Es gab ein Unentschieden. Zwischen den Berliner Hausärzten, die künftig nicht mehr darauf bestehen, dass ihre Patienten eine Maske zum Schutz vor Corona tragen. Und denjenigen, die bei Bedarf von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. „Wir haben dazu eine Umfrage gestartet“, sagt Wolfgang Kreischer, der Vorsitzende des Hausärzteverbands Berlin und Brandenburg. „Rund 50 Prozent werden darauf verzichten, dass Masken benutzt werden müssen. Der Rest findet pragmatische Lösungen.“
An diesem Sonnabend treten die letzten Corona-Vorschriften außer Kraft. Per Gesetz ist künftig niemand mehr dazu verpflichtet, in Praxen, Kliniken und Pflegeheimen eine Maske zu tragen. Es greift das Prinzip der Freiwilligkeit. Damit endet die Pandemie auch juristisch.
Kreischer selbst betreibt eine Praxis in Zehlendorf und gehört zu den 50 Prozent, die auch weiterhin eine Mund-Nasen-Bedeckung empfehlen. „Wenn jemand nur ein Rezept am Empfang abholen will, braucht er natürlich keine Maske, aber bei Symptomen einer Erkältung bestehen wir darauf“, sagt der Mediziner, der sich darauf einstellt, dass seine Mitarbeiterinnen ab Dienstag gelegentlich mit Patienten diskutieren müssen. „Das wird sich nicht vermeiden lassen.“
Vermeiden ließen sich dagegen überfüllte Wartezimmer, vor allem in Phasen mit einem verstärkten Infektionsgeschehen, mit vielen Fällen von Covid-19, Grippe und Erkältungen, sagt der Berliner Hausärztechef. Er fordert im Namen seines Verbands vom Gesetzgeber, dass sich Patienten weiterhin per Telefon krankschreiben lassen können. Auch diese Regelung ist inzwischen ausgelaufen. „Die Praxen sind unnötig voll“, sagt Kreischer. Wenn die geschilderten Symptome eine Diagnose zuließen, meint er, „sollte eine telefonische AU möglich sein. Man benötigt keinen zusätzlichen technischen Aufwand wie eine Videosprechstunde.“
Corona-Impfung: Patient muss die Kosten vorstrecken
Wünschen würden sich die Hausärzte der Stadt zudem ein vereinfachtes Prozedere, um künftig Impfungen gegen Corona mit den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. „In Berlin steht der Modus noch nicht endgültig fest“, sagt Kreischer. „Wir müssen derzeit eine Impfung nach der Gebührenordnung für Privatversicherte in Rechnung stellen.“ Die Patienten erklären sich schriftlich damit einverstanden, die Summe vorzustrecken und anschließend bei ihrer Kasse geltend zu machen.
„Anderswo in Deutschland, in Bayern oder Schleswig-Holstein, hat man sich auf Verfahren geeinigt, die für alle Beteiligten einigermaßen passabel sind“, sagt Kreischer. In Berlin steht eine solche Einigung zwischen Kassen und Kassenärzten noch aus.
Ob gesetzlich Krankenversicherte überhaupt Anspruch auf eine Covid-Impfung haben, regelt von jetzt an eine allgemeine Richtlinie, die sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (Stiko) orientiert. Die stellt inzwischen eine Infektion mit dem Coronavirus einer Schutzimpfung gleich. „Wir nennen beides ein immunologisches Ereignis“, hat das Berliner Stiko-Mitglied Martin Terhardt dem RBB gesagt. Einen Booster hält sein Ärztegremium unter bestimmten Bedingungen für unnötig. Nämlich bei Erwachsenen unter 60 Jahren und Menschen ohne chronische Vorerkrankungen nach drei, bei über 60-Jährigen und Vorerkrankten nach vier solchen Ereignissen.
„Wir beraten darüber, ob es eine regelmäßige Auffrischungsimpfung im Herbst gibt“, sagt Terhardt, „aber eine Entscheidung dazu ist noch nicht gefallen.“ Seit Monaten werden Corona-Vakzine kaum noch nachgefragt. Das geht aus der Statistik des Bundesgesundheitsministeriums für Berlin hervor. Nach dem Jahreswechsel 2021/2022 flachte die Kurve stark ab. Dreimal geimpft sind in der Hauptstadt bislang 68,3 Prozent der Erwachsenen, jenseits der 60 liegt die Quote sogar bei 91,2 Prozent.
Paxlovid: Ab jetzt zahlt die Krankenkasse
Die Impfzentren sind längst geschlossen. Viele Praxen bieten keine Covid-Immunisierung mehr an. Der Aufwand ist groß, das Interesse der Patienten gering, die Zahl der Infektionen rückläufig. Zwar taugt die Inzidenz nicht mehr als Indikator, weil immer weniger auf Sars-Cov-2 getestet wird. Doch im Berliner Abwasser ging die Belastung allein in der vergangenen Woche um mehr als 22 Prozent zurück. Und auch die schweren Krankheitsverläufe werden seltener. Die Intensivstationen verzeichnen eine anhaltend sinkende Tendenz.
Ungeachtet dessen können Patienten mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen nach einer Infektion auch über den 8. April hinaus das antivirale Medikament Paxlovid verschrieben bekommen. Seit dem Wochenende übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Bisher kam das Bundesamt für Soziales dafür auf.
Normalität kehrt ein. „Es besteht kein Grund zur Panik“, sagt Hausarzt Kreischer. Auch wenn er damit rechnet, dass nach den Osterferien wieder mehr Patienten mit Corona in seiner Praxis vorstellig werden, weil über die Feiertage und in den Ferien die Kontakte und damit die Möglichkeit der Ansteckung zunehmen. Die Menschen haben offensichtlich gelernt, mit dem Virus zu leben. Viele haben dabei allerdings das, was sie zum Schutz vor dem Virus erlernt haben, schon wieder vergessen.




