Berlin

Kostenlos und in der Hocke: Neue Toiletten für gerechteres Pinkeln

Berlins Senat testet ein Jahr lang kostenfreie Toiletten ohne Strom- und Wasseranschluss. Zwölf davon sind mit Hockurinalen für Frauen ausgestattet.

Lena Olvedi, Gründerin von Missoir, zeigt ein Hockurinal im Invalidenpark in Berlin.
Lena Olvedi, Gründerin von Missoir, zeigt ein Hockurinal im Invalidenpark in Berlin.Emmanuele Contini

Lena Olvedi hat Pipi in den Augen und Pipi am Outfit, als sie das neue Missoir im Invalidenpark eröffnet. An ihrer Jacke hängt ein gelber Tropfen als Anstecker, ihre goldenen Ohrringe sind in der gleichen Form, dazu trägt sie einen gelben samtenen Einteiler. Olvedi geht über dem Missoir, einem Pissoir für Frauen, in die Hocke, reckt die Hände in den Himmel und strahlt den Fotografen entgegen. Es gibt Applaus von den Umstehenden. Dann wird die Tür zum Klo daneben geöffnet, der Applaus erstirbt und die Kameras sinken – ein Trockenurinal für Männer hat schließlich jeder schon mal gesehen.

24 autarke Toiletten stehen seit dieser Woche in Berlin, jeweils zwölf von den Firmen Eco-Toiletten und Finizio. In jedem Bezirk sollen zwei stehen. Eine weitere gibt es bereits seit Ende 2022 am Kottbusser Tor. Autark bedeutet, dass die Toiletten ohne Strom- und Wasseranschluss funktionieren. Auf dem Dach sind eine Solarzelle und ein Regenauffangbecken installiert, bei Mehrbedarf wird Wasser und Energie zugeliefert. Die Toiletten seien außerdem „kostenfrei, barrierefrei und gendergerecht“, sagt Olvedi.

Vor den drei Hockurinalen ist ein Sichtschutz angebracht.
Vor den drei Hockurinalen ist ein Sichtschutz angebracht.BLZ/Grafik: Monica Rodriguez/Quelle: MISSOIR

Kostenlose Pissoirs für alle

Sie ist die Gründerin von Missoir. Gendergerecht meint: Neben einem Pissoir für Männer und einer Sitztoilette haben die Eco-Toiletten ein Hockurinal für Frauen. Spritzschutz und Haltestangen sollen die „natürliche Hockposition“ unterstützen.

Bettina Behrendt (CDU), Staatssekretärin für Klima und Umweltschutz, sagt in ihrer Rede, dass ihre beiden Teenager-Töchter ihr von der „Ungleichheit bei den Geschlechtern“ in Bezug auf die Toilettensituation in den Parks berichtet hätten. Tatsächlich müssen etwa bei den Wall-Toiletten, die an 300 Stellen in Berlin stehen, Männer nicht fürs Pinkeln bezahlen – Frauen dagegen schon. Offenbar ist sich der Senat unsicher, ob Kostenfreiheit nicht zu Vandalismus führen würde. Mit den gendergerechten Toiletten testet er nun, wie eine solche Variante angenommen wird.

Gründerin von Missoir, Lena Olvedi, zeigt, wie ihr Hockurinal funktioniert.
Gründerin von Missoir, Lena Olvedi, zeigt, wie ihr Hockurinal funktioniert.Emmanuele Contini

Die beiden Firmen Eco-Toiletten und Finizio konkurrieren bei dem Pilotprojekt ein Jahr lang als Wettbewerber. Aber eigentlich würden sie bei dem Projekt kooperieren, sagt Sven Riesbeck von Eco-Toiletten. Zusammen haben sie den Verband Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme e.V. gegründet. Eco-Toiletten betreibt die Toilettensysteme, Finizio forscht in Eberswalde an Humusdünger und Mehrnährstoffdünger, der aus Kot und Urin gewonnen wird. Der Kot werde vom Urin getrennt und getrocknet, so bleibe auch die Geruchsentwicklung gering, so Riesbeck.

Über einen QR-Code, der am Häuschen klebt, gelangt man per Smartphone zu einem Fragebogen, über den die Nutzer die neue Toilette bewerten können. Das Angebot werde gut angenommen, sagt Riesbeck, 40.000 Liter hätte das Unternehmen allein im Monat Mai abgepumpt. Berichte über Schäden und Nutzerzahlen würden automatisiert erfasst und hochgeladen. Nach der Jahresauswertung entscheide der Senat sich für eine Firma, die dann zusätzlich 30 Container der Firma Wall ersetzen soll.

Betriebskosten sollen geheim bleiben

Lena Olvedi dankt unter anderem Eco-Toiletten für die Unterstützung. Man habe es gemeinsam „von der Festivaltoilette zur Stadttoilette“ geschafft, sagt die Gründerin. Die Idee für die Hockurinale kam ihr beim Warten in einer Schlange vor einem Club. Missoir habe inzwischen auch die Berliner Clubs erreicht: Die Alte Münze und ein weiterer sollen folgen, dessen Namen sie noch nicht nennen will.

Zu den Betriebskosten für die autarken Toiletten dürfe er nichts sagen, meint Riesbeck. „Betriebsgeheimnis vom Senat“ nennt er das, Grund seien weitere Ausschreibungen in der Zukunft. Der Bau von zwei Urinalen und einer Sitztoilette, wie am Invalidenpark, koste zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Die Konkurrenz sei teurer: „Bei einer Citytoilette liegen die Kosten im Schnitt zwischen 80.000 und 120.000 Euro.“

Die Toilette am Kottbusser Tor erntete nach ihrer Eröffnung Kritik. Clara Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) twitterte, dass die Aufstellung bereits seit fünf Jahren gefordert wurde – jetzt sei es geschafft. Die Reaktion einiger Medien war spöttisch. Laut dieser Berichte kostet die Eco-Toilette am Kottbusser Tor 56.000 Euro im Jahr für Errichtung, Aufstellung, Wartung und Reinigung.