Berlin-Mitte. Es ist Montag, 13 Uhr. In Sicherheitskreisen ist ein Begriff zu hören, der den Ernst der Lage unmissverständlich macht: „Gefährdungsstufe 0“. Die Berliner Polizeipräsidentin selbst wählte diese Bezeichnung, um den Ausnahmezustand zu beschreiben, der noch über der höchsten regulären Sicherheitsstufe 1 liegt. Denn es ist nicht nur der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Stadt. Das Regierungsviertel gleicht heute einem diplomatischen Verschiebebahnhof der Weltmächte – mit Folgen, die weit über den Straßenverkehr hinausgehen. Der Ausnahmezustand findet zu Lande, zu Wasser und in der Luft statt.
Trügerische Ruhe am Pariser Platz
Wer am Brandenburger Tor steht, reibt sich zunächst verwundert die Augen. Die Sonne bricht durch die Dezemberwolken, Touristen machen Selfies vor der Quadriga. Die befürchtete Totalabriegelung mit mannshohen Sichtschutzwänden ist ausgeblieben. Die Hamburger Gitter vor dem Hotel Adlon sind teilweise zur Seite geschoben. „Wir dachten, wir kommen gar nicht zum Tor“, sagt Jonas, ein 28-jähriger Student aus Leipzig. „Aber die Polizei wirkt total entspannt.“

Das scheint die Strategie des Tages zu sein: Sichtbare Präsenz zeigen, aber nur im Notfall eingreifen. Doch die Ruhe ist fragil. Sobald sich eine Kolonne ankündigt, friert das Lächeln der Beamten ein, und der Platz wird binnen Sekunden dicht gemacht.
Sperrung auf der Spree und Drohnenverbot
Dass die Lage ernster ist als bei gewöhnlichen Staatsbesuchen, zeigte sich bereits am Sonntag auf der Spree. Die Wasserschutzpolizei hatte den Fluss in Höhe des Kanzleramts zwischen Lutherbrücke und Moltkebrücke zeitweise komplett für den Schiffsverkehr gesperrt. Touristenboote mussten wenden, graue Polizeiboote sicherten die Wasserseite ab.
Gleichzeitig gilt über ganz Berlin ein striktes Flugverbot für bemannte Flugzeuge, Drohnen und Modellflieger. Die Sicherheitsarchitektur umfasst heute nicht nur den Asphalt, sondern den gesamten dreidimensionalen Raum des Regierungsviertels.
Geheimdiplomatie im Luxushotel
Was die Touristen am Brandenburger Tor nicht ahnen: Nur wenige Hundert Meter entfernt wurde heute Morgen Weltgeschichte beim Kaffee geschrieben. Im Luxushotel Adlon in Mitte trafen sich Berichten zufolge die Abgesandten von US-Präsident Donald Trump, Jared Kushner und Steve Witkoff.

Während draußen die Polizei die Gullydeckel versiegelte, wurden drinnen in diskreter Atmosphäre die Leitplanken für die Gespräche mit Kanzler Merz und Präsident Selenskyj festgezurrt, bevor der Tross ins Kanzleramt weiterzog. Details zu diesem Treffen dringen kaum nach außen, doch die Anwesenheit der US-Delegation erhöht die Sicherheitsstufe in der Hauptstadt massiv. Die Polizei ist nach Angaben ihres Sprechers Florian Nath mit 3600 Einsatzkräften vor Ort. Nahezu alle Bundesländer hätten Unterstützungskräfte nach Berlin geschickt.
Das Protokoll killt den Fahrplan
Für die Berliner Verkehrsbetriebe ist dieser diplomatische Großkampftag der Super-GAU. Die Buslinie 100, Berlins touristische Ader, ist faktisch gekappt. Da der Tross ständig zwischen Kanzleramt, Schloss Bellevue und den Hotels pendelt, fährt der Bus einen riesigen Umweg. Zwischen Reichstag und den Nordischen Botschaften gibt es keinen Halt, die Paradestrecke durch den Tiergarten fällt aus.

Auch die Linie 187 wird umgeleitet und fährt über den Hansaplatz. Wer in die U5 steigt, erlebt unterdessen einen Geisterbahnhof: Die Züge drosseln im U-Bahnhof Bundestag kurz das Tempo, fahren aber ohne Halt durch. Auf den Bahnsteigen stehen keine Fahrgäste, sondern Bundespolizisten.
Quad-Gipfel am Abend
Die wirkliche Geduldsprobe steht den Berlinern jedoch noch bevor. Laut aktuellen Berichten ist das Eintreffen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer für den Abend terminiert, um gemeinsam mit Kanzler Merz und Präsident Selenskyj im sogenannten Quad-Format zu beraten.
Guten Morgen #Berlin,
— Polizei Berlin Einsatz (@PolizeiBerlin_E) December 15, 2025
auch heute sind wir mit 3600 Einsatzkräften aus Berlin und nahezu dem gesamten Bundesgebiet im Einsatz, um einen reibungslosen Ablauf des heutigen Staatsbesuches zu gewährleisten. Daher wird es im Laufe des Tages zu temporären Verkehrsbeeinträchtigungen… pic.twitter.com/N978HXxkpu
Der Feierabendverkehr birgt für die Berliner wieder Herausforderungen: Die Bewegungen der Delegationen und die Anreise der europäischen Staatschefs vom BER fallen fast zeitgleich mit dem Berufsverkehr zusammen. Die Verkehrsinformationszentrale warnt vor massiven Behinderungen. Die A113 und Teile der A100 werden für die Konvois zur sogenannten Bubble – also in beide Richtungen gesperrt.


