So einfach ist das. Handy zücken, App nutzen – und wenn alles klappt, hält nach wenigen Minuten in der Nähe ein Fahrzeug, das einen zum U- oder S-Bahnhof bringt. Kommt wie gerufen: So werben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für ihr jüngstes Produkt, den Rufbus, der im Sommer im Osten der Stadt an den Start gehen soll. Wie berichtet steht nun fest, wer dieses und ein anderes neues BVG-Angebot betreibt: Die Firma Via, die zusammen mit Daimler in Berlin unter anderem schon für den Berlkönig verantwortlich ist, hat die Ausschreibung gewonnen. Was können die Fahrgäste konkret erwarten? Ist schon etwas zu den Fahrpreisen bekannt? Was kommt als Nächstes?
Sie sind Konkurrenz fürs Taxi und fürs Auto, sie sollen das Nahverkehrsangebot ergänzen – und sie verkehren on demand, also nach Bedarf. Mithilfe einer App, die es noch nicht gibt, und des Callcenters der BVG kann man künftig Fahrzeuge rufen, die Platz für bis zu acht Fahrgäste bieten. Ein Haus-zu-Haus-Service ist nicht geplant, doch es wird viele Hundert virtuelle Haltestellen geben, an denen man ein- und aussteigen kann. Ein Ziel könnte der nächste Bahnhof sein, aber auch Touren innerhalb des Bediengebietes direkt zum Ziel sind denkbar. Ein Computer berechnet die Route und achtet darauf, dass sich möglichst mehrere Fahrgäste einen Wagen teilen – Ridepooling ist das Zauberwort. Der Berlkönig im Osten Berlins, dessen Genehmigung im September endet, und Fahrdienste in anderen Städten funktionieren bereits nach diesem Prinzip.
Ohne Aufpreis nach Mahlsdorf-Süd oder in den Osten von Karlshorst
Der BVG-Rufbus, so der Arbeitstitel, soll in einem mehr als 60 Quadratkilometer großen Bereich im Osten Berlins im Einsatz sein – voraussichtlich ab Ende Juli. Rummelsburg, Friedrichsfelde, Karlshorst, Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf, Oberschöneweide: Diese Berliner Stadtteile reichen ganz oder teilweise in das Bediengebiet hinein, das sich zwischen dem Ostkreuz und der Stadtgrenze erstreckt und auf dem Plan wie ein Tortenstück aussieht. Von einem Fahrbetrieb rund um die Uhr ist die Rede.
Aber wie viel kostet der Spaß? Jede Person, die den Rufbus nutzen möchte, muss ein gültiges Ticket mitbringen. „Je nach Buchung kommt ein Aufpreis dazu“, erklärt BVG-Sprecher Markus Falkner. Dem Vernehmen nach ist er nicht zu zahlen, wenn die Tour zwischen einem Gebiet, das mit Nahverkehr unterversorgt ist, und einer regulären Haltestelle stattfindet. Beispiele für solche Gebiete sind Mahlsdorf-Süd oder der Osten von Karlshorst, nachts kommt unter anderem Biesdorf-Süd dazu. Wird dagegen ein größerer Umsteigepunkt angesteuert oder handelt es sich um eine Direktfahrt, muss ein Zuschlag gezahlt werden – digital oder per BVG-Guthabenkarte.
Sonderpreisaktionen, um Kunden zu locken
„Da die Tarifgespräche noch nicht abgeschlossen sind, können wir über die exakte Höhe der Zuschläge noch keine finalen Aussagen treffen“, so Falkner. Bisher hieß es, dass pro Fahrt 1,50 Euro Aufpreis zu zahlen sind. Wenn jemand weitere Fahrgäste mitbucht, sollen für sie jeweils 50 Cent fällig werden – ein Rabatt, der dazu beitragen soll, die Fahrzeuge auszulasten. Wer einen Schwerbehindertenausweis hat, fährt gratis. „Sonderpreisaktionen sind angedacht, immer unter der Prämisse, dass sie allen Kundinnen- und Kundengruppen gleichermaßen zur Verfügung stehen“, so Falkner.
