Flucht vor dem Krieg

Flüchtlinge in Berlin: Ankunftszentrum in Tegel frühzeitig fertig

Noch immer kommen jeden Tag mehr als 10.000 Menschen aus der Ukraine in Berlin an. Die Stadt baut die Aufnahmekapazitäten massiv aus, doch es bleibt eng.

Ola (l-r), Sascha und Tanja aus dem ukrainischen Schytomyr warten in der Anlaufstelle für Flüchtlinge aus der Ukraine auf dem Hauptbahnhof.
Ola (l-r), Sascha und Tanja aus dem ukrainischen Schytomyr warten in der Anlaufstelle für Flüchtlinge aus der Ukraine auf dem Hauptbahnhof.dpa/Hannibal Hanschke

Innerhalb weniger Tage hat Berlin seine Aufnahmekapazitäten für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine  massiv erweitert. Nachdem in der Nacht zu Freitag kurzfristig eine erste Messehalle zur Notunterkunft ausgebaut wurde, können dort mittlerweile vier Hallen genutzt werden. Mittlerweile sind mehr als Tausend Schlafplätze für Menschen entstanden, die spät am Abend oder mitten in der Nacht eintreffen und nicht mehr auf andere Unterkünfte verteilt werden können.

Am Wochenende waren erneut Zehntausende mit Zügen und Bussen angekommen. „Wir gehen aktuell von täglich mehr als 10.000 Menschen aus“, sagte der Sprecher der Senatssozialverwaltung, Stefan Strauß, am Sonntag. Etwa 7500 reisten nach Schätzungen allein am Sonnabend mit Zügen aus Polen an.

Die große Zahl brachte den Senat dazu, bereits in der Nacht zu Sonntag das Ankunftszentrum des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) im ehemaligen Flughafen Tegel zu eröffnen – dies war erst für Anfang dieser Woche geplant. Die Menschen sollen an den Terminals A und B per Bus ankommen, um dann auf die Bundesländer verteilt zu werden. Alle anderen werden in Tegel registriert. In den Terminals wurden zunächst 460 Übernachtungsplätze eingerichtet. Nach Angaben eines Sprechers des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) können es 2500 bis maximal 3000 werden. Die Unterbringung ist nur für wenige Tage gedacht.

DRK-Sprecher Karsten Hintzmann sprach am Sonntag im Gespräch mit der Berliner Zeitung über die Bedingungen in Tegel. So seien die Gebäude groß genug. Komplizierter ist die Unterbringung.  Beim Aufbau der sanitären Anlagen, insbesondere der Duschen, müsse  improvisiert werden. „Der Markt mit Duschkabinen ist leergefegt. Unsere Fachleute berichten uns: Es gibt keine“, so Hintzmann.

Das war tags zuvor in den Messehallen zum Problem geworden. Helfer berichteten, dass es weder warmes Wasser noch Duschen gebe. Dem widersprach Messe-Pressesprecher Emanuel Höger teilweise: „Es gab und gibt warmes Wasser.“ Duschcontainer seien allerdings kurzfristig schwer zu bestellen.

In Tegel ist das DRK nun dabei, eigene Strukturen zu nutzen. Sprecher Hintzmann verwies auf Katastrophenschutzeinheiten, die autark arbeiten können. „Einige wurden zum Beispiel im Ahrtal eingesetzt“, so Hintzmann. In Tegel sei daran gedacht, die Sanitärcontainermodule an den Eingängen aufzustellen.

DRK: Ausrüstung kam schon im Ahrtal zum Einsatz

Insgesamt bleibt die Lage in Berlin angespannt. Deswegen erneuerte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ihre Mahnung, dass der Bund aktiv werden müsse. „Wir sind darauf angewiesen, dass der Bund die Koordinierung übernimmt, die Registrierung klärt und weiteres Personal nach Berlin schickt“, sagte die SPD-Politikerin.

Laut LAF-Sprecherin Monika Hebbinghaus leitet Berlin die Menschen, die nicht krank oder besonders schutzbedürftig sind sowie keine Familie in der Stadt haben, bereits in andere Bundesländer weiter. Bisher müsse aber die Liste händisch abtelefoniert werden, um Aufnahmekapazitäten zu finden. In dem Zusammenhang berichtete Regierungschefin Giffey von nächtlichen Telefonaten mit ihrem niedersächsischen Kollegen Stefan Weil (SPD), der spontan die Übernahme von 400 Personen zusagte.

So viel spontane Hilfsbereitschaft soll die Ausnahme bleiben. Grundsätzlich regelt der Königsteiner Schlüssel die Aufgaben der Bundesländer, je nach Bevölkerungszahl. Doch es kann nur verteilt werden, wer auch registriert ist. Da viele Ukrainer mit einem Touristenvisum ankommen oder nicht registriert werden können, weil sie etwa zunächst Hilfe von einer Kirchengemeinde bekommen, sei der Schlüssel nicht anwendbar, so das LAF. Außerdem brauche es zur Eingabe der Registrierten eine Software und Zugang in ein spezielles Datennetz. Das könne bisher nur tagsüber genutzt werden.

Aufteilung der Flüchtlinge: Berlin hofft auf den Königsteiner Schlüssel

Während nach und nach mehr Notunterkünfte entstehen, spielten sich das Wochenende über am Hauptbahnhof dramatische Szenen ab. 2600 Menschen hätten in Zügen, BVG-Bussen und in zwei großen Zelten übernachtet, hieß es. Diese Menschen seien freiwillig am Bahnhof geblieben, weil sie weiterreisen wollten, in der Nacht aber keine Anschlusszüge mehr bekommen hätten, hieß es von der Sozialverwaltung. Die Verpflegung wird künftig vom Bund und von Berlin übernommen und bezahlt. Zusammen mit der Messe sollen zunächst 10.000 Essensportionen pro Tag bereitgestellt werden: Suppe, Sandwiches, Obst, Süßigkeiten, Tee und Wasser.

Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern

Unterdessen haben sich am Sonntagmittag Zehntausende Menschen versammelt, um erneut für Frieden in der Ukraine zu demonstrieren. Das Bündnis Stoppt den Krieg hatte zu Großdemos in Berlin, Frankfurt am Main, Leipzig, Stuttgart und Hamburg aufgerufen.

In Berlin liefen Tausende vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor und zur Straße des 17. Juni. Die Polizei sprach von zunächst etwas mehr als zehntausend Menschen. Eine ähnliche Größenordnung wie zwei Wochen zuvor, als mehr als hunderttausend Menschen auf der Straße waren, wurde nicht erreicht.

Das Motto lautete: „Stoppt den Krieg. Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine“. Das Veranstalterbündnis aus 42 Organisationen wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Greenpeace, Diakonie und Brot für die Welt forderten den russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem zuvor veröffentlichten Aufruf auf, seinen Angriffskrieg sofort zu beenden und sich aus der Ukraine zurückziehen. Die Demonstranten drückten ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine aus und zeigten Unterstützung für diejenigen, die in Russland „ihre Stimme gegen den Krieg erheben“.