Berliner Stadtentwicklung

Baustart am Haus der Statistik: Jetzt wird das DDR-Erbe saniert

Der Umbau des zu DDR-Zeiten errichteten Ensembles hat am Montag begonnen. Neben Büros und einem Rathaus entstehen Wohnungen und Flächen für Künstler.

Mit weißer Fassade: So soll das Haus der Statistik nach der Sanierung aussehen. 
Mit weißer Fassade: So soll das Haus der Statistik nach der Sanierung aussehen. DE+ARCHITEKTEN GMBH

Preiswerte Wohnungen, ein Rathaus der Zukunft, neue Büros sowie Flächen für Kunst und Kultur – das alles soll am Standort des Hauses der Statistik in Mitte entstehen. Am Montag wurde der offizielle Baustart für die Sanierung des zu DDR-Zeiten errichteten Gebäudekomplexes gefeiert.

„Das ist ein Tag der großen Freude“, sagte Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) im Erdgeschoss des Hauses an der Karl-Marx-Allee Ecke Otto-Braun-Straße. „Dass hier ein lebendiges Stadtquartier entsteht, darauf können wir alle stolz sein“, so Wesener.

In einem ersten Schritt soll das Haus der Statistik bis zum Jahr 2024 saniert werden. Darüber hinaus soll der Bezirk Mitte ein neues Rathaus bekommen, und die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) will 290 Wohnungen errichten.

Dass der Baubeginn für das Haus der Statistik jetzt erfolge, komme mindestens einem kleinen, vielleicht sogar einem großen Wunder gleich, wenn man den Startpunkt der Diskussion betrachte, sagte Wesener. Denn ursprünglich gehörte das Areal am Rande des Alexanderplatzes gar nicht dem Land Berlin, sondern dem Bund, der die Flächen an private Investoren verkaufen wollte.

Proteste stoppten geplante Privatisierung

Proteste der Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser im Jahr 2015 führten aber dazu, dass der Bund von den Plänen abrückte. Bundesregierung und Senat verständigten sich im Zuge des Hauptstadtfinanzierungsvertrages von 2017 darauf, dass Berlin das Areal erwerben würde: für 57 Millionen Euro.

Das Haus der Statistik war nach Plänen des Architektenkollektivs Manfred Hörner, Peter Senf und Joachim Härter von 1968 bis 1970 errichtet worden und beherbergte die Zentralverwaltung für Statistik der DDR. Die Mitarbeiter ermittelten unter anderem die Produktionsergebnisse der volkseigenen Betriebe. Im Erdgeschoss gab es zwei Gaststätten sowie mit der Suhler Jagdhütte ein Geschäft für Jagd- und Anglerbedarf. Außerdem bot ein Laden Produkte aus der Sowjetunion an.

Nach der Wiedervereinigung zogen die Berliner Außenstelle des Bundesamtes für Statistik sowie die Stasi-Unterlagenbehörde in die Räume ein. Beide Behörden verließen den Komplex im Jahr 2008. Von da an stand die riesige Immobilie überwiegend leer.

Sanierungskosten liegen knapp unter 200 Millionen Euro

Der Finanzsenator würdigte zum Baustart am Montag das Engagement der Künstlerinitiative. Das Besondere am Projekt des Hauses der Statistik sei, dass die Initiative dafür von unten ausgegangen sei, nicht von jemandem aus einem politischen Amt. Das zeige, dass neue Stadtquartiere nicht nur nach einem bestimmten Schema entstehen müssten.

Die Büros, die im Haus der Statistik entstehen, sollen vom Finanzamt für die Ortsteile Mitte und Tiergarten genutzt werden. Es soll im ersten Quartal 2024 einziehen. Viel Spielraum haben die Finanzbeamten nicht. Denn Ende März 2024 müssen sie ihre jetzigen Büros in der Alten Jakobstraße verlassen. Prämisse der Finanzverwaltung sei, „dass alles im Zeit- und Kostenrahmen“ bleibe, so Wesener.

Die Sanierung des Hauses der Statistik soll laut der Berliner Immobilienmanagement Gesellschaft (BIM) knapp unter 200 Millionen Euro kosten. „Es wird mit Sicherheit ein hartes Stück Arbeit“, sagte BIM-Geschäftsführer Sven Lemiss. Zurzeit befänden sich die Arbeiten aber im Zeit- und Kostenplan. Die Schadstoffe seien bereits entfernt, das Haus ansonsten bis auf Wände und Decken entkernt worden.