Die Einnahmen gehen an die BVG, der Fahrzeugbetreiber wird von dem Landesunternehmen separat entgolten. Nach Informationen der Berliner Zeitung ging die bisherige Kalkulation davon aus, dass sich die Zahlungen der BVG für den Rufbus bis zum Vertragsende Ende 2025 auf bis zu knapp zehn Millionen Euro summieren werden. Schließlich muss der Fahrzeugbetreiber das Fahrpersonal anstellen und viel Geld investieren. Wie berichtet sind die Anforderungen an die Wagen recht hoch.
Erst mal auch mit Verbrennerfahrzeugen
„Das Angebot ist barrierefrei“, bekräftigt BVG-Sprecher Falkner. Das bedeutet zum Beispiel, das in einem Teil der Flotte in den Wagen Platz für einen Rollstuhl (auch elektrisch) oder für einen Kinderwagen oder für einen Rollator sein muss. Das Ziel, auf Verbrenner ganz zu verzichten und ausschließlich E-Autos einzusetzen, ließe vorerst nicht erreichen, bedauert Falkner. „Die von uns geforderten barrierefreien Fahrzeuge sind batterieelektrisch angetrieben bisher nicht verfügbar. Nach Möglichkeit wird ab Verfügbarkeit im Markt die Umstellung auf eine gesamte batterieelektrisch angetriebene Flotte geprüft.“
Der Vertrag umfasst ein weiteres Angebot, für das ebenfalls vorerst nur ein Arbeitstitel existiert: alternative barrierefreie Beförderung, kurz ABB. „Es schafft für Fahrgäste, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, eine Mobilitätsgarantie“, verspricht die BVG. Dieser Fahrdienst kommt zum Einsatz, wenn ein Aufzug in einem Bahnhof defekt ist oder wo Bahnsteige nicht stufenfrei erreichbar sind. Die Zielauswahl ist allerdings sehr eingeschränkt: Die Vans bringen die Fahrgäste ausschließlich zur nächsten barrierefreien Station, auf der es eine Rampe gibt oder wo der Fahrstuhl funktioniert.
Nicht nur Menschen mit Mobilitätseinschränkungen dürfen sie nutzen – zum Beispiel auch Senioren, Reisende mit schwerem Gepäck, Eltern mit Kinderwagen oder Schwangere. Allerdings geht es ebenfalls im dritten Quartal 2022 erst einmal mit einem Pilotprojekt los, das sich auf einen Teil des Verkehrsnetzes beschränkt. Einbezogen sind die Stationen der U-Bahn-Linie U8 (ohne den DB-Teil des Bahnhofs Gesundbrunnen) sowie der U5 zwischen Tierpark und Frankfurter Allee. Auch der S-Bahnhof Marienfelde wird einbezogen. Ab Januar 2024 soll das Angebot auf ganz Berlin ausgeweitet werden.
Werden Nachtbusse in Zukunft durch Rufbusse ersetzt?
Auch für die ABB ist ein gültiges Ticket erforderlich, ein Zuschlag wird aber nicht erhoben, hieß es. Die Betriebszeiten sind ebenfalls anders als beim geplanten Rufbus: Solange U- und S-Bahnen verkehren, soll auch dieser neue Fahrdienst zur Verfügung stehen, vom frühen Morgen bis in die Nacht, am Wochenende sogar rund um die Uhr.
Ridepooling-Dienste, die auf Wunsch verkehren, gelten als effiziente und fahrgastfreundliche Alternativen zum herkömmlichen Nahverkehr. Das gilt gerade in der Nacht, wenn viele Busse und Bahnen leer oder fast leer verkehren. So stellen Beobachter die Frage, ob Rufbusse perspektivisch schwach ausgelastete Nachtbuslinien ersetzen könnten – etwa den N91 in Marzahn-Hellersdorf.
„Die Möglichkeiten eines On-Demand-Angebots werden von der BVG genau betrachtet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bedürfnisse der Fahrgäste“, sagte Unternehmenssprecher Markus Falkner. „Ob der Rufbus perspektivisch dazu dienen kann, Linien sinnvoll zu ergänzen oder auch in Teilabschnitten zu ersetzen, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verbindlich sagen. Zum Betriebsstart ist das nicht vorgesehen. Das Nachtlinienangebot bleibt also unverändert.“




