Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transpersonen
Dass bestimmte Ecken in Berlin für queere Menschen gefährlich sein können, ist leider nichts Neues, aber morgens um acht auf dem Weg zur Arbeit schon als Schwuler beschimpft zu werden, war selbst für mich eine ungewöhnliche Erfahrung.
Hatte ich die drei schwarz gekleideten Typen in der Kreuzberger Otto-Suhr-Siedlung zu lange gemustert? Ihre Beschimpfungen jedenfalls ignorierte ich und achtete auch darauf, nicht schneller zu gehen, nicht wie ein Opfer zu wirken. Glücklicherweise blieb es bei den Schmährufen, andere schwul-lesbische und Transmenschen in Berlin haben krassere Gewalt erfahren: Der Monitoringbericht zu trans- und homophober Gewalt in Berlin, der die Informationen zu trans- und homophoben Gewalttaten umfassend aufarbeitet, zeigt, dass die Anzahl an Gewalttaten an LGBTIQ in Berlin auf einen neuen Höchststand gestiegen ist. 2021 wurden 456 solcher Taten erfasst, im Jahr zuvor lag die Zahl noch bei 277. Seit 2014 lässt sich ein dauerhafter Anstieg polizeilich registrierter Straftaten gegen die LGBTIQ-Community beobachten.
Das mag auch daran liegen, dass Transpersonen und schwul-lesbische Menschen vermehrt sichtbar sind, sich nicht mehr verstecken und so auch öfter Opfer von Gewalttaten werden. Aber was wäre der Umkehrschluss aus dieser Tatsache? Wieder verstecken? „Diskret“ leben wie in den 50ern? Nein! Ich habe übrigens Anzeige erstattet gegen die drei Männer. Ein sehr netter Polizist meldete sich daraufhin und sagte mir, dass man solche Vorfälle sehr ernst nehme. Sicherer fühle ich mich aber trotzdem nicht. Marcus Weingärtner
Berlin verschreckt Touristen und Einheimische gleichermaßen
Es gibt erste Male, auf die kann man verzichten. Eines davon erlebte ich am vergangenen Silvesterabend. Zum ersten Mal rannte ich vor der Druckwelle einer Explosion davon. Funken sprühten in alle Richtungen. Ein ohrenbetäubender Knall. Es war zwar nicht das erste Mal in Berlin, dass ich vor vorbeifliegenden Raketen und Böllern davonlief, aber in dieser Intensität war die Silvesternacht 2022 einmalig.
Silvester in Berlin war bislang für viele Menschen, die auf dem Land leben, ein Highlight. Sie nahmen sich Urlaub, um vor dem Brandenburger Tor zu feiern. Nach der öffentlichen Debatte, die seit diesem Mal entstanden ist, werden sie Silvester in Berlin wohl in einem anderen Licht sehen. Das „Feuerwerk“, das in Stadtteilen wie Neukölln stattfand, wird auf die meisten eher abschreckend wirken.
Die Vermüllung der Stadt tut ihr übriges. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) hat am Neujahrstag laut einem RBB-Bericht mehr Silvestermüll beseitigt als bei den letzten Jahreswechseln vor Corona. Selbst im beschaulichen Lankwitz waren die Straßen zu Neujahr voll mit ausgebrannten Feuerwerk-Batterien, Raketenstangen, zerfetzten Böller-Resten und Plastikteilen. 500 Beschäftigte mit 180 Fahrzeugen waren unterwegs, um Berlin zu reinigen. Dabei hat die Stadt schon an normalen Tagen ein Müllproblem. Ein Zustand, der nicht hinnehmbar ist.
Berlin ist also in zweierlei Hinsicht wieder mal unten durch. Für die, die hier leben, und für potenzielle Touristen. Für mich bleibt eine Frage zu klären: Will ich mir das nochmal antun oder flüchte ich aus der Stadt und verreise Silvester 2023? Carola Tunk
Kein Respekt
Sie kamen zu dritt, auf zwei Elektrorollern: Jungs zwischen 14 und 16 Jahren. Sie hatten Lust zu pöbeln, was nicht unüblich ist für das Alter mit plötzlichem Testosteronanstieg. Klingelstreiche, dummes Zeug rufen, das kennt man ja. Über das plötzliche Kreischen hinter mir hätte ich lachen sollen und nicht meinen Schreck zeigen. Dass diese kleinen Kerle aber nicht abließen von uns, vier erwachsenen Frauen, die gerade noch plaudernd joggten, ließ sich nicht mehr weglachen. Sie lenkten die Roller gezielt auf uns zu, als wir „Stopp!“ riefen, spuckten sie aus.
Respekt, dieses Wort, das unter Männern auf der Straße heute angeblich so wichtig ist, Respekt hat ihnen offenbar niemand beigebracht. Sie grölten, probierten Macho-Gesten, als nächstes flog eine Flasche. Erst als wir einen Spaziergänger um sein Handy baten und die Polizei riefen, trollten sich die Roller-Jungs.
Es ist keine große Sache, die Spucke lässt sich abwaschen, Desinfektionsmittel hat heute jeder zu Hause. Aber das Gefühl, gejagt worden zu sein, bleibt als Verstörung im Kopf. Der morgendliche Hasenheidelauf hat seine Unschuld verloren.
Vor etwa zehn Jahren verkündete Heinz Buschkowsky als Bürgermeister Neuköllns seine Idee von der Hasenheide als friedlichem Ort. Er regte an, den kleinen Tierpark auf der Nordseite auszubauen und verkündete: „Jeder Jogger vertreibt einen Dealer.“ Nun, die Dealer sind eher mehr geworden, der Tierpark ist tatsächlich größer, die Spielplätze wurden generalüberholt. Aber friedlich ist die Hasenheide nicht. Cornelia Geißler
Der Ton ist rau: Auch im Straßenverkehr
Ich habe nichts gegen die Berliner Schnauze, zu viel Freundlichkeit macht mich als gebürtige Berlinerin eher betreten. Aber der Ton, der sich in den vergangenen Jahren in den hauptstädtischen Alltag und speziell im alltäglichen Straßenverkehr eingeschlichen hat, hat mit der berlin-typischen Ruppigkeit nichts mehr zu tun.
Die Fronten zwischen Autofahrern und Radfahrern, zwischen Fußgängern und Radfahrern, zwischen allen Verkehrsteilnehmern sind verhärtet. Es wird gedrängelt, Verkehrsregeln werden ignoriert, es gilt das Recht des Stärkeren und Lauteren. Als ich kürzlich einen Artikel darüber schrieb, wie angenehm ich das Radfahren im Winter finde, kommentierten Leute bei Facebook, das gelte wohl nur, bis ich mich „gepflegt auf die Fresse legen“ würde. Eine Userin beschrieb das knackende Geräusch, das entstehe, wenn ein Auto einen Radfahrer überrolle.
Klar, es sind die sozialen Medien, aber solche Kommentare stehen symptomatisch für ein gewaltvolles Klima, das manch einer auch am Steuer auslebt. Jeder, der schon mal von einem abbiegenden Kraftfahrzeug geschnitten wurde, weiß, dass dem Radfahrer in Berlin am Ende nur die Defensive bleibt, wenn er unversehrt bleiben will.
Es gibt natürlich auch gute Nachrichten: Rechtzeitig zum neuen Jahr wurde einer der gefährlichsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt entschärft, die „Todeskreuzung“ am Volkspark Friedrichshain für Radfahrer umgebaut. Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch sagte bei der Einweihung, es gehe nicht darum, „dass wir Radfahrende lieber mögen und deswegen bevorzugen – es geht um den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer.“ Traurig, dass man das betonen muss. Anne Vorbringer
Vielleicht doch ein Korrekturlauf mehr?
Manchmal wäre man gern dabei gewesen, um zu wissen, wie es zu einem bestimmten Fehler gekommen ist. In dieser Woche zum Beispiel hat der Berliner Wahlleiter eine Wahlbenachrichtigung verschickt, auf der das Datum der Wahl um sieben Monate falsch angegeben war. Und das bei der Wiederholungswahl, die nur stattfindet, weil es bei der eigentlich Wahl zum Abgeordnetenhaus zu viele Fehler gab.
Wurde der Brief in letzter Minute geschrieben und man hat einfach nicht gemerkt, dass das Datum falsch war? Wurde einfach ein alter Brief von der letzten Wahl kopiert (Tastenkombination Strg+X und Strg+V) und nicht noch einmal genau durchgelesen? Hat sich jemand einen Spaß erlaubt, nur um zu zeigen, was alles möglich ist? Aber unterm Strich: Hat denn niemand noch einmal nüchtern auf diesen Brief geschaut?
Und ja, es hat sicherlich etwas mit der Stadt zu tun, dass es hier immer wieder zu solch kolossalen Fehlern kommt. Irgendwas im Miteinander scheint einem immer wieder zu versichern: „Was soll der Aufwand, geht doch auch so“ oder „Mach mal hier nicht so ne Welle“. Dieser minimale Aufwand führt auf lange Sicht zu zerborstenen Aquarien in der Innenstadt und Flughäfen, die Jahre später öffnen.
Bei der Produktion einer Zeitung gibt es den Korrekturlauf. So heißt es, wenn noch einmal zwei Augen über einen Text gehen, letzte Fehler suchen – und zum Glück meistens finden. Jeder weitere Korrekturlauf lässt die Fehlerquote noch geringer werden. Beim Brief des Landeswahlleiters fehlte unter Garantie dieser Korrekturlauf. Manchmal wünscht man ganz Berlin einen extra Korrekturlauf, damit sich im Alltag einfach weniger Fehler auftun. Sören Kittel
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