Verkehr

Branche in Not: Berliner Taxifahrpreise sollen drastisch steigen

Die Tarife müssen mit der Zunahme des Mindestlohns Schritt halten, fordert das Taxigewerbe. Doch Fahrer befürchten, dass noch mehr Fahrgäste abwandern.

Ein Taxi auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Einst eine Ikone der Großstadt, ist dieser Teil des öffentlichen Verkehrs seit langem auf dem Rückzug. Die Zahl der Konzessionen sank unter 6000.
Ein Taxi auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Einst eine Ikone der Großstadt, ist dieser Teil des öffentlichen Verkehrs seit langem auf dem Rückzug. Die Zahl der Konzessionen sank unter 6000.imago/Stefan Zeitz

Berlin - Es ist ein Hilferuf. Der Anstieg des Mindestlohns setzt die Taxibranche weiter unter Druck, sagte der Berliner Taxiunternehmer Richard Leipold der Berliner Zeitung. Für die Taxibetreiber werde es immer schwieriger, legal zu arbeiten. Deshalb müssten nach mehr als zwei Jahren Tarifstabilität endlich wieder die Taxifahrpreise steigen – und zwar kräftig. Einem Antrag der Berliner Taxibranche an den Senat zufolge sollen sie im Schnitt um zwölf Prozent angehoben werden. Diskutiert werde eine weitere Erhöhung, hieß es im Gewerbe. Dann wären Taxifahrten künftig über ein Viertel teurer als heute.  

Klar ist bereits, dass für Taxifahrten vom BER nach Berlin ein Zuschlag berechnet wird.. Berlin und der Landkreis Dahme-Spreewald bereiten einen gemeinsamen Flughafentarif vor. Danach wird bald auch in Berliner Taxis eine Flughafengebühr von 1,50 Euro fällig. 

„In Berlin werden Taxiunternehmen zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben“, klagte Richard Leipold. „Die unfähige Verwaltung ist der eine Mühlstein, der stetig steigende gesetzliche Mindestlohn der andere.“ Als im September 2019 nach vier Jahren Pause die Berliner Taxitarife angehoben wurden, betrug der Mindestlohn 9,19 Euro brutto pro Stunde. Inzwischen ist er vier Mal gestiegen und beläuft sich seit Anfang Januar auf 9,82 Euro. Die nächste Erhöhung ist bereits beschlossen: Von Juli an müssen stündlich mindestens 10,45 Euro gezahlt werden. Die Ampelkoalition im Bund hat vereinbart, dass der Mindestlohn danach auf zwölf Euro steigt – im Oktober soll es so weit sein.

Kosten steigen auf breiter Front

„Mit dem derzeitigen Taxitarif sind die Taxiunternehmer schon jetzt nicht mehr in der Lage, den Mindestlohn zu zahlen“, sagte Richard Leipold. Die erneute Erhöhung in diesem Herbst wirft endgültig alle Kalkulationen über den Haufen. Nicht nur, dass der Mindestlohn im Vergleich zu 2019 um rund 30 Prozent angehoben wird: Auch die übrigen Kosten „steigen auf breiter Front“, machte der Berliner Taxibetreiber deutlich. Sprit, Versicherungen, Ersatzteile – alles wird teurer. „Bei einem durchschnittlichen Umsatz von rund zwölf Euro pro Stunde wird es immer schwerer zu überleben“, so Leipold. Er habe bereits schweren Herzens Fahrer entlassen müssen.

„Bei gleichbleibenden Taxitarifen und steigenden Mindestlöhnen bleiben Taxiunternehmern genau drei Möglichkeiten: Konkurs, Betrug oder Subvention“, stellen die Innung des Berliner Taxigewerbes, Taxi Deutschland Berlin sowie der Taxiverband Berlin, Brandenburg in ihrem gemeinsamen Tarifantrag an den Senat fest. Nach dem  Schreiben mit Datum vom 27. Oktober soll die Einschaltgebühr, die bei jeder Tour fällig wird, bei 3,90 Euro bleiben. Auch der Sechs-Euro-Tarif für Kurzstrecken soll nicht verändert werden. Doch die Kilometerpreise sollen zum 1. Februar deutlich steigen. Die Verbände beziffern die beantragte Erhöhung des Taxitarifs auf zwölf Prozent. 

Künftig soll eine 15-Kilometer-Fahrt fast 43 Euro kosten

Heute kosten die ersten sieben Kilometer 2,30 Euro pro Kilometer. Danach sinkt der Kilometertarif auf 1,65 Euro. Laut Antrag sollen für die ersten drei Kilometer künftig 2,90 Euro pro Kilometer fällig werden. Zwischen drei und sieben Kilometern sind 2,45 Euro vorgesehen. Ab sieben Kilometer stünden dann Kilometerpreise von jeweils 1,85 Euro auf der Uhr, so der gemeinsame Tarifantrag der drei Branchenverbände.

