Verkehr

Nach nächtlichem Kabelklau: Wie die kleine Bahn bei Berlin gerettet wurde

Arbeitseinsätze, Geldspenden und Brötchen machten es möglich. Weil viele halfen, kann in der Märkischen Schweiz die Museumsbahnsaison wieder beginnen. 

Startklar für die Fahrt durch die Märkische Schweiz: ein Triebwagenzug im Bahnhof Buckow.
Startklar für die Fahrt durch die Märkische Schweiz: ein Triebwagenzug im Bahnhof Buckow.Peter Neumann

Manche Spender konnten nur fünf Euro erübrigen. Andere überwiesen vierstellige Summen. Auszubildende reisten von weither an, um ehrenamtlich Arbeit zu leisten. Ein Bäcker aus der Region spendierte Brötchen zum Sonderpreis, damit die jungen Eisenbahner auch zu essen hatten. Uwe Richter vom Museumsbahnverein in Buckow östlich von Berlin kann von vielen solcher Beispiele erzählen. Weil sich so viele Menschen engagierten, gelang es in wenigen Wochen, die Folgen eines Kabeldiebstahls zu beseitigen. „Das ist richtig gut gelaufen“, lobte Richter am Wochenende.

„Wir danken allen Menschen, Unternehmen und Institutionen, die uns geholfen haben“, sagte er. Hilfe hatte der Verein, der in der Märkischen Schweiz seit 2002 eine 4,9 Kilometer lange Bahnstrecke mit historischen Fahrzeugen betreibt, auch wirklich nötig. Denn in der Nacht zum 19. Januar wurde er wieder einmal Opfer von Buntmetalldieben. Zwischen Waldsieversdorf und Dahmsdorf, wo die Strecke neben einem Asphaltweg einsam durch Wald verläuft, stahlen sie die elektrische Fahrleitung. Mehr als 500 Meter Kupferkabel wurden mitgenommen, Masten und andere Anlagenteile zerstört.

Der Start in die Saison schien in Gefahr zu sein. Dabei erzielt der Verein Museumsbahn Buckower Kleinbahn einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf. In der warmen Jahreszeit pendelt an Wochenenden ein Trieb- und Beiwagen der Baureihe 479/879 zwischen Müncheberg und Buckow (Märkische Schweiz). Im Anschluss an die Regionalbahn RB26 aus Berlin brachte die mit 600 Volt betriebene elektrische Bahn bislang siebenmal täglich Wanderer und andere Ausflügler in die Tourismusregion. „Allein im vergangenen Jahr hatten wir mehr als 11.000 Fahrgäste“, so Richter. Die Bahn ist mehr als ein Transportmittel, sie ist längst selbst ein Anziehungspunkt.

Unternehmen spendete neue Fahrleitungen, die DB schickte Auszubildende

Der Verein bat die Bahnfan-Szene um Hilfe. Spendenaufrufe wurden veröffentlicht – auch in der Berliner Zeitung. „Was die Medien geleistet haben, ist sehr wichtig für uns“, sagte Richter, der bei dem Verein für die Fahrleitung verantwortlich ist. Bald trafen die ersten Überweisungen ein. „Mal waren es 20 oder 50 Euro. Ein Spender gab 33,33 Euro. Dann kamen 2000 Euro, 3000 Euro“, berichtete Richter. Bei der S-Bahn Berlin wurde ebenso gesammelt wie in einem Müncheberger Nachbarschaftstreff – um nur zwei weitere Beispiele zu nennen. Nach und nach kamen insgesamt mehr als 30.000 Euro zusammen.

Nicht minder wichtig war der Beitrag von Menschen, die nicht mit Geld, sondern anders halfen. „Das Unternehmen SPL Powerlines, bei dem ich arbeite, steuerte nicht nur neue Kabel bei. Es spendete auch das andere Material, das für eine neue Fahrleitung erforderlich ist“, sagte das Vereinsmitglied. Um Kabel, Ketten und anderes zu montieren, reisten am 20. März Azubis der DB Bahnbau Gruppe aus Halle (Saale) an. Die jungen Leute von der Deutschen Bahn (DB) mieteten sich in einem Hotel in Müncheberg ein und gingen ans Werk, um die Lücke in der Fahrleitung fachgerecht zu schließen.

Mit Erfolg, wie Uwe Richter jetzt mitteilte. „Am Donnerstag konnten wir die letzten Arbeiten beenden“, so Richter. Als Prüfsachverständiger kontrollierte er die neue Fahrleitung, nachdem ein anderes Vereinsmitglied bereits das Gleis freigegeben und ebenfalls grünes Licht gegeben hatte. Elektrischer Betrieb ist nun wieder möglich.

Auch der Bäckermeister engagierte sich für den Verein

Aber auch in der Märkischen Schweiz war die Unterstützung groß, lobte Uwe Richter. So spendierte Bäcker René Berendt aus Buckow Brötchen zum Sonderpreis, damit sich die jungen Bahnbauer stärken konnten. Mitglieder des Museumsbahnvereins sorgten für den Pausenkaffee. Buckows Bürgermeister Thomas Mix (SPD) warb um Spenden und setzte sich mit der Polizei in Verbindung, die zusagte, den Asphaltweg an der Museumsbahnstrecke in ihre nächtlichen Kontrollfahrten einzubeziehen.

Vor Halloween gab es zusätzliche Fahrten. Ein geschmückter Zug der Museumsbahn unterwegs nach Müncheberg.
Vor Halloween gab es zusätzliche Fahrten. Ein geschmückter Zug der Museumsbahn unterwegs nach Müncheberg.Peter Neumann

Dem Saisonstart stehe nun technisch nichts mehr entgegen, sagte Vereinsmitglied Andreas Hauschild. „Am 29. April 2023 soll es wieder losgehen“, bekräftigte er. Eine der wenigen elektrischen Kleinbahnen in Europa kann wieder fahren. Es ist eine der letzten Bahnen dieser Art. 1897 war die Strecke eröffnet worden, zunächst als dampfgetriebene Schmalspurbahn. Seit 1930 konnte der Luftkurort Buckow auf Normalspur elektrisch erreicht werden. 1993 endete der elektrische Verkehr. 1998 bestellte das Land den verbliebenen Regionalbahnverkehr der Deutschen Bahn ab. Seit mehr als 20 Jahren wird die Strecke in der wald- und seenreichen Gegend ehrenamtlich betrieben.

Künstliche DNA und elektrische Vorrichtungen sollen Diebe abschrecken

Der Verein trifft Vorsorge, um künftige Kabeldiebe abzuschrecken. Dafür stünden wirkungsvolle Mittel zur Verfügung, erläuterte  Uwe Richter. So ist es möglich, die Leitung mit speziellem Lack zu markieren. Er enthält Metall- oder Kunststoffpartikel, die Angaben zum Eigentümer enthalten. Wird die künstliche DNA mit UV-Licht angestrahlt, leuchtet sie auf. So kann die Polizei zum Beispiel bei Buntmetall- und Schrotthändlern leicht feststellen, was legal erworben wurde – und was nicht.

Ein weiteres Mittel ist Spannungsüberwachung, so Richter weiter. Wenn sich jemand an der Fahrleitung zu schaffen macht, trifft eine Meldung ein – und es kann die Polizei verständigt werden. Auch diese elektrische Vorrichtung hat sich bewährt, so Richter. Geplant werde nun „in mehrere Richtungen“, bestätigte er. Damit eines klar ist: Kabeldiebstahl lohnt sich nicht.