Wohnungsmarkt

Berlin: Mieten rennen den staatlichen Zuschüssen fürs Wohnen davon

Für rund 75.000 Hartz-IV-Haushalte liegt die aktuelle Miete bereits über den Richtwerten. Linke fordert Anpassung der Leistungen.

Wohnungen in Berlin: Die Mieten rennen den staatlichen Zuschüssen fürs Wohnen davon.
Wohnungen in Berlin: Die Mieten rennen den staatlichen Zuschüssen fürs Wohnen davon.dpa/Jens Kalaene

Die steigenden Mieten führen dazu, dass die Mietrichtwerte für sozial bedürftige Haushalte nicht mehr zur aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt passen. Die Folge: In Berlin gibt es immer mehr Hartz-IV-Haushalte, deren Miete bereits über den zulässigen Mietrichtwerten liegt. Während im Dezember 2019 noch rund 65.000 sogenannte Bedarfsgemeinschaften in einer Wohnung lebten, deren Miete über den zulässigen Richtwerten lag, kletterte die Zahl bis April dieses Jahres auf 75.000.

Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Sandra Brunner, Stefanie Fuchs und Niklas Schenker hervor. „Das zeigt, dass wir die Mietrichtwerte an die gestiegenen Mieten anpassen müssen“, sagt Sandra Brunner.

Die Mietrichtwerte in Berlin waren zuletzt zum 1. Juli vergangenen Jahres erhöht worden. Eine Person hat danach Anspruch auf eine 50 Quadratmeter große Wohnung, die bruttokalt 426 Euro monatlich kostet. Für Alleinerziehende mit einem Kind erhöht sich die zulässige Wohnfläche auf 65 Quadratmeter, wobei sich die Bruttokaltmiete auf 515,45 Euro belaufen darf. Weitere Zuschläge gibt es für die warmen Betriebskosten, also für Heizung und Warmwasser. Die Höhe der Zuschläge ist abhängig davon, ob die Wohnung mit Heizöl, Erdgas oder Fernwärme beheizt wird.

In rund 19.000 Fällen liegt die tatsächliche Miete über den anerkannten Kosten

Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, deren Miete vom Jobcenter gezahlt wird, belief sich im April dieses Jahres auf rund 214.000. Die Zahl der Fälle, in denen das Jobcenter die Miete als zu hoch einstufte und eine „Kostensenkung“ vornahm, also weniger Geld fürs Wohnen zahlt, ist vergleichsweise niedrig: Sie verringerte sich von 3684 im Dezember 2019 auf 1109 im Dezember 2021. Hintergrund: Seit dem 1. März 2020 gilt bis zum 31. Dezember 2022 eine Übergangsregelung, wonach beim Arbeitslosengeld II und in der Sozialhilfe wegen der Covid-19-Pandemie die vollständigen Kosten für Unterkunft und Heizung anerkannt werden. Eine Absenkung der Kosten ist danach ausgeschlossen, falls nicht schon vor dem 1. März 2020 lediglich die angemessenen Kosten anerkannt wurden.

In rund 19.000 Fällen lagen die tatsächlichen Mietkosten im April dieses Jahres über den vom Jobcenter anerkannten Kosten – und zwar im Schnitt um 152 Euro. Für die Betroffenen hat dies in der Regel teure Folgen. Denn die Bedarfsgemeinschaften müssen den Anteil der Miete, der nicht erstattet wird, meist aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen, also aus dem monatlichen Regelsatz. Für einen Alleinstehenden beläuft sich dieser auf 449 Euro. „Damit ist ein menschenwürdiges Leben nicht möglich“, sagt die Linke-Abgeordnete Brunner.

Laut der Senatsantwort sind die Ursachen für die Differenz zwischen tatsächlicher und vollständig übernommener Miete „vielfältig und mit den Mitteln der Statistik nicht identifizierbar“. So würden zum Beispiel Rückerstattungen aus Nebenkostenabrechnungen zu einer Reduzierung der anerkannten Kosten führen. Auch Einnahmen aus der Untervermietung seien zu verrechnen. Soll heißen: Auch verschiedene Einnahmen der Mieter führen dazu, dass das Jobcenter einen geringeren Teil der Mietkosten übernimmt.

Linke fordert mehr Hilfen vom Bund

Sandra Brunner fordert in Anbetracht der steigenden Energiekosten mehr Hilfen vom Bund. „Die Bundesregierung muss beim Bürgergeld und in der Sozialhilfe dringend dafür sorgen, dass die tatsächlichen Unterkunfts- und insbesondere die Heizkosten ab 1. Januar 2023 anerkannt werden“, sagt sie. Das gerade beschlossene Entlastungspaket III sage dazu „leider nichts“.

Die bis zum 31. Dezember 2022 geltende Übergangsregelung, wonach beim Arbeitslosengeld II und in der Sozialhilfe wegen der Covid-19-Pandemie die vollständigen Kosten für Unterkunft und Heizung anerkannt werden, müsse fortgeführt werden, verlangt Brunner. Dies gelte in besonderem Maße für die Heizkosten. „Fast zwei Drittel der Berliner Haushalte werden gasbasiert beheizt“, sagt Brunner. „Die Preissprünge bei der Energieversorgung müssen bei der Übernahme der Kosten für die Unterkunft vollständig berücksichtigt werden.“ Kein Haushalt, der auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist, dürfe in der Krise im Kalten sitzen. „Das ist die soziale Verantwortung, der Bundesregierung und Berliner Landesregierung nachkommen müssen“, so Brunner.

Notwendig sei, bei der Novellierung der Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen zum 1. Januar 2023 dafür Sorge zu tragen, dass die Preissprünge bei den Heizkosten Eingang in die Neubestimmung der Heizkostengrenzwerte finden. Ein Rückgriff auf den bundesweiten Heizkostenspiegel reiche nicht aus. Denn der Heizkostenspiegel, der im Herbst erscheint, spiegele „nur die Preisentwicklung für das zurückliegende Jahr 2021 wieder“. Sollten sich die Hilfen darauf beziehen, würden sie zu gering ausfallen.