Crime

Wer erschoss Burak Bektaş? Wollten die Berliner Behörden nicht sauber ermitteln?

Vor 10 Jahren wurde Burak Bektaş in Berlin ermordet.  Angehörige glauben an ein rassistisches Motiv, werfen den Fahndern Fehler vor. Haben die Behörden versagt?

Die Skulptur erinnert an den ermordeten Burak Bektaş. Dort findet am Sonntag eine Gedenkveranstaltung statt.
Die Skulptur erinnert an den ermordeten Burak Bektaş. Dort findet am Sonntag eine Gedenkveranstaltung statt.Tina Eichner

Der kalte Wind pfeift ordentlich auf diesem Platz zwischen Möwenweg, Rudower Straße und Laubsängerweg im Neuköllner Ortsteil Buckow. Aber es sind nicht die Böen, die der Frau in Jeans und schwarzem Mantel an diesem ersten Mittwoch im April die Tränen in die Augen treiben. Melek Bektaş weint, und immer wieder dreht sie sich weg, um sich verstohlen die Wangen zu trocknen. Doch sie will reden, an diesem Ort. „Hier ist es schön, aber hier tut es auch besonders weh“, sagt sie leise. Sie würde viel dafür geben, wenn es diesen Platz nicht gebe, dieses Denkmal, das dort steht und das ihrem Sohn gewidmet ist.

Ihr Junge ist tot. Vor genau zehn Jahren wurde Burak, der Sohn, ganz in der Nähe erschossen. Zwei Monate zuvor war er 22 Jahre alt geworden. Sein Mörder läuft noch immer frei herum. Und bis heute erregt dieses unaufgeklärte Verbrechen die Gemüter, werfen Angehörige und Freunde von Burak den Ermittlern vor, versagt zu haben und auf dem rechten Auge blind zu sein. Auch Melek Bektaş.

„Es ist schwer“, sagt sie und meint das Starksein

Buraks Mutter versucht ein vorsichtiges Lächeln, das trauriger wirkt als die Tränen. Sie müsse stark sein, sagt sie dann. Für ihre Familie, ihre zwei anderen Kinder, Buraks jüngere Geschwister, die längst erwachsen sind. „Es ist schwer“, sagt sie und meint das Starksein. So schwer wie am ersten Tag, als Melek Bektaş erfuhr, dass ihr Sohn, der ihr immer ein Lächeln ins Gesicht zaubern wollte, nie wieder zurückkehren würde. „Es ist egal, ob es gestern war oder vor zwei oder zehn Jahren“, fügt die 53-Jährige hinzu. Der Schmerz sitzt noch immer tief. Die Zeit hat daran nichts geändert. Im Gegenteil, sie drückt den Schmerz immer tiefer in ihr Herz und in ihre Familie, in der die Fröhlichkeit Vergangenheit ist.

Wenige Meter weiter, hinter der Bushaltestelle an der vielbefahrenen Rudower Straße, erinnert eine rote Rose an genau den Ort, an dem Burak der tödliche Schuss traf. Neben der Rose liegt das ausgewaschene Basecap, das der junge Mann immer trug und das deshalb als stilisiertes Symbol auf seinem Grabstein eingemeißelt wurde und auf jedem Plakat zu finden ist, das zum Gedenken an Burak Bektaş aufruft. Jahr für Jahr.

Burak trug das Basecap auch in der Nacht zum 5. April 2012. Seine Mutter erinnert sich, dass ihr Sohn am Abend vom Fitnesstraining nach Hause gekommen war – um dann noch einmal loszuziehen. Am nächsten Morgen musste er früh raus, er war im Praktikum, machte eine Ausbildung zum Autoverkäufer. Burak liebte Autos von Kindheit an. Er brauchte aber, so erzählt es Melek Bektaş, kein hochmotorisiertes Fahrzeug. Ihm genügte sein Kleinwagen.

