, von allem Schlimmen, was da draußen passiert. Und weil mein Geburtstag anrückt, häufen sich die Gedanken unweigerlich.
Die Sache ist die: Unter Türkischstämmigen ist es so, dass das Geburtstagskind nichts planen muss, keine Einladungen verschicken, keinen Tisch im Restaurant reservieren, sondern sich gemütlich zurücklehnen kann. Freunde und Familie kümmern sich um alles und kommen auch finanziell für alles auf, natürlich im Rahmen des Möglichen. Es gilt sogar als unhöflich, sich nicht einladen zu lassen. Also bekommt das Geburtstagskind nur die Information, wo und wann es erscheinen soll. Es werden auch viel mehr Überraschungspartys geschmissen, irgendwie scheinen die in Deutschland etwas verpönt zu sein, oder irre ich mich? Lässt man sich in der deutschen Community nicht so gerne überraschen?
Will man beweisen, dass man nicht geizig ist?
Ich frage mich jedenfalls, woher das zwanghafte „Die ersten Drinks gehen auf mich!“ kommt. Wieso versucht man gönnerhaft zu sein? Um zu beweisen, dass man nicht knauserig ist? Aber eigentlich geht es zumindest in meinen Augen nicht um Geiz, ich liebe meine Freunde und Familie und ich freue mich riesig, wenn ich ihnen eine Freude bereiten kann, indem ich sie einlade. Geht es also eher darum, dass man nicht eingeladen werden möchte, weil es einem unangenehm ist, selbst wenn es einen triftigen Grund, nämlich der eigene Geburtstag, gibt?
Denn: Geld scheint in der deutschen Community nach wie vor ein beladenes Thema zu sein. Man spricht nicht gerne darüber und man vermeidet die Auseinandersetzung, wo es nur möglich ist. Das kann man auch wieder im Kontext des Restaurantbesuchs beobachten, wenn die Rechnung von jedem Einzelnen beglichen wird, sogar unter engsten Freunden, anstatt sich abzuwechseln oder dass die Rechnung von einer bezahlt und später untereinander aufgeteilt wird. Aber nein, jede zahlt für das, was sie gegessen und getrunken hat. Auch das läuft in der türkischen Community anders ab.
Also, vielleicht ist es tatsächlich das. Dass man nicht möchte, dass andere Geld für einen ausgeben – jenseits vom Geburtstagsgeschenk. Vielleicht empfindet man es auch als emotionale Bürde, dass sich die ohnehin gestressten Freunde noch um die Planung der eigenen Geburtstagsfeier kümmern. Schade, dass man solche Gedanken hegt – „Hoch sollst du leben“ sollte ich künftig einfach nicht mehr wörtlich nehmen.
Ein Nachtrag: Vor knapp einem Jahr erschien meine erste Kolumne, diese ist meine letzte. Ich hoffe, dass ich einen Einblick in ein deutsch-türkisches Leben gewähren konnte, dem ein oder anderen zeigen durfte, wie bereichernd oder manchmal auch kompliziert es sein kann, eine multiple Identität zu besitzen, beide Kulturen in sich zu tragen. Aber, mal ehrlich: Was heißt es schon, deutsch oder türkisch zu sein?





