Erfahrung

Sturz ins Kellerloch – oder wie sich das Leben in einer Sekunde ändern kann

Viele Unfälle resultieren aus einem einzigen, winzigen Fehler. Die Folgen können gravierend sein. Aber wo endet der Schreck, und wo beginnt das Trauma?

Der Fall in die Tiefe brachte drei Gedanken in 0,59 Sekunden.
Der Fall in die Tiefe brachte drei Gedanken in 0,59 Sekunden.Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende

Am Tag, als der Unfall geschah, zählte die SportApp auf meinem Handy insgesamt 15.221 Schritte; 15.220 dieser Schritte habe ich sofort wieder vergessen. Laufen ist fast wie Atmen: ein Automatismus. Beim Atmen müssen wir nicht mal nachdenken, und auch beim Laufen gibt unser Bewusstsein meist nur die grobe Richtung vor – den Rest erledigt unser Körper allein. Schritt für Schritt. Die Sache mit dem Laufen geht fast immer gut. Eigentlich.

Nicht so Anfang Mai. Da machte ich einen unbedachten Schritt. Er führte in den Abgrund – im wörtlichen Sinne: Es war ein Montag, kurz nach 11 Uhr, ich war dienstlich in Berlin-Mitte unterwegs. An einem Restaurant sah ich nicht, dass auf dem Weg eine Kellerluke offen stand. 

Ich stürzte in die Tiefe und krachte mit dem Brustkorb gegen den Stahlrand des Lochs. Rippen knackten. Ich fiel fast zwei Meter tief und knallte unten auf den Betonboden. An der Hüfte platzte unter der Jeans die Haut auf und blutete.

Ein falscher Schritt

Es war, wie es bei fast jedem Unfall ist: ein winziger Fehler mit enormen Folgen; eine kleine Unachtsamkeit, die das ganze Leben verändern könnte. Das Interessante daran: Seit diesem einen falschen Schritt sind es nicht die Verletzungen an sich – zwei gebrochene Rippen und eine geprellte Hüfte –, die mein Gehirn immer wieder beschäftigen, sondern die Gedanken daran, was noch alles hätte passieren können.

So geht es auch anderen, denen ich davon erzähle. Fast immer heißt es: „Das klingt schrecklich.“ Dann kommt: „Du hättest dir das Genick brechen können … du könntest im Rollstuhl sitzen.“ Oft heißt es: „Was für ein Trauma!“

Ein Trauma? War es das wirklich, und was ist das eigentlich? Das soll Kati Bohnet erklären. Die Berlinerin ist 44 Jahre alt und diplomierte Mathematikerin. Sie wandte sich der Psychologie zu und ließ sich sieben Jahre lang in Traumatherapie ausbilden. Zu ihrem Spezialgebiet bietet sie Workshops an und gibt ihr Wissen in Podcasts weiter.

Früher war nur Albert Einstein genial, heute kann es auch eine Schokoladeneis sein.
Früher war nur Albert Einstein genial, heute kann es auch eine Schokoladeneis sein.Daniel Karmann/dpa

„Der Sturz muss nicht unbedingt ein Trauma sein“, sagt sie. „Denn das Trauma liegt nicht zwangsläufig in dem Ereignis, sondern in dem, was es mit uns macht.“ Traumata entstehen aus Situationen, die so überraschend sind, dass das Nervensystem völlig überwältigt und überfordert ist. Im Werkzeugkasten der bisherigen Lebenserfahrung findet sich einfach nichts, um damit umzugehen.

Trauma gehört zu den großen Modeworten unserer Zeit. Einer Zeit, die zur maximalen Übertreibung neigt: Heute sind viele deprimiert, und vieles ist genial. Früher war nur Albert Einstein genial, heute kann es auch ein Schokoeis sein. Traumatisch waren früher Kriegserfahrungen, Entführungen, Flugzeugabstürze, Erdbeben oder Vergewaltigungen, heute sagen Schüler schon mal, sie seien traumatisiert, wenn ein Lehrer streng ist.

