Berliner stellen sich Obdachlose oft so vor: in einem Schlafsack unter der Brücke, mit zerzaustem Haar, Nadel im Arm oder Erbrochenem um den Mund. Doch ist es nicht das Bild, das sich in der Notunterkunft am Containerbahnhof der Berliner Stadtmission zeigt. Dort, in der warmen, aufgeräumten Traglufthalle, sitzen Menschen, die aussehen wie ein Student in einem hippen Friedrichshainer Café oder der freundliche Opa im Rollstuhl in der U-Bahn. Vereint sitzen sie auf Bierbänken, schlürfen ihr Chili con Carne. Manche spielen Tischtennis, klatschen sich ab oder sitzen am Laptop, haben Kopfhörer in den Ohren. Von der Kuppel hängt noch ein Herrnhuter Stern von Weihnachten, an den Wänden hängen Zeichnungen, die obdachlose Menschen zeigen. Auf einem dunklen Sofa liegt ein Mann und spielt auf seinem Handy.
Es wirkt beinahe wie in einem Hostel hier am Containerbahnhof hinter dem Ring-Center. Doch sind diese Menschen dort eben keine Touristen. Sie sind obdachlos. Am Tag sind sie auf den Straßen, in den U-Bahnhöfen oder in den Shoppingcentern der Hauptstadt unterwegs. Um 5.30 Uhr werden sie geweckt und zwei Stunden später müssen sie wieder auf die Straße. Viele stehen um 19.30 Uhr wieder in der Warteschlange, um kostenfrei in einem Vierbettzimmer unterzukommen. Während der ersten Stunde können sich nur diejenigen registrieren, die am Vorabend eine Reservierungsmarke haben.

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