Der Gedenkort für Burak Bektaş wurde gerade gepflastert, deswegen steht noch ein Bauzaun um das Gelände.
Der Gedenkort für Burak Bektaş wurde gerade gepflastert, deswegen steht noch ein Bauzaun um das Gelände.Tina Eichner

Wortlos schoss der fremde Mann fünfmal auf die Gruppe

„Mama, ich komm bald nach Hause“, waren seine letzten Worte an seine Mutter. Melek Bektaş wiederholt diesen Satz immer wieder, fast mantramäßig. Als könne sie damit ihren Jungen wieder lebendig machen. Dann füllen sich ihre Augen erneut mit Tränen und sie sagt: „Er kam nicht nach Hause. Nie mehr.“

Burak Bektaş hatte sich mit Freunden getroffen, den Abend verbrachten die fünf jungen Männer, die zwischen 16 und 22 Jahre alt waren und alle einen Migrationshintergrund hatten, in einer nahen Grünanlage am Laubsängerweg. Sie waren jung, wollten quatschen, etwas trinken. Drei Stunden waren sie zusammen, dann liefen sie zur Rudower Straße, weil zwei von ihnen den Nachtbus für den Heimweg nehmen wollten.

Um 1.15 Uhr, so ergaben die Ermittlungen, standen sie nahe der Bushaltestelle gegenüber vom Krankenhaus Neukölln. Burak hätte es nicht weit bis nach Hause gehabt. Das Reihenhaus der Familie Bektaş liegt fünf Gehminuten von der Haltestelle entfernt.

Für Burak Bektaş kam jede Hilfe zu spät

Die Freunde waren dabei, sich zu verabschieden, als ein unbekannter Mann auf die Gruppe zusteuerte. „Was will der denn?“, soll einer von Buraks Freunden noch gefragt haben. Der Fremde zog einen Revolver, Kaliber 38, und schoss fünfmal auf die jungen Männer. Zuerst wurde vermutlich Alex A. getroffen, 16 Jahre alt. Dann brach Buraks Freund Jamal zusammen, 17 Jahre alt. Beide wurden im Bauch getroffen. Sie konnten durch Notoperationen gerettet werden. Zuletzt traf ein Projektil Burak Bektaş. Er erlitt einen Lungendurchschuss. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Er starb im Krankenhaus. Zwei aus der Gruppe blieben unverletzt.

Der Schütze verlor kein Wort, weder bevor er schoss, noch während er abdrückte. Dann verließ er mit der Waffe den Tatort, ebenfalls wortlos. Alles ging so schnell, dass weder die verletzten noch die unversehrt gebliebenen Freunde von Burak eine brauchbare Beschreibung des Täters abgeben konnten: Ein 40 bis 50 Jahre alter „weißer“ Mann sei es gewesen. Er trug ein Basecap und eine Kapuze.

Dass etwas Schreckliches geschehen war, erfuhr Buraks Mutter erst am nächsten Morgen – aber nicht von der Polizei. Um 6 Uhr seien sie geweckt worden, als es an der Haustür geklingelt habe, erinnert sie sich. Vor der Tür stand der Bruder von Buraks Freund Jamal. „Er sagte, wir sollten zur Polizei gehen“, erzählt die Mutter. Etwas Schlimmes sei geschehen.

Helga Seyb, Mitbegründerin von ReachOut, ist mittlerweile mit Buraks Mutter befreundet.
Helga Seyb, Mitbegründerin von ReachOut, ist mittlerweile mit Buraks Mutter befreundet.Tina Eichner

Bei der Polizei mussten Buraks Eltern warten, so erzählt es Melek Bektaş. Es sei viel Zeit vergangen, bis ihnen gesagt worden sei, dass Burak erschossen wurde. „Ich konnte das nicht glauben. Ich bin gegangen und habe im Krankenhaus nach meinem Sohn gefragt“, erinnert sie sich. Damals habe sie sich nicht getraut, die Handynummer ihres Sohnes zu wählen. Sie fürchtete sich vor dem Klingelton, der ungehört verhallen könnte, ohne dass Burak ans Telefon gegangen wäre. Und immer wieder hielt sie sich an den letzten Worten ihres Sohnes fest: „Mama, ich komm bald nach Hause.“

Die Ermittlungen verliefen schleppend. Drei Monate nach der Tat hielten die Fahnder in den Akten fest, dass die Aufklärung des Verbrechens mehr als schwierig werden würde. Doch wurde wirklich alles getan, um den Fall zu lösen? Wurde wirklich in alle Richtungen ermittelt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft immer wieder beteuerten und es auch heute noch tun? Wurde gründlich in Betracht gezogen, dass es sich um ein rassistisch motiviertes Verbrechen handeln könnte? Die Familie, ihre Anwälte und auch die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak, die sich nach dem Verbrechen gegründet hatte, werfen den Ermittlern vor, dieses Motiv nicht von Anfang an konsequent berücksichtigt zu haben.