Oft sind wir abgelenkt.
Oft sind wir abgelenkt.Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende

„Der Begriff wird inflationär benutzt“, sagt Kati Bohnet. Genau wie Depressionen. „Das wird den Menschen nicht gerecht, die wirklich depressiv sind oder traumatisiert.“ Aber sie kann den Übertreibungen auch etwas abgewinnen. „Der Vorteil: Es sprechen viel mehr Leute über Traumata. Es ist gut, dass wir nun in einer Zeit leben, in der wir uns auch mit Problemen beschäftigen, die viele früher nicht an sich rangelassen hätten.“

„Zu viel, zu schnell, zu plötzlich“

Und wäre Trauma ein unbekannter Fachbegriff, würde ich nach dem Sturz auch nicht danach fragen. Aber was ist das denn nun? Früher lautete eine Definition: Das Ereignis an sich ist das Trauma. „Aber neurowissenschaftliche Forschungen haben den Blick verändert und viel mehr das Nervensystem und den Körper mit einbezogen“, sagt Bohnet. Sie bevorzugt die knackige Definition des Amerikaners Peter Levin: „Trauma bedeutet: zu viel, zu schnell, zu plötzlich.“

All das trifft auf den Sturz zu: Es stürmte zu viel auf mich ein. Ich ging wie immer völlig vertrauensvoll über Mutter Erde und wurde von ihr verschluckt, ohne dass ich sah oder ahnte, dass sich der Boden unter mir aufgetan hatte. Eine Sache, die selten passiert. Sonst lauert doch zumindest das Unterbewusstsein immer auf mögliche Gefahren: beim Radfahren, im Auto, beim Bergwandern, beim Überqueren einer Straße. Doch dieser Sturz kam aus dem völligen Nichts. Die totale Überforderung aller Sinne.

„Überwältigungssituationen sind charakteristisch für Traumata“, sagt Kati Bohnet. „Und in solchen bedrohlichen Momenten werden die Überlebensimpulse geweckt.“ Dann wollen Betroffene der Katastrophe entfliehen, sie verstecken sich oder bitten um Hilfe. Oder sie kämpfen und verteidigen sich. Oder sie können sich nur noch unterwerfen, erstarren oder kollabieren.

Die Nacht der Nächte

Von Jens Blankennagel

09.11.2019

Gleich drei Gedanken auf einmal

Ich habe nicht gekämpft, dafür war keine Zeit, aber ich habe ganz bewusst die Arme hochgerissen. Das behauptet jedenfalls mein Gehirn. Und nicht nur das: Wenn der Rechner im Internet nicht lügt, bin ich 0,59 Sekunden gefallen und dabei hat mein Gehirn gleich über mehrere Dinge nachgedacht. Als erstes quälte es sich gefühlt mindestens zwei Minuten lang mit der Frage herum: Was – verdammt noch mal – passiert hier eigentlich?

Und dann drängelt jemand an der Kasse im Supermarkt vor.
Und dann drängelt jemand an der Kasse im Supermarkt vor.imago images

Kati Bohnet sagt: „Zuerst wird der Orientierungsimpuls ausgelöst.“ Der werde auch bei Embryos als erstes angelegt. Wir wollen immer wissen, wo vorn und hinten ist, oben und unten. Da der Sturz aus dem Nichts kam, erschien die Suche nach Orientierung dann so dominant. Ich dachte auch noch an einen Freund, der sich beim Inlineskaten mit der Tochter den Arm gebrochen hatte, deshalb wollte ich den Kopf schützen und riss die Arme hoch. Und als ich aufschlug, dachte ich: Jetzt fällt der Urlaub flach.

Diese angebliche Erinnerung zerstört Kati Bohnet mit einem einzigen Satz: „In solchen Momenten kann niemand bewusst nachdenken und auch noch gezielt handeln, da wird nur noch überlebt. Alles läuft impulsgesteuert, das Unterbewusstsein übernimmt die Macht.“

Es gibt da diesen lebensweisen Song „Benutzen Sie Sonnencreme“.
Es gibt da diesen lebensweisen Song „Benutzen Sie Sonnencreme“.Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende

Sehr grob vereinfacht besteht das Gehirn aus drei wesentlichen Teilen. Da ist das Stammhirn mit den Überlebensimpulsen, dann das limbische System mit den Gefühlen sowie dem Alarmzentrum – Kati Bohnet beschreibt es bildhaft mit „Tatütata Amygdala“. Und schließlich der Teil für das bewusste Denken. „Im Alltag ist das Gehirn ein gut eingespieltes System.“ Ihr Beispiel: Jemand mit einer roten Mütze drängelt im Supermarkt vor. Das Alarmzentrum ruft „Tatütata Amygdala“, das Stammhirn geht in den Verteidigungsmodus, doch der denkende Teil ruft: „Du kannst chillen, keine Lebensgefahr.“ Meist klappt es.

