Obwohl Bushidos Anwalt Steffen Tzschoppe nur einen Text im Gerichtssaal vom Blatt abliest, verrät seine Stimme die Wut im Bauch. Es geht um Texte, die im Magazin Stern erschienen sind, darin geht es um eine Audiodatei, die das Gericht seit 14 Monaten beschäftigt. Er nennt den Stern „das Haus-und-Hof-Blatt“ der Brüder Abou-Chaker, bezichtigt das Magazin mehrfach der Lüge und erinnert noch einmal an die angeblichen Hitler-Tagebücher, bei denen das Magazin vor 40 Jahren auf einen Fälscher hereingefallen sei. Tzschoppe giftet geradezu: „Wer einmal in voller Absicht versucht, ein Gericht zu verarschen, um einen Nebenkläger und Zeugen zu diskreditieren, um damit Geld zu machen, dabei noch bewusst dem Angeklagten und seinen Brüdern Unterstützung geben will – dem kann man eben nichts mehr glauben.“ Der Redakteur des Stern verlässt kurz darauf den Raum.
Es ist der 95. Prozesstag, und spätestens an diesem Tag führt der Prozess weit weg vom ursprünglichen Thema, nämlich einem Streit zwischen Arafat Abou-Chaker und dem Rapper Bushido über das Ende ihrer Geschäftsbeziehung. Der mutmaßliche Bandenchef hatte offenbar eine Zeit lang auch die Funktion des Managers für den Musiker ausgeübt und sie wollten sich erst gütig über die Trennung einigen. Aber am 18. Januar 2018 kam es schließlich zu einem Streit, bei dem auch Arafats Brüder Yasser, Nasser und Rommel anwesend waren. In dem Zusammenhang sei Bushido genötigt, verletzt, bedroht, beleidigt und eingesperrt worden.
Der Rapper ist Nebenkläger gegen die vier Brüder. Bushido selbst hatte an 25 Verhandlungstagen ausgesagt. Nach dessen Aussagen brachte das Magazin Stern wiederum im Februar 2022 einen Artikel heraus, der die Glaubwürdigkeit des Rappers stark infrage stellte.
Der Text stützte sich vor allem auf eine Audioaufnahme, die den Autoren zugespielt worden sei. Die Aufnahme stamme angeblich von jenem 18. Januar 2018. Danach war diese Aufnahme immer wieder Thema, auch wenn von Anfang an Zweifel an deren Echtheit bestanden: Sie war zum Beispiel nur etwa zwei Stunden lang, das Gespräch soll aber vier Stunden gedauert haben. Außerdem fehlten jegliche Metadaten bei der Datei, die dem Gericht gegeben wurde. Und dann setzte der Stern laut Text auf einen „der renommiertesten Forensiker und Experten für Audioaufnahmen in Deutschland“, ohne bis heute dessen Namen zu nennen.
Tzschoppe bekräftigt am Dienstag noch einmal seine Zweifel an der Audio-Datei, an dem Audio-Forensiker und am Text des Magazins. So führe der Stern Begriffe wie Hexadezimal-Code und Netzfrequenz-Analyse in seinem Text an, beides Dinge, die nichts mit Audiodateien zu tun haben. Zudem habe der Stern keine prüfidentische Datei an das Gericht übergeben, ist Tzschoppe überzeugt. Die Datei des Stern weiche im Dateiformat (m4a), bei den Metadaten und vor allem in ihrer Spieldauer ab: Sie sei zwei Sekunden länger. „Ich bin dafür ausgelacht worden, aber es ist eben ein Unterschied, ob etwas identisch ist oder eben kürzer“, sagt Tzschoppe. „Eine Kopie ist aber genauso lang wie ihr Ursprung.“ Tzschoppe geht davon aus, dass die Datei, die ans Gericht übergeben wurde, noch in anderen Stellen manipuliert wurde: Die Dateien könnten zum Beispiel aus unterschiedlichen Audio-Versatzstücken bestehen.
Gutachten soll 24.000 Euro gekostet haben
Gestützt wird diese Behauptung von einem Gutachten eines österreichischen Spezialisten, der nun vom Gericht beauftragt wurde. Dem Vernehmen nach soll dieses Gutachten etwa 24.000 Euro gekostet haben. Bisher wurden nur einzelne Details aus diesem Gutachten bekannt, aber es widerspricht dem des anonymen Stern-Gutachtens doch beträchtlich. Es könne demnach „von einer unbelasteten und unauffälligen Aufnahme nicht die Rede sein“, heißt es. Und man solle „der Aufzeichnung mit vorsichtiger Skepsis begegnen“. Mehrere Faktoren deuten zudem „auf Softwareeinsatz“ hin. Tzschoppe wirft dem Stern also vor, die Zeit des Gerichts mit einer manipulierten Aufnahme verschwendet zu haben.
Der Stern antwortet mit einem weiteren Text Anfang April dieses Jahres und gibt offen zu, dem Gericht eine andere Datei gegeben zu haben. Tzschoppe dazu: „Das toppt alles, was ich in vielen Jahren im Beruf erlebt habe.“ Angeblich habe es eine Absprache mit dem Vorsitzenden Richter gegeben, die Quelle zu schützen. Tzschoppe nennt das eine Lüge. Außerdem sei die Quelle, die vom Stern geschützt werden solle, „doch allen Prozessbeteiligten“ bekannt. „Sie wird ihm nicht vom Weihnachtsmann gebracht worden sein.“ Laut Tzschoppe habe der Stern sie aus dem Dunstkreis des Angeklagten.
Die Verteidiger der Abou-Chaker-Brüder nennen in einem kurzen Statement die Argumente von Bushidos Anwalt „Nebelkerzen“, die davon ablenken sollen, was die Datei ans Licht bringe. Außerdem sei Bushido derjenige, der via Öffentlichkeit das Verfahren zu beeinflussen versuche. In der Tat hat er seit Beginn des Prozesses eine Doku bei Amazon Prime veröffentlicht und eine weitere über sein Leben in Dubai beim Sender RTL.
Die Verteidiger unterschlagen dabei die vielen YouTube-Videos und Interviews von Arafat Abou-Chaker, die ebenfalls Millionen Klicks erzeugt haben. Auf die Echtheit der Aufzeichnung gehen die Anwälte weiter nicht ein. Beim nächsten Prozesstag, am 4. Mai, soll es noch mehr Stellungnahmen zu diesem Fall rund um die Audiodatei geben.




