Krieg in der Ukraine

Kulturoffensive im Krieg: Berlin hat jetzt ein eigenes ukrainisches Kulturinstitut

Diese Woche wurde die allererste Auslandsrepräsentanz des Ukrainischen Instituts in Berlin eröffnet. Ihr Ziel: mehr „Kulturdiplomatie“ in Kriegszeiten.

Die ukrainische Musikerin Maryana Klochko spielt im Kesselhaus in der Kulturbrauerei als Teil der Eröffnung des Ukrainischen Instituts in Berlin.
Die ukrainische Musikerin Maryana Klochko spielt im Kesselhaus in der Kulturbrauerei als Teil der Eröffnung des Ukrainischen Instituts in Berlin.Ukrainian Institute/Lisa Vlasenko

Die Bandura, ein traditionelles ukrainisches Lauteninstrument, hat einen Klang, der irgendwo zwischen einer Harfe und einer akustischen Gitarre liegt – aber nicht am Mittwoch, als sie auf der Bühne des Kesselhauses in der Kulturbrauerei erklang. Zwei Musiker klopfen und rasseln mit verschiedenen Werkzeugen auf den Saiten ihrer Instrumente und erzeugen so beunruhigende, eindringliche Geräusche. Diese Klänge werden so laut, dass sie die lebhaften Melodien von ihren Mitmusikern auf der Bühne, dem Blechbläserquintett des Nationalen Präsidentenorchesters der Ukraine, übertönen. Auf der Leinwand hinter ihnen flimmern Bilder, die nur schwer zu erkennen sind – es scheinen Fragmente von Gemälden oder Bilder von Google Maps zu sein. Der Effekt ist schaudererregend, die Spannung im Raum ist spürbar – das Publikum weiß nicht, was als Nächstes kommt.

Anlass dieser Szene war die offizielle Eröffnung der Berliner Auslandsrepräsentanz, der ersten solchen überhaupt, des Ukrainischen Instituts. Gegründet wurde das Institut vom ukrainischen Ministerkabinett 2017; seine Aufgabe besteht darin, Aufmerksamkeit für die Ukraine und ihre Kultur im Ausland zu fördern. Jetzt, wo der russische Angriffskrieg der ukrainischen Kulturlandschaft seit mehr als einem Jahr schweren Schaden zufügt, hat diese Aufgabe eine zusätzliche Brisanz: Man will mit dem neuen Büro des Instituts in Berlin eine Art „Kulturdiplomatie“ vorantreiben, die wichtiger denn je sei, hieß es am Eröffnungsabend.

„Die ukrainische Kultur wird von dem russischen Aggressor zerstört“

Direktorin der neuen Auslandsvertretung wird Dr. Kateryna Rietz-Rakul – eine Kulturmanagerin, Autorin und Übersetzerin, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Sie wurde im Rahmen eines offenen Bewerbungsverfahrens auf die Stelle berufen. „Wir repräsentieren die ukrainische Kultur in einer Zeit, wo sie systematisch wieder mal von dem russischen Aggressor zerstört wird“, sagte sie auf der Bühne des Kesselhauses. „Dass ich die Ehre habe, diese Arbeit hier für meine Heimat zu leisten, ist mir eine große Freude und eine noch größere Verantwortung.“ Ihr bricht die Stimme, sie wird von den drei jungen Kolleginnen, mit der sie diese Arbeit leisten wird, fest umarmt, es gibt großen Beifall vom Publikum.

Kateryna Rietz-Rakul (am Mikrofon), Direktorin des neuen Auslandsbüros, mit ihrem Team auf der Bühne des Kesselhauses.
Kateryna Rietz-Rakul (am Mikrofon), Direktorin des neuen Auslandsbüros, mit ihrem Team auf der Bühne des Kesselhauses.Ukrainian Institute/Lisa Vlasenko

Die ersten Veranstaltungen des Instituts sind bereits für die nächsten Monate geplant: Neben Musik-, Film- und Literaturveranstaltungen in Berlin sind auch Begegnungen mit der ukrainischen Kultur im Dresdner Albertinum, beim Reeperbahn-Festival in Hamburg und auf der Frankfurter Buchmesse vorgesehen. Das wurde absichtlich so geplant, so Volodymyr Sheiko, Generaldirektor des Instituts, damit dessen Arbeit die Menschen in ganz Deutschland erreichen kann. Es werde auch gemeinsame Projekte mit dem Goethe-Institut sowie den Open Society Foundations geben, durch deren Unterstützung das Berliner Büro zustande kam.