Der Stecker im Gehirn wird gezogen

Kati Bohnet sagt: Bei meinem Sturz ins Ungewisse konnte der denkende Teil nicht erst irgendetwas berechnen und mir befehlen, die Arme hochzureißen. „Diese Variante hat sich evolutionsmäßig nicht durchgesetzt. Die Menschheit hätte nicht überlebt, wenn bei akuten Gefahren immer erst mal alles in aller Ruhe bis zur letzten Möglichkeit durchkalkuliert worden wäre.“ Bei meinem Sturz ging die Sirene an: Tatütata Amygdala. „Das war Lebensgefahr. Da zieht der Teil des Gehirns, der die Gefahren erkennt, beim denkenden Teil einfach den Stecker raus.“

Das passiert auch mal bei sehr großem Alltagsstress, etwa bei einem Blackout vor Prüfungen. Oder wenn der Drängler im Supermarkt plötzlich aggressiv wird. „Dann springt unser Alarm an, der Denkapparat geht offline und hat keinen Einfluss auf unser Handeln. Erst wenn der Alarmpegel wieder sinkt, fällt uns jene knackige Antwort ein, die uns kurz davor gefehlt hat.“

Ich kann meinen Erinnerungen also nicht trauen. Stimmt. Das Gehirn gaukelt mir auch irgendwelche Bilder vor. Mein inneres Auge beobachtet meinen Sturz von außen: Von jener Stelle aus, an der ich kurz vor dem Sturz stand, etwa sechs Meter von der Luke entfernt. Ich sehe, wie ein Crashtest-Dummy ins Loch fällt – wie im Stummfilm, wenn der klassische Gag mit dem offenen Gully kommt.

Aber warum sendet mein Gehirn solche Bilder? „Ganz einfach“, sagt die Fachfrau. „Lücken im Bewusstsein sind für das Gehirn ein Problem.“ Also füllt es das fehlende Stück mit bekannten Bildern.

Bei manchen kommen die traumatischen Ereignisse immer wieder – als Alpträume in der Nacht oder Flashbacks am Tag.
Bei manchen kommen die traumatischen Ereignisse immer wieder – als Alpträume in der Nacht oder Flashbacks am Tag.imago images

„Es ist eine Form der Dissoziation“, sagt sie. Weil alles zu schnell war, zu plötzlich, zu viel, habe ich den Körper verlassen und von außen betrachtet. Diesen Hilfsmechanismus nutzt das Gehirn auch, um in ausweglosen Situationen die Schmerzen nicht wahrnehmen zu müssen. „Nur so ertragen es Menschen, wenn sie gefoltert oder vergewaltigt werden.“ Problematisch ist es, wenn die Personen dauerhaft außerhalb bleiben, nicht zurückfinden und nicht mehr fühlen können.

„Da ist das Traumapotenzial hoch“, sagt sie. Bei mir wäre das der Fall, wenn ich Wochen nach dem Sturz ein Kellerloch sehe, mir wird schwindlig oder ich sehe mich wieder von außen, oder ich habe vom Sturz tagsüber Flashbacks oder nachts Albträume. „Oder Sie entwickeln eine Angststörung, weil Ihr inneres System das Urvertrauen verloren hat, dass der Boden Sie trägt.“

Stephen King und der Zufall

Ein falscher Schritt, und das Leben kann sich grundlegend ändern. Das ist ein Gedanke, mit dem sich mein Gehirn nun immer wieder beschäftigt. Das Schöne und das Schreckliche am Leben ist, dass es voller Überraschungen steckt. Meist bekommen Fremde davon wenig mit, denn die Dinge, die ein Leben in eine bestimmte Richtung lenken oder den Weg verändern, stehen selten im Lebenslauf. Dort werden nur offizielle Stationen abgehakt: Geburt, Schulbildung, Studium, Arbeitsplätze, Familienstand. Aber das Hochzeitsjahr ist nur das eine. Es ist ein Ereignis mit Vorlaufzeit. Viel wichtiger ist dieser eine kleine Blick zuvor, bei dem sich zwei Menschen verlieben. Eine Sekunde, die mitentscheidet, ob jemand später zufrieden ist oder in einer unglücklichen Ehe vor sich hin lebt.