Baustelle mit Botschaft für den Frieden: Das Haus der Statistik in Mitte wird bis zum Jahr 2024 saniert. „Stop Wars“, stoppt Kriege, steht in großen Buchstaben an der Fassade.
Baustelle mit Botschaft für den Frieden: Das Haus der Statistik in Mitte wird bis zum Jahr 2024 saniert. „Stop Wars“, stoppt Kriege, steht in großen Buchstaben an der Fassade.Volkmar Otto

BIM: Wir haben viel dazugelernt

„Wir haben viel dazugelernt“, sagte Lemiss. Früher habe die BIM die Auffassung vertreten, dass sie nur für das Bauen und die Einhaltung von Kosten und Terminen zuständig, die Beteiligung der Bürger aber Aufgabe der Politik oder der Verwaltung sei. Heute sei klar, dass ohne Partizipation nicht geplant und gebaut werden könne – auch wenn es wie beim Haus der Statistik mit fünf beteiligten Partnern „schon anstrengend“ sei, Kompromisse zu finden.

Zu den Projektbeteiligten gehören die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Bezirksamt Mitte, die Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die BIM und die Genossenschaft Zusammenkunft Berlin (ZKB), die aus den Protesten gegen die Privatisierung des Areals hervorgegangen ist. Die ZKB will 20 Prozent der Flächen im Bestand sowie 15.000 Quadratmeter im Neubau für Nutzungen aus dem Bereich Kunst, Kultur, Soziales entwickeln.

Das Ensemble des Hauses der Statistik besteht aus einem elfgeschossigen Kopfbau an der Karl-Marx-Allee, einem neungeschossigen 120 Meter langen Hochhausriegel entlang der Otto-Braun-Straße sowie einem zwölfgeschossigen Abschlussgebäude. Die drei Flachbauten, die jetzt noch zu dem Ensemble gehören, sollen abgerissen werden.

Neues Rathaus soll 16 Geschosse haben

Das Projekt soll nach dem städtebaulichen Entwurf der Planungsgemeinschaft Teleinternetcafé und Treibhaus (Berlin/Hamburg) gestaltet werden. Sie hat sich in einem Werkstattverfahren zur städtebaulichen Gestaltung des Areals durchgesetzt. Ihr preisgekrönter Entwurf sieht vor, dass neben den Altbauten mit rund 46.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche mehrere Neubauten mit rund 66.000 Quadratmetern Fläche entstehen.

In der Mitte des Areals sind drei Höfe für eine gemeinschaftliche Nutzung vorgesehen, die „Stadtzimmer“ genannt werden. Sie werden gesäumt von zwei 15- und zwölfgeschossigen Wohnhochhäusern, die zur Berolinastraße im rückwärtigen Bereich des Areals 46 und 37 Meter hochragen. Zur Otto-Braun-Straße ist das neue Rathaus für den Bezirk Mitte geplant, das mit 16 Geschossen sogar 64 Meter hoch werden soll. Dachgärten und Gemeinschaftsterrassen sollen für zusätzliches Grün sorgen. Außerdem sind drei Experimentierhäuser für wechselnde Nutzungen sowie zwei Kitas geplant.

Der Clou: Das neue Quartier soll durch die Berliner Stadtwerke ganz klimafreundlich mit Energie versorgt werden. Die Wärme des Abwassers aus zwei großen Mischwasserkanälen am Alex soll dabei im Winter zum Heizen und im Sommer zum Kühlen der Gebäude genutzt werden.

290 Wohnungen von der WBM geplant

Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte will 290 Wohnungen am Haus der Statistik errichten. „Neben kleinen und mittelgroßen Wohnungen sollen vor allem auch gemeinschaftliche Wohnkonzepte wie Clusterwohnungen Raum finden“, sagte WBM-Geschäftsführerin Christina Geib. „Der Baubeginn ist für 2026 geplant, die Fertigstellung für 2029 vorgesehen.“ Die Hälfte der neuen Unterkünfte soll als Sozialwohnungen vermietet werden.

Die Planungen für das neue Rathaus in Mitte gehen voran. Derzeit werde der Architektenwettbewerb vorbereitet, sagte Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Der Wettbewerb soll Anfang 2023 gestartet werden. Der Neubau wird nötig, weil der Bezirk das bisher von einem Privaten angemietete Domizil neben dem Kino International verlassen will. 186,5 Millionen Euro stehen für den Bau des neuen Rathauses zur Verfügung.

Gothe sagte, das neue Rathaus solle eine lebendige Erdgeschosszone haben. Vorgesehen seien ein großzügiges Foyer, Ausstellungsflächen, eine öffentliche Kantine sowie eine kleine Bibliothek. Dass jeder Mitarbeiter einen Büroarbeitsplatz bekommt, ist bei den Plänen für das Rathaus der Zukunft nicht vorgesehen. Es werde keine festen Arbeitsplätze mehr geben, so Gothe. Auf zehn Mitarbeiter kämen künftig sieben Arbeitsplätze.