Für & Wider

Eine Polizeiwache am Kottbusser Tor wäre Schaufensterpolitik

Alle wollen mehr Sicherheit auf Berlins Straßen. Aber die gibt es nur durch uniformierte und zivile Präsenz von Polizisten.

Am Kottbusser Tor in Kreuzberg soll eine Polizeiwache entstehen.
Am Kottbusser Tor in Kreuzberg soll eine Polizeiwache entstehen.Sebastian Wells/OSTKREUZ

Das Kottbusser Tor: Fast täglich gibt es hier Schlägereien, Diebstähle und Raubüberfälle. Erst kürzlich wurde unter der Bahntrasse das Zelt eines Obdachlosen angezündet. Allein im letzten Quartal vergangenen Jahres erfasste die Polizei hier 2309 Straftaten, wie diese Zeitung in der vergangenen Woche berichtete.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat nun angekündigt, „Nägel mit Köpfen“ zu machen und dort eine Polizeiwache einzurichten, die rund um die Uhr besetzt ist. Spranger entspricht damit den Festlegungen des Koalitionsvertrags.

Rettet den Kotti! Her mit der Polizei!

Von Maritta Adam-Tkalec

22.01.2022

Nur: Eine Polizeiwache allein wird es nicht richten. Gern wird als Argument auf die Wache am Alexanderplatz verwiesen. Tatsächlich sind dort die Straftaten seit 2017 gesunken, als die Polizei hier massiv auffuhr, eine Ermittlungsgruppe Alex gründete und die Staatsanwaltschaft einen extra Ermittler abstellte.

Doch wie aus einer polizeiinternen Dokumentation hervorgeht, steht der Alexanderplatz als einer von sieben „kriminalitätsbelasteten Orten“ noch immer an oberster Stelle. Bei einfachen, schweren und gefährlichen Körperverletzungen zum Beispiel: Im letzten Quartal 2019 lagen sie noch bei 666, im selben Zeitraum des Folgejahres bei 551, im Quartal des vergangenen Jahres jedoch schon wieder bei 622. Ähnlich sieht es bei Raub aus: 54, 49 und 60 erfasste Delikte in den jeweiligen Quartalen.

Das mehr als eine Million Euro teure Polizeihäuschen zwischen Klo und Weltzeituhr, das Ende 2017 eröffnet wurde, mag ein besseres Sicherheitsgefühl vermitteln. Die Innensenatorin hat recht, wenn sie sagt, dass sich die Wache als „zentrale, sichtbare Anlaufstelle für Opfer von Straftaten“ bewährt habe. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit, dass auch hier – zwischen Primark und Neptunbrunnen – die Polizei mit Streifen- und Mannschaftswagen sichtbar sein muss. Fast 31.700 „Einsatzkräftestunden“ leistete sie hier im vergangenen Jahr, rund 6600 weniger als noch 2020, woraus man eine gewisse Korrelation zum erneuten Anstieg der Delikte 2021 herauslesen kann.

Die Wache wäre eine Anlaufstelle für Leute, die nach dem Weg fragen

Sicherheit gibt es eben nur durch uniformierte und zivile Präsenz von Polizisten. Am Kottbusser Tor ist diese verstärkt worden, was sich an den im vergangenen Jahr gestiegenen Rauschgift- und aufenthaltsrechtlichen Delikten zeigt, die nur aufgedeckt werden, wenn kontrolliert wird. 2021 verdoppelte die Polizei hier ihre „Dienstkräftestunden“ und Identitätsfeststellungen gegenüber dem Vorjahr.

Eine Wache am Kottbusser Tor, das wären zunächst einmal gemietete Räume. Ein Neubau ließe sich nur schwer umsetzen. Mindestens 300 Quadratmeter Fläche wären dafür aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei nötig. Mindestens 65 Beamte müssten dafür aus anderen Dienststellen abgezogen werden, die dann andernorts fehlen. Die Kotti-Wache wäre nur eine „Anlaufstelle“, um beim Vokabular der Senatorin zu bleiben, für Leute, die nach dem Weg fragen oder eine Straftat melden.

Es gibt noch ein weiteres Phänomen, das auch beim Kotti eine Rolle spielen könnte: die Verdrängung der Kriminalität. Die Dealer werden sich einfach ein paar Straßen weiter breit machen. Das zeigte sich schon beim Görlitzer Park, der unter einem CDU-Senator eine „Null-Toleranz-Zone“ war. Plötzlich war der benachbarte Wrangelkiez Kriminalitätsschwerpunkt. Ähnlich ist es am Alexanderplatz – wo die Kriminellen an andere Orte abwanderten.

Um die Kriminalität am Kottbusser Tor zu bekämpfen, braucht es die Weiterentwicklung des ganzheitlichen Ansatzes aus Polizei- und Sozialarbeit sowie Kommunikation mit den Anliegern, wie er ja bereits besteht. Es braucht Bekämpfung der Armut, die Kriminalität mit begünstigt. Und es braucht härteres Durchgreifen der Polizei. Doch bei vielem hat Rot-Grün-Rot ihr die Hände gebunden. Die von der Innensenatorin angekündigte Videoüberwachung ist fast bis zur Unmöglichkeit reglementiert. Und wenn Polizisten künftig einen Quittungsblock bei sich tragen sollen, um Kontrollierten die Kontrolle zu bestätigen, zeigt das, wie absurd es in Berlin zugehen kann. Von daher wirkt die Ankündigung einer Wache am Kotti wie Schaufensterpolitik. 


Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.