Stephen King - einer der erfolgreichsten Autoren unserer Zeit.
Stephen King - einer der erfolgreichsten Autoren unserer Zeit.Patrick Semansky/AP/dpa

Die Stationen des Lebenslaufs erklären auch nicht die innere Motivation, zum Beispiel bei der Berufswahl. In keinem noch so schön formulierten Klappentext bei Stephen King steht, welches Kindheitserlebnis dafür gesorgt hat, dass er erst ein großer Leser und dann ein erfolgreicher Autor wurde. Als Sechsjähriger hatte er Masern und viel Eiter im Ohr. Ein Arzt nahm eine große Kanüle, sagte: „Das tut nicht weh“, und durchstach das Trommelfell. Der kleine Stevie hatte höllische Schmerzen. Später wiederholte der Arzt das Prozedere noch zweimal, immer mit dem Satz: „Das tut nicht weh.“ King lernte früh, was Angst, Lüge und Schrecken ist, und den Schmerz hat er nie vergessen. Weil er damals so krank war, nahm ihn seine Mutter von der Schule. Ein Jahr lang lag er im Bett und las „sechs Tonnen“ Comics und Bücher – dann fing er an zu schreiben. Was für ein Zufall.

Bei mir hat der Zufall des Unfalls bislang keine Auswirkungen auf den offiziellen Lebenslauf. Ich musste den Job nicht wechseln oder ähnliches. Die Ärzte und Physiotherapeutinnen sind hoffnungsvoll, dass keine körperlichen Schäden bleiben. Auch Kati Bohnet sagt: „Es scheint glimpflich ausgegangen zu sein.“ Doch sie sagt auch: „Aber es ist wohl noch nicht vorbei.“

Die Farbei Rot kann zum Trigger werden.
Die Farbei Rot kann zum Trigger werden.Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende

Ein Indiz: Solange die Betroffenen den Impuls haben, die Geschichte anderen zu erzählen, ist da noch etwas. Das Erzählen folgt oft dem Bedürfnis, etwas abzuschließen. Vielleicht soll der Sturz so nur zu einer runden, gut erzählbaren Anekdote werden. „Aber vielleicht ist auch noch Energie aus dem potenziell traumatischen Ereignis im Körper, die raus will.“ Das Erzählen diene zwar der rationalen Bewältigung, sei aber auch potenziell retraumatisierend. „Bei jedem Erzählen geht der Körper ins Wiedererleben“, sagt sie.

Tatütata Amygdala

Gut war bestimmt, dass ich alles bewusst erlebt habe, ohne große unerklärliche Lücken, und dass schnell klar war, dass ich nicht lebensgefährlich verletzt bin. Bei anderen bleibt solches Wissen oft nur auf der theoretischen Ebene, sagt die Expertin, die von Traumapatienten erzählt, die 2021 das Jahrhundert-Hochwasser an der Ahr erlebt haben. „Auch die wissen meist, dass es für sie halbwegs gut ausgegangen ist, dass sie überlebt haben.“ Doch im Gehirn ist noch der Alarm aktiv, das „Tatütata Amygdala“. Das kognitive Wissen, dass das Wasser weg ist, ist bei ihnen noch nicht im Nervensystem angekommen. „Ich lasse sie dann im trockenen Raum einen trockenen Tisch oder Stuhl anfassen. Damit auch ihr Nervensystem im wahrsten Sinne begreift, dass es trocken ist.“

Hochwasser an der Ahr im Jahr 2021.
Hochwasser an der Ahr im Jahr 2021.Boris Roessler/dpa

