Landgericht Berlin

Polizist weint vor Gericht: Er überlebte Kettensägen-Angriff, seine Freundin starb

Tödlicher Angriff mit Kettensäge und Machete in Berlin: Jetzt spricht der Nachbar, der sich dem Angreifer entgegenstellte.

Kristof M. (35) muss sich wegen Totschlags und versuchten Mordes verantworten.
Kristof M. (35) muss sich wegen Totschlags und versuchten Mordes verantworten.Katrin Bischoff/Berliner Zeitung

Michael K. ist ein großer, kräftiger Mann. Er ist 53 Jahre alt und Polizist. Die Narbe in seinem Gesicht ist noch sichtbar. Die linke Hand kann er nicht mehr richtig bewegen, der Daumen fehlt. Auf die Feststellung des Vorsitzenden Richters an diesem Donnerstag, er wisse, worum es gehe, reagiert er noch mit einem lauten Jawoll. Doch schon kurz darauf, als er schildern soll, was geschehen ist, verliert er die Fassung. Immer wieder bleibt ihm die Stimme weg, fängt er heftig an zu atmen und zu weinen.

Der Zeuge, das merkt jeder im Saal, ist ein gebrochener Mann. Er hat den mutmaßlichen Kettensägen-Angriff seines Nachbarn Kristof M. in Lichtenberg Anfang dieses Jahres nur knapp überlebt, konnte jedoch – schon schwer verletzt – seiner Freundin nicht mehr helfen. Die 52-Jährige wurde mit einer Machete getötet. Kristof M. ist in diesem Prozess Beschuldigter. Ihm wird Totschlag und versuchter Mord vorgeworfen. Regungslos und den Blick starr auf den Zeugen gerichtet, hört sich der 35-Jährige die Aussage an.

Kristof M. lebte seit Jahren in der Einzimmerwohnung in der vierten Etage eines Zehngeschossers im Lichtenberger Ortsteil Fennpfuhl, die gleich neben der Wohnung von Diana G. und Michael K. lag. In der Nacht zum 6. Januar soll er gegen 2.20 Uhr im Zustand der Schuldunfähigkeit mit einer Kettensäge, einer Machete und drei Messern bewaffnet in die Wohnung seiner Nachbarn eingedrungen sein, Diana G. getötet und Michael K. lebensgefährlich verletzt haben. Laut Anklage leidet er an einer paranoiden Schizophrenie.

Sie seien aufgewacht, weil jemand mit einer Kettensäge versucht habe, in die Wohnung zu gelangen, erinnert sich Michael K. an die Tatnacht. Das Türblatt sei bereits durchsägt gewesen – auf einer Länge von etwa einem Meter. Er habe seiner Freundin gesagt, sie solle die Polizei anrufen, was sie auch getan habe.

Dann öffnete Michael M. die Tür, um mit dem Angreifer zu reden. Kristof M. stand mit laufender Säge vor ihm. Er habe ihm gesagt, dass er Polizist sei und er für eine Unterhaltung die Kettensäge ausstellen müsse. „Er ist darauf auch eingegangen“, erinnert sich der Zeuge.

„Scheiß Weiber. Die müssen alle umgebracht werden“, soll Kristof M. geschrien haben. Doch es sah nach den Worten des Zeugen auch danach aus, als würde er sich beruhigen. Bis sich ein anderer Hausbewohner „von oben oder unten“ lauthals über den Lärm beschwert habe. „Da ist er ausgetickt“, sagt Michael K.

„Ich habe gekämpft“, beteuert der Polizist. Dabei sei er von dem Nachbarn mit der Säge im Gesicht und am Arm verletzt worden. Schließlich konnte er den Angreifer wegstoßen, dabei griff er offenbar in die Sägekette. Doch wegen seines großen Blutverlusts wurde Michael K. immer schwächer. Kristof M. schob ihn zur Seite, ging in die Wohnung – zu Diana G. Er habe seine Freundin noch schreien hören. „Dann war Ruhe“, sagt Michael K. weinend.

Diana G. sei wahrscheinlich mit einer Machete getötet worden, sagt der Rechtsmediziner Edwin Ehrlich. Der Angriff sei mit großer Wucht erfolgt. Das Tatwerkzeug drang dreimal durch den gesamten Oberkörper, durchtrennte selbst Rippen und verletzte die Lunge. An den Armen hatte Diana G. tiefe Schnittwunden. „Sie hatte versucht, sich mit beiden Händen zu schützen.“

Dem Angriff vorausgegangen war kein Streit. Jedoch soll Kristof M. schon Monate zuvor Diana G. einmal gedroht haben, dass ihr noch etwas passieren werde. Nach seiner Festnahme soll er behauptet haben: „Das haben sie verdient. Sie sind schuld.“ Und: „Die haben auf mich geschossen.“

Kristof M. fühlte sich offenbar verfolgt. Seine Verteidigerin hatte zu Prozessbeginn von der riesigen Angst ihres Mandanten gesprochen, selbst getötet zu werden. Der Beschuldigte sitzt seit dem Angriff in einer Klinik für psychisch kranke Straftäter.