Die Opfer waren nicht kriminell, es gab keinen Streit

„Klar wurde immer wieder gesagt, dass man alles getan habe“, sagt Helga Seyb. Sie hat Melek Bektaş an diesem böigen, nasskalten Vormittag zum Gedenkort für ihren Sohn begleitet. Die Frauen kennen sich seit dem Mord an Burak, mittlerweile sind sie Freundinnen. Helga Seyb arbeitet bei ReachOut, der Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, und sie ist Sprecherin der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak.

Die Initiative habe sich zur Aufgabe gemacht, Angehörige in ihrem Kampf um Aufklärung zu unterstützen, erklärt die 66-Jährige. In ihr sind antirassistische Gruppen ebenso vertreten wie Künstler und Leute aus der Nachbarschaft – es sind Menschen, die sich gegen Rassismus und rechte Gewalt im Süden von Neukölln engagieren. Es ist die Gegend, in der Neonazis eine Serie von Anschlägen auf Wohnhäuser und Autos von Menschen verübten, die sich gegen den Rechtsextremismus in ihrem Bezirk stark machen. Das Landeskriminalamt zählte zwischen Juni 2016 und März 2019 mehr als 70 solcher Straftaten, darunter mehr als ein Dutzend Brandanschläge.

Melek Bektaş zeigt Fotos ihres Sohnes, die sie in ihrem Handy gespeichert hat.
Melek Bektaş zeigt Fotos ihres Sohnes, die sie in ihrem Handy gespeichert hat.Tina Eichner

Für Helga Seyb steht fest, dass die Ermittler beim Mord an Burak einen rassistischen Hintergrund zu leichtfertig vom Tisch gewischt haben. „Es gibt in meinen Augen kein anderes Motiv“, sagt die resolute Frau, während sie Melek Bektaş aufmunternd zunickt. Dann zählt sie die Gründe für ihre Vermutung auf: Burak und seine Freunde seien in keine kriminellen Sachen verstrickt gewesen. „Es gab zuvor auch keinen Konflikt, keine Auseinandersetzung.“

Für die Initiative sieht es so aus, als wäre es die Tat eines Mannes gewesen, der in Neukölln „aufräumen“ wollte, der sich von den hier lebenden Menschen gestört fühlte. Offenbar so, wie Rolf Z. Sein Name fällt immer wieder, wenn es um rechtsextremistische Taten in Neukölln, um den Mord an Burak Bektaş geht. Auch Helga Seyb erwähnt ihn. Rolf Z. habe ein Verbrechen begangen, das erstaunliche Parallelen zu dem Tötungsdelikt an Burak aufweise, sagt sie.

Der arbeitslose Betonbauer Rolf Z. war am frühen Morgen des 20. September 2015 mit einer Schrotflinte bewaffnet vor einer Bar in der Neuköllner Ringbahnstraße aufgetaucht und hatte den 31-jährigen Briten Luke Holland erschossen. Das Gericht konnte ein fremdenfeindliches Tatmotiv nicht ausschließen.

Eine Spur führt zu Rolf Z., dem Mörder von Luke Holland

Die Eltern von Luke Holland zweifelten nicht daran, dass ihr Sohn einem Rassisten zum Opfer gefallen war. Luke Holland hatte gerade telefoniert und dabei Englisch gesprochen, als er ermordet wurde. Bei der Durchsuchung der Wohnung von Rolf Z. waren zudem zahlreiche NS-Devotionalien sichergestellt worden. Auch Luke Holland wurde völlig unvermittelt und aus nächster Nähe erschossen. Elf Jahre und sieben Monate Haft lautete das Urteil gegen den zur Tatzeit 62-Jährigen.