„Es ist gerade das Hauptanliegen der Ukraine, so schnell wie möglich den Krieg zu gewinnen, sich so schnell wie möglich zu erholen und letztendlich so viele Menschenleben wie möglich zu retten“, sagte Sheiko bei der Eröffnung. Die ukrainische Kulturdiplomatie werde ein Schlüssel bei der Ermöglichung dieser Ziele sein – und es gebe keine Zeit zu verlieren. „In diesem Zusammenhang hat diese neue Plattform auch eine lebensbejahende Funktion.“ Trotz seiner fließenden Deutschkenntnisse sprach Sheiko auf Ukrainisch – denn es sei wichtig, dass diese Sprache gehört werde.

Botschafter: Wir hoffen noch auf ein ukrainisches Haus in Berlin

Nach der Eröffnung dieser ersten Auslandsrepräsentanz, die als Teil des Ukrainischen Instituts dem ukrainischen Außenministerium angegliedert ist, sollen noch weitere geschaffen werden – als Nächstes sei ein Standort in Paris geplant. Und der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sprach bei der Eröffnung von weiteren „kulturdiplomatischen“ Zielen in Berlin: Er würde gerne die Eröffnung eines offiziellen ukrainischen Hauses sehen, einer ukrainischen Europaschule auch. Aber es sei erst einmal erfreulich, so Makeiev, dass mehr Menschen durch die Etablierung des Institutsbüros in Berlin mitbekommen werden, „wie cool die Ukraine ist“.

Das Eröffnungsprogramm: Das Publikum lernt die Arbeit ukrainischer Komponisten und Schriftsteller kennen.
Das Eröffnungsprogramm: Das Publikum lernt die Arbeit ukrainischer Komponisten und Schriftsteller kennen.Ukrainian Institute/Lisa Vlasenko

Nach den Grußworten sollte das weitere Kulturprogramm des Abends einen Vorgeschmack von dem geben, was von der Arbeit der neuen Auslandsrepräsentanz erwartet werden kann. Es gibt eine Ausstellung von Kriegsplakaten, die von jungen ukrainischen Künstlern entworfen wurden, im Hintergrund pulsieren Elektro-Beats der ukrainischen Musikerin Maryana Klochko. Die VR-Dokumentation „You Destroy. We Create.“ (dt.: Ihr zerstört. Wir erschaffen.) zeigt auch die Schäden, die der russische Angriffskrieg an ukrainischen Kulturhäusern angerichtet hat, sowie die Menschen, die sich für deren Schutz engagieren. Mittels einer VR-Brille befindet man sich in den durchwühlten oder ausgebrannten Museen und Galerien in Städten wie Odessa und Charkiw.

Das Institut möchte durch die neue Repräsentanz auch ukrainische Kulturgüter vorstellen, die nicht unbedingt im Kontext des Krieges entstanden sind, so Volodymyr Sheiko – doch dass so viele zeitgenössische Werke jetzt untrennbar vom Kriegsalltag sind, sei eine traurige Realität. Neben den Bandura-Spielern und dem Blechbläserquintett trugen zum Auftakt der Eröffnung drei Schauspieler Werke junger ukrainischer Autoren vor, die nach der russischen Großinvasion der Ukraine verfasst wurden.

Zwischen zwei Texten spielt das Quintett einen Choral der ukrainischen Komponistin Anna Havrylets; die Musik ist klagend und trauervoll. Während die Musiker spielen, erscheint auf der Leinwand über ihren Köpfen ein kurzer Text, der dem Publikum erklärt, wie die 63-jährige Havrylets am 27. Februar 2022 in ihrer Kiewer Wohnung an einem Herzinfarkt starb. Es war der vierte Tag des Angriffskrieges, die Stadt wurde von russischen Drohnen attackiert.