‚Oder jemand ist dabei zu ertrinken: Der Überlebensimpuls sorgt dafür, dass die Person kämpft, dass sie gegen tosende Wellen anschreit, dass sie schwimmt oder versucht, sich an einer glitschigen Bootswand festzuhalten. Doch das Boot ist leer, niemand kann helfen. Die Person rutscht immer wieder ab. Irgendwann ist alle Kraft dahin, die Person sinkt, wird ohnmächtig und bekommt nicht mit, dass sie gerettet wird. Dann kann es sein, dass die Person später zwar rational weiß, „dass alles noch mal gut gegangen“ ist. So wie die anderen es nennen. „Aber im Unterbewusstsein ist der Überlebensimpuls noch immer aktiviert, weil er nicht bewusst zu Ende geführt wurde.“ Und sobald die Person sich irgendwie hilflos oder angegriffen fühlt, springt der Alarm an. Tatütata Amygdala.

Bei mir gibt es kein Tatütata, bislang keine Symptome: Ich stocke nicht beim Erzählen, ich weine nicht, ich bekomme keine Kopfschmerzen. Das wären auffällige Zeichen. Ich schwitze auch nicht, bekomme keine feuchten Hände oder Hitzewallungen, mein Herz rast nicht, mir wird nicht schwindelig. „Das wären Symptome, dass der Impuls noch nicht beendet ist“, sagt Bohnet.

Neulich besuchte ich die Kellerluke. Kein Schock stellte sich ein, ich wunderte mich nur, wie klein sie ist. Und als ein Bauarbeiter vor ein paar Tagen einen Gully öffnete, zwang mich kein innerer Drang, Reißaus zu nehmen.

Aber … es gibt immer ein Aber. Die Expertin sagt, ich solle mich noch eine Weile im Blick behalten. „Vielleicht haben Sie in 18 Monaten plötzlich unerklärliche Symptome, die Sie gar nicht mit dem Unfall in Verbindung bringen.“

Wutausbruch am Erdbeerstand

Oder es gibt einen Trigger, von dem ich noch nichts weiß. Vielleicht stand neben der Luke ein Mann mit einer roten Mütze, der mich nicht gewarnt hat. Und wenn bei mir der Alarm doch noch eingeschaltet wäre, könnte er mit der Farbe Rot verbunden sein, die zum Trigger wird. Vielleicht bekomme ich irgendwann einen Wutausbruch, wenn ich an einem roten Erdbeerstand vorbeigehe. Oder mich stören plötzlich nachts die Bremslichter der Autos, weil sie so rot leuchten. Vielleicht ist irgendwann immer irgendetwas rot und ich traue mich nicht mehr aus der Wohnung. „Deshalb ist es hilfreich, auf den Körper zu hören, auf die Sprache ohne Worte, um auch später unvollendete Impulse zu erkennen und zu vollenden“, sagt Kati Bohnet.

Wenn alles gut läuft, wird der Unfall nicht zu einem Punkt in meinem offiziellen Lebenslauf, nicht zu einer Zäsur meines Lebens. Und doch wird dieser eine falsche Schritt immer eine Fußnote in meinem persönlichen Lebenslauf sein.

Kann zu einem Trigger werden: Plötzlich stören nachts die roten Bremslichter der Autos.
Kann zu einem Trigger werden: Plötzlich stören nachts die roten Bremslichter der Autos.imago images

Es gibt einen lebensweisen Song namens: „Benutzen Sie Sonnencreme“. Der Text dafür entstammt einer Zeitungskolumne der Amerikanerin Mary Schmich, in der sie jungen Leuten schlaue Lebenstipps gibt. Darin heißt es: „Die wahren Probleme in Ihrem Leben sind meist Dinge, an die Sie in Ihren sorgenvollen Stunden nie denken würden. Dinge, die zum Beispiel an einem unbeschwerten Dienstagnachmittag um vier aus heiterem Himmel auf sie niederprasseln.“

Es muss kein Ziegel an einem Dienstagnachmittag vom Haus fallen, manchmal steht eine Kellerluke an einem Montag um 11 Uhr offen. Eine Sekunde Unachtsamkeit. Ein winziger Fehler, weil einer der 15.221 Schritte an jenem Tag falsch war.