Die Eltern von Luke Holland hatten im Prozess gegen Rolf Z. den Ermittlern Versagen vorgeworfen. Denn schon nach dem Mord an Burak Bektaş im Jahr 2012 habe es Hinweise auf den Mann gegeben, sagten sie. Und wirklich: Sein Name tauchte damals in den Akten zum Mordfall Bektaş auf. Ein Pornokino-Inhaber hatte nach Buraks Tod zu Protokoll gegeben, dass Rolf Z. ihn einmal nach scharfer Munition gefragt habe.

Zudem hatte der Mann offenbar einen Bezug zum Tatort. Sein Bruder lebte ganz in der Nähe. Und der Zeuge gab an, dass er Z. einmal unweit des Neuköllner Krankenhauses abgesetzt habe. Er wolle im Keller seines Bruders Schießübungen absolvieren, habe Rolf Z. ihm erzählt. „All diesen Hinweisen sind die Ermittler damals nicht sorgfältig genug nachgegangen“, sagt Helga Seyb.

Der Begriff institutioneller Rassismus sei schon richtig

Das sieht auch Lukas Theune so. Er vertritt als Rechtsanwalt Buraks Familie. Die Ermittlungen in dem Mordfall seien lange Zeit lieblos und wenig verbissen geführt worden, sagt er. Auf die Frage, ob der Begriff des institutionellen Rassismus zutreffe, den einer seiner Kollegen im Zusammenhang mit der Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft benutzt hatte, antwortet er: „Der Begriff ist schon richtig.“ Es gehe dabei um die Wertigkeit des Opfers. „Die Frage ist, ob bei einem jungen Mann mit türkischen Wurzeln all das getan wurde, was auch bei einem Jungen aus Zehlendorf gemacht worden wäre.“

Nach Theunes Worten komme jetzt, nach so vielen Jahren, endlich Bewegung in die Ermittlungen. Eine neue Kriminalistin bearbeite den Fall, die „fleißig und motiviert ist und noch einmal sehr akribisch die Akten durchgeht“. So habe sich die Beamtin alle Videos aus der Umgebung des Tatortes angeschaut: aus Bussen, vom Krankenhaus, aus einer Spielothek. Es soll zudem eine Rasterfahndung geben, bei der Daten des Einwohnermeldeamtes von damals durchforstet, Umzüge recherchiert, Informationen aus Krankenhäusern aus der Tatnacht mit dem Inhalt der Akten abgeglichen werden. Und auch der Schützenverein in der Nähe des Tatortes wird unter die Lupe genommen.

An diesem Ort wurde der 22-jährige Burak erschossen.
An diesem Ort wurde der 22-jährige Burak erschossen.Tina Eichner

In den Fokus der Ermittlungen rückt nun auch Rolf Z. Er sei im Januar als Zeuge befragt worden, sagt Anwalt Theune. Die nun zuständige Kriminalistin habe sich auch die Waffen angeschaut, die man damals bei dem Mann gefunden habe. Theune sagt, dass ein Revolver von Z. „im Prinzip“ als Tatwaffe in Betracht käme – wenn sie nach dem Mord an Burak umgebaut worden wäre. Die vage Beschreibung der Überlebenden des Anschlags passe jedoch nicht zu dem Mann, der immer noch in Haft sitze. Buraks Freunde hätten sich Rolf Z. im Prozess angeschaut, in dem es um den Mord an Luke Holland gegangen sei. „Sie haben ihn als Täter eher ausgeschlossen“, sagt der Jurist.

Neukölln: Die Sprache der Straße

Von Antonia Groß

18.09.2021

Wer kommt dann infrage? Wenn man den Mord an Burak Bektaş analysiere, dann spreche alles für eine Nachahmertat des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Die rechtsextremistische Terrorvereinigung ist für zehn Morde und 43 Mordversuche verantwortlich. Der Anwalt begründet seinen Verdacht: Der Täter sei im Fall Burak Bektaş genau so vorgegangen wie der NSU. Er kam und schoss. Wortlos und ohne Spuren zu hinterlassen.

Auf eine Nachahmertat deutet aus Theunes Sicht auch die zeitliche Nähe zur Selbstenttarnung des NSU mit den Selbstmorden von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und der Festnahme von Beate Zschäpe. Das war im November 2011, also fünf Monate vor der Bluttat von Neukölln. Auch bei den Morden des NSU hatten die Ermittler bis zum Schluss ein fremdenfeindliches Motiv ausgeschlossen, waren die Täter im Umfeld der Opfer gesucht worden. Neun der von dem Trio ermordeten Menschen hatten einen Migrationshintergrund – wie Burak und seine Freunde.

Bei der Berliner Staatsanwaltschaft schließt man heute ein rechtsextremistisches Motiv nicht aus. Auch wenn es dafür keine Anknüpfungspunkte gebe, wie es heißt. Man habe jeden Stein umgedreht. Die Tat sei aus dem Nichts heraus geschehen, das mache die Aufklärung so schwer. Noch würden die Ermittlungen laufen.

Ein Untersuchungsausschuss soll die Pannen bei den Ermittlungen klären

Es ist wohl auch dem politischen Druck geschuldet, dass die Akten im Mordfall Burak Bektaş noch nicht geschlossen wurden. Und der Druck wird nun weiter erhöht. Am Donnerstag hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, einen Untersuchungsausschuss ins Leben zu rufen, der die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln und den Mord an Burak Bektaş aufarbeiten soll. Darauf hatten sich SPD, Grüne und Linke bereits in ihren Koalitionsverhandlungen verständigt.

Schon vor einem Jahr waren vom Senat eingesetzte Sonderermittler zu dem Schluss gekommen, dass es Fehler in den Ermittlungen gegeben habe. „Der Untersuchungsausschuss wird sicherlich nicht den Mord an Burak Bektaş aufklären. Das ist auch nicht seine Aufgabe“, sagt Theune. Er könne aber herausbekommen, warum dieses Verbrechen nicht aufgeklärt worden sei und Versäumnisse der Ermittlungsbehörden benennen. Für Theune besteht durchaus ein Zusammenhang zwischen der Serie der rechtsextremen Anschlägen in Neukölln und dem Mord an Burak Bektaş. In beiden Fällen habe es lange Zeit keine Ermittlungsergebnisse gegeben. „Das ist schon erstaunlich.“

Lukas Theune macht sich keine Illusionen. Selbst wenn der Untersuchungsausschuss die Pannen benenne, könnten Fehler nach so langer Zeit nicht wieder gutgemacht werden. Er habe aber noch die Hoffnung, dass der Mord an Burak Bektaş aufgeklärt werde. „Ich habe allerdings keine begründeten, konkreten Anhaltspunkte, dass das in nächster Zeit geschehen wird“, sagt er.

Das Plakat mit dem Aufruf zur Gedenkveranstaltung zeigt das rote Basecap, dass Burak so gerne trug.
Das Plakat mit dem Aufruf zur Gedenkveranstaltung zeigt das rote Basecap, dass Burak so gerne trug.Tina Eichner

Melek Bektaş steht ein wenig verloren auf dem Platz, der ihrem Sohn gewidmet ist. Am Sonntag wird sie wieder hier sein. Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş hat zu einer Kundgebung aufgerufen – anlässlich des zehnten Todestages von Burak. 200 Teilnehmer sind angemeldet. Melek Bektaş wird zu ihnen sprechen, darüber reden, dass die Zeit ihre Wunden nicht geheilt habe. Nun sagt sie, sie habe den Glauben daran, dass der Mörder ihres Sohnes doch noch gefasst wird, nie verlieren wollen. „Aber jetzt habe ich keine Hoffnung mehr.“

Nach dem Tod ihres Sohnes konnte Melek Bektaş nicht mehr arbeiten gehen. Sie war Altenpflegerin. „Ich habe die Menschen geliebt“, erzählt sie. Aber seit Buraks gewaltsamen Tod habe sie keine Kraft mehr. Dann erzählt sie, dass das Zimmer ihres Sohnes noch immer so aussieht wie an dem Tag vor zehn Jahren, als Burak es verlassen habe. Als würde sein letzter Satz an seine Mutter irgendwann in Erfüllung gehen: „Mama, ich komm bald nach Hause.“

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