Bushido vs. Abou-Chaker: Gutachter äußert Zweifel am Audio-Mitschnitt des Stern

Der Stern berichtete vor 14 Monaten exklusiv über den Audio-Mitschnitt eines Streitgesprächs. Fiel das Magazin auf eine Fälschung herein?   

Angeklagter Arafat Abou-Chaker auf dem Weg in den Gerichtssaal. Zu Zeiten des Ramadan tauchen er und seine drei Brüder allerdings immer ohne einen Kaffeebecher in der Hand auf. 
Angeklagter Arafat Abou-Chaker auf dem Weg in den Gerichtssaal. Zu Zeiten des Ramadan tauchen er und seine drei Brüder allerdings immer ohne einen Kaffeebecher in der Hand auf. Olaf Wagner

Nach einer Stunde, 56 Minuten und 13 Sekunden gibt es in der Audio-Aufnahme einen Bruch. Plötzlich ist mitten im Satz lautes Rauschen und Rascheln zu hören, Stimmen rufen etwas auf Arabisch. Das konnte jeder hören, der die Audio-Aufnahme im Gericht gehört hat, wo sie mehrfach abgespielt wurde. Ein Audio-Forensiker hatte diese Stelle markiert und damit offiziell Zweifel an der Echtheit der Aufnahme begründet.

Es könnte eine weitere Wende im Prozess Bushido gegen die vier Arafat-Brüder sein.

Der Mammutprozess ging am Montag in seinen 94. Prozesstag. Wieder einmal waren alle vier Brüder der Abou-Chaker-Familie im Saal 500 des Moabiter Landgerichts zugegen: Arafat, Nasser, Yasser und Rommel. Ihnen wird vorgeworfen, am 18. Januar 2018 den Rapper Bushido eingesperrt, verletzt, bedroht, genötigt und beleidigt zu haben. Der Rapper ist Nebenkläger in dem Verfahren, das mittlerweile zweieinhalb Jahren dauert. Derzeit sind Termine bis Mai vorgesehen. Doch das wird nicht reichen, sagen Prozessbeobachter. 

Vor mittlerweile 14 Monaten wurde eine Audio-Datei ins Verfahren eingeführt, die knapp zwei Stunden lang ist und angeblich von jenem 18. Januar 2018 stammt. Das Magazin Stern berichtete zuerst darüber und berief sich im Text auf „Deutschlands renommiertesten Audio-Forensiker“, der die Echtheit der Datei überprüft habe. Den Namen des Experten behielt die Redaktion allerdings für sich. Woher die Reporter den Mitschnitt hatten, ebenfalls, obwohl die Nähe eines Stern-Reporters zum Angeklagten Arafat Abou-Chaker sichtbar ist. Sie begrüßen einander freundschaftlich oder verlassen gemeinsam das Gericht für Gespräche im Café gegenüber.

Der Anwalt Bushidos, Steffen Tzschoppe, hatte schon früh auf Probleme mit der Datei hingewiesen. Er nannte den Mitschnitt eine Fälschung, die vor allem den Abou-Chakers helfen solle. Teile der Aufnahme, sagte er, stammten von anderen Treffen und hätten nichts mit den Vorfällen vom 18. Januar zu tun. Um das zu klären, beauftragte das Gericht einen eigenen Forensiker, der in Österreich lebt. Ein erstes Ergebnis dieser Untersuchung wurde jetzt am Montag öffentlich.

Am 25. April geht es weiter

Nach dem Fazit des Audio-Experten sei „der Datei mit vorsichtiger Skepsis zu begegnen“, sagte Tzschoppe der Berliner Zeitung. Er könnte nicht ausschließen, dass es sich um eine Fälschung handele. Besonders die Meta-Daten seien immer ein Thema gewesen im Gerichtssaal, so Tzschoppe, also jene Daten, die etwas über Zeitpunkt und Ort der Aufnahme aussagen. Die Datei sei aber ohne feste Meta-Daten beim Gericht angekommen, weswegen es eben schwierig sei, die Echtheit sowie das Aufnahmedatum festzustellen. Dann weist der Experte auch auf die Stelle 1:56:13 Stunde hin, also den Moment, in dem plötzlich lautes Rauschen und Rascheln zu hören ist. Ist hier geschnitten worden? Wurde das Rauschen künstlich eingefügt? Das Gutachten kann die Echtheit der Aufnahme nicht bestätigen.  

Der Verteidiger der vier Angeklagten, Hansgeorg Birkhoff, weist die Zweifel an der Aufnahme zurück. Aus Sicht der Verteidiger widerlegt die rund zweistündige Tondatei die Darstellung von Bushido vom 18. Januar. Der Experte selbst wird am 25. April dieses Jahres erwartet, endlich wieder ein Zeuge, der wohl auch wirklich kommen wird. Am Montag war zwar Rapper Shindy geladen, aber er fehlte unentschuldigt, wie so oft. Gegen ihn wurde ein Ordnungsgeld verhängt. Auch er sollte Licht bringen in diese Audio-Datei, die das Gericht monatelang in seinen Ermittlungen aufhielt – und nun vielleicht gar nicht mehr als Beweisstück zugelassen wird.

Auch für das Magazin Stern könnte dieser Bericht des Gutachters aus Österreich Konsequenzen haben, Anwalt Steffen Tzschoppe hatte im Gerichtssaal mehrfach den Fall der Hitler-Tagebücher zitiert und den Reporter direkt angesprochen: „Wäre nicht das erste Mal, dass Sie auf eine Fälschung hereingefallen sind.“