Was das für die Fahrgäste bedeutet, lässt sich leicht ausrechnen. Heute werden für eine fünf Kilometer lange Taxifahrt in Berlin 15,40 Euro fällig. Künftig wären es 17,50 Euro. Der Tarif für eine 15 Kilometer lange Tour würde 33,20 auf 37,20 Euro steigen. Für eine 25 Kilometer lange Taxifahrt würden 55,70 Euro fällig - derzeit sind es 49,70 Euro.

Diskutiert wird eine weitere Erhöhung, berichtete Leszek Nadolski, Vorsitzender der Taxi-Innung. Danach soll der Kilometerpreis für die ersten drei Kilometerpreis sogar 3,50 Euro betragen. Zwischen drei und sieben Kilometer läge er bei 2,85 Euro, ab sieben Kilometer wären es 2,10 Euro. Eine 15 Kilometer lange Taxifahrt durch Berlin würde dann 42,60 Euro kosten.  

„Bislang hat der Senat auf unsere Forderungen nicht reagiert“, sagte Richard Leipold. Dagegen ist absehbar, dass Taxifahrten vom Flughafen in die Stadt in nächster Zukunft anders bepreist werden. „Ein gemeinsamer Flughafentarif ab Startpunkt BER ist auf dem Weg“, bestätigte Jan Thomsen, Sprecher der Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). „Derzeit wird in Berlin der Entwurf der entsprechenden Rechtsverordnung für die Senatsbefassung vorbereitet. Parallel dazu erarbeitet der Landkreis seinen Entwurf, um die Beschlussfassung im Kreistag in die Wege zu leiten.“ Bis zum zweiten Vierteljahr 2022 werde das Verfahren aber noch dauern, so Thomsen.

Immer Ärger über Taxiservice am BER – und nun auch noch höhere Tarife

Hoffnungen der Taxibranche, zumindest in diesem Bereich die Erträge spürbar erhöhen zu können, werden sich aber wohl nicht erfüllen. Denn in einigen Bereichen liegt zumindest der Senatsvorschlag für den Flughafentarif unter den jetzt in Berlin geltenden Fahrpreisen. Absehbar ist, dass Fahrgäste, die am BER einsteigen, auch in Berliner Taxen 1,50 Euro Flughafenzuschlag zahlen. In Taxis aus dem Landkreis Dahme-Spreewald wird dieser Aufpreis bereits fällig.

Die Taxibranche wünscht sich, dass sie für wichtige Relationen feste Preise berechnen darf. Taxikosten sollten im Voraus leicht berechenbar sein, sagte Innungs-Chef Nadolski. Viele Kunden verlangen Festpreise, auch weil dies die Abrechnung erleichtern würde, und die Branche möchte diesen Forderungen entsprechen. „Festpreise zwischen dem Flughafen und bestimmten Bereichen in Berlin wären ein guter Einstieg“, so Nadolski. Der gemeinsame Tarifantrag der Branchenverbände sieht vor, dass Taxifahrten vom BER zum Alexanderplatz 60 Euro, vom BER zur Messe 65 Euro kosten. Doch dem Vernehmen nach sehen die zuständigen Behörden Festpreise derzeit noch skeptisch. „Über eine Festlegung von Festpreisen vom Flughafen zu bestimmten Zielen in Berlin wurde noch nicht abschließend entschieden“, so Sprecher Jan Thomsen. 

Der Taxiverkehr zwischen dem Flughafen und Berlin steht immer wieder in der Kritik. Weil nur maximal 400 Berliner Taxen am BER Fahrgäste aufnehmen dürfen, gibt es dort Wartezeiten. Wenn nun auch noch die Fahrpreise steigen, könnte es weiteren Ärger geben, befürchtet die Taxibranche. Profitieren würde die Konkurrenz: Uber & Co. „Mit der Tariferhöhung werden wir wieder einige Kunden verlieren““, sagte Taxifahrer Erkan Özmen. „Davon haben wir sowieso nicht viele.“

Allerdings werden Taxifahrer, die am Flughafen Fahrgäste laden dürfen, mit zusätzlichen Kosten belastet, sagte Innungs-Chef Nadolski. Die Firma Apcoa, die den Parkraum am BER bewirtschaftet, kassiere jedes Mal, wenn ein Taxi die dortige Schranke passiert, eine Gebühr. „Sie liegt höher als der beantragte Flughafenzuschlag“, sagte ert.

Immer weniger Taxis in Berlin

Die Zahl der Taxis in Berlin ist bereits gesunken, so der Unternehmer Leipold. Waren Ende 2019 noch mehr als 8000 Konzessionen vergeben, sei die Zahl nun unter 6000 gesunken. „Auf der Straße sind vielleicht noch 4200 unterwegs.“ Werde der Tarif nicht vor der nächsten Mindestlohnanhebung erhöht, werden viele weitere Betriebe